Urban Farming als TrendKölnerin hält vier Hühner und 150.000 Bienen im Garten
Köln-Sürth – 100 Kilo Honig im Jahr, 16 Eier in der Woche und jede Menge Obst und Gemüse: Melanie Abels ist dem Selbstversorger-Glück dank ihres 200 Quadratmeter großen Gartens in der Sürther Carl-von-Linde-Straße ganz nah. Urban Farming nennt sich der Trend, der mehr bedeutet als Pflanzen und Ernten in der Stadt. Oder ganz in der Nähe.
Vier braune Hühner mit besonders üppigem Gefieder laufen entspannt über den Rasen, hier und da scharren sie, picken einen Wurm oder staksen neugierig um die Sitzgarnitur herum. Im Hintergrund schwirren Bienen unermüdlich aus ihren Behausungen heraus und wieder hinein. Im Garten gibt es Beete, in denen Gemüse und Kräuter wachsen. An anderer Stelle reifen Weintrauben, Beeren, Äpfel, Feigen und Zitronen an kleinen Bäumen. Naturverbunden präsentiert sich der gut 200 Quadratmeter große Hausgarten an der Carl-von-Linde-Straße in Sürth.
Melanie Abels lebt hier seit 13 Jahren mit ihrem Mann Johannes Holzwarth, Sohn Frederic und Hund Gismo. „Ich bin von morgens bis abends im Garten“, sagt die Kölnerin, die von Beruf Skilehrerin ist und früher eine Zeit lang in Zermatt in der Schweiz lebte. Sich selbst mit Obst, Gemüse, legefrischen Eiern und Honig aus dem eigenen Garten zu versorgen, macht ihr enorm viel Spaß – nicht erst, seit „urban farming“ im Trend liegt. So wird das Selbstversorger-Hobby genannt, das über „urban gardening“ hinaus geht, bei dem es „nur“ um Anbau und Ernte von Pflanzen in der Stadt geht.
Hobby-Imker und -Hühnerhalter in NRW
Die Haltung von Bienen und Hühnern nimmt laut Aussagen der Landwirtschaftskammer NRW in den vergangenen fünf bis sechs Jahren stetig zu. Im Jahr 2015 gab es in NRW rund 21.100 Hobby-Hühnerhalter, im Jahr 2021 waren es 31.200.
Bei den Imkern wurden 2015 in NRW 10.300 registriert, im Jahr 2021 insgesamt 17.000. Besonders auffällig ist die Steigerung bei der Hobby-Hühnerhaltung (bis zu 50 Tiere) in den vergangenen zwei Jahren. Die Tierseuchenkasse der Landwirtschaftskammer, bei der sich alle Nutztierhalter registrieren müssen, verzeichnet seitdem täglich zwischen 40 und 60 Neuanmeldungen zur Hühner- und bis zu zehn zur Haltung von Bienen.
Die 49-Jährige ist ein bodenständiger Typ mit Sinn fürs Praktische und großem Interesse am Kreislauf der Natur. Sie sieht sich nicht als Trendsetterin, und ihr Hobby ist auch kein bloßer Zeitvertreib während Corona-Zeiten. Sie erzählt, dass sie eigentlich schon immer Bienen haben wollte. „Aber als Frederic klein war, wurde im Garten viel Fußball und Federball gespielt, da wär ein Bienenvolk doch zu riskant gewesen.“
100 Kilo Honig im Jahr
Vor zwei Jahren erfüllte Abels sich ihren Wunsch und freut sich nun über das lebhafte Summen und Brummen ihrer 150.000 Bienen – und über die
Produktion von mindestens 100 Kilo Honig im Jahr. Sie schleudert ihn selbst und verkauft die Gläser an die Nachbarschaft und andere Kunden – bei reißendem Absatz. Imker-Kollege Lothar Milde ist ihr Pate. „Alles Wissen habe ich von ihm gelernt“, sagt Abels.
Ein Liegestuhl steht in der Nähe der Bienenstöcke, von dort oder auch von der Terrasse aus beobachtet Melanie Abels gerne ihre fleißigen Pollensammlerinnen und entschleunigt dabei. Im Frühsommer kontrolliert sie mindestens einmal wöchentlich, ob es Tendenzen zum „Schwärmen“
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eines Bienenvolkes samt Königin gibt. Das will sie unbedingt verhindern. Deshalb fährt sie auch erst im September in Urlaub. Dann wird das Bienenleben ruhiger, zudem ist der Sommer-Honig dann geschleudert und cremig gerührt.
Der ganze Stolz: Vier Orpington-Hühner
Besonders stolz ist Abels auf ihre vier Orpington-Hühner, die seit April 2020 zur Familie gehören. Am liebsten mag sie Else, die große Braune. Sie ist zutraulich und führt sich gern als Chefin auf. Etwas weniger selbstbewusst ist die kleinere Trine. Hilde hat schöne weiße Spitzen an den Federn. Und Rosi steht ganz unten in der Hackordnung. Sie hält meistens Abstand zu ihren Artgenossinnen, die manchmal recht gehässig sein können.
Auch für Federvieh interessiere sie sich schon lange, sagt Abels. Nach ausführlichen Recherchen hat sie sich letztlich für die Orpington-Rasse entschieden und die flugunfähigen Tiere von einem Wuppertaler Züchter erworben. „Sie sind selten, ruhig, robust und sie gehören derzeit zu den gefährdeten Nutztieren“, sagt Abels. Als Unterschlupf und Eierablage dient ein isolierter Spezial-Plastikstall, der leicht zu reinigen ist. Ein eingezäunter Auslauf gehört dazu, der stets offen steht. Vier Eier pro Woche und Huhn hole sie im Schnitt aus dem Strohnest im Stall.
Anfangs ihr Mann skeptisch gewesen und habe eine Lärmbelästigung für die Nachbarn befürchtet. Schließlich gackern Hühner, vor allem, wenn sie Eier legen. Die Abels haben die Anlieger über ihr Ansinnen informiert. Keiner war dagegen. Außerdem würden Else und Co ihre Eier meistens zwischen neun und zehn Uhr morgens legen, zu einer nachbarfreundliche Zeit.
Zwei Mal am Tag Hühnerkot sammeln
Mit rund 125 Gramm Futter müsse ein Huhn am Tag gefüttert werden, erklärt die Hobby-Bäuerin. Ihre Orpingtons bräuchten weniger, weil sie „Unmengen“ von Käfern, Gras, Klee fressen. Auch Schnecken stehen auf dem Speiseplan. Zweimal am Tag sammelt Abels Hühnerkot ein und entsorgt ihn auf den Kompost, der als Dünger für das Obst und Gemüse verwendet wird.
Ob ihr die Arbeit manchmal zu viel wird? „Nein, aber mehr Tiere möchte ich mir nicht anlegen, auch wenn ich im vergangenen Winter mit der Aufzucht von Hühnerküken geliebäugelt habe“, gesteht Abels. Dafür hätte sie eine Voliere gebraucht, um die Kleinen vor Katzen und Greifvögeln zu schützen.
Schlachtung ist tabu
Die Hähne, die sich aus den Küken entwickeln, hätte sie verschenkt, die Hennen für jeweils rund 30 Euro verkauft. Aber den Gedanken hat sie wegen des Aufwands wieder verworfen, zumindest fürs Erste. Völlig abwegig sei der Gedanke, die Hühner zu schlachten. Soweit geht die Freude an der Selbstversorgung dann doch nicht. Else, Trine, Hilde und Rosi dürfen im Garten alt werden. Acht Jahre schaffen die meisten Orpingtons, manche auch mehr.