Rodenkirchen – Spazieren, reden, zuhören, mitschreiben: Es bedarf schon einer gewissen Fähigkeit zum Multitasking, um bei einem Veedelsspaziergang mit Giovanni Zarrella durch Rodenkirchen nicht den Faden zu verlieren.
Familie, Job, die Liebe zu Köln – der 37-Jährige hat derzeit viel zu erzählen. Und er tut es gerne. Redepausen? Selten bis nie. Bis er plötzlich stehen bleibt und sein Smartphone aus der Manteltasche zückt. „Schau mal“, sagt er, hält sein Handy vors Gesicht und drückt auf den Auslöser. Nur wenige Meter vor uns geht ein altes Ehepaar. Zwischen ihnen baumelt eine Stofftasche, jeder hat jeweils einen Henkel in der Hand. Sie wirkt leer. „Wie goldig“, sagt Zarrella, „ich liebe sowas – die wollen einfach nur connected sein.“
Was er damit meint: Verbundenheit. Das wird nur wenige Sekunden später deutlich. „Ich habe eben noch meinen Sohn zur Schule gebracht“, erzählt er. „Da trifft der dann seine Buddys und dann laufen die Arm in Arm weiter.“ Zarrella strahlt; erzählt, wie glücklich ihn die kleinen Dinge im Leben machen. „Noch darf ich Gabriel sogar vor der Schule küssen.“ Sein Sohn ist sieben.
Die Familie geht über alles
Es wird nicht die letzte Anekdote aus dem Leben der Zarrellas sein, die er an diesem winterkalten Vormittag erzählen wird. Seine Familie ist dem Ex-Bro’sis-Sänger heilig. Für seine Frau, seine beiden Kinder, die Eltern, die beiden Geschwister Maria und Stefano, verzichtet er gerne auf Kneipenfußball oder Aftershow-Partys. Ein Grund, warum er uns auf dem Spaziergang auch nur an einige wenige persönliche Orte in Rodenkirchen führen wird.
Seine Freizeit verbringt der gebürtige Hechinger am liebsten zu Hause – wann immer es geht. „Dafür zerreiße ich mich auch“, sagt er. „Egal wo ich für einen Job bin – wenn es geht, fliege ich abends noch nach Hause. Für mich zählt jede Minute mit meinen Kindern.“ Zwar befindet sich dieses „Zuhause“ heute weiter südlich und nicht mehr in direkter Nähe zum Rhein, doch verbindet der Musiker immer noch viel mit dem Viertel, in dem er fünf Jahre gelebt hat. Arzttermine, die Sonntagsbrötchen – regelmäßig kommt Zarrella noch heute nach Rodenkirchen.
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Die Familienplanung führte ihn und seine Ehefrau, das brasilianische Model Jana Ina Zarrella, damals her. „Unsere Wohnung in der Ehrenstraße wurde einfach zu eng“, erzählt er. Wir stehen im Wendehammer der Ernst-Reimbold-Straße. Drei Häuser säumen den Weg, alle weiß, alle mit blauen Fensterläden. „Wenn du da aus der Bude gegangen bist, warst du direkt im Chaos. Hier hatten wir die heile Welt – unsere Ruhe.“
„Wir kannten uns nicht gut aus in Köln“
Die Wohnung hatten sie sich gemeinsam angeschaut – ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben, wo sie sich befand. Zarrella kam 2005 der Liebe wegen aus München nach Köln. Während seiner Zeit bei der Popstars-Band „Bro’Sis“ hatte er in der bayerischen Landeshauptstadt gewohnt. Ein Jahr zuvor hatte er Jana Ina kennengelernt. Sie war neu in der Stadt und konnte ihn überzeugen, zu ihr zu ziehen. Eigentlich wäre er gerne zurück nach Stuttgart gegangen – zu seiner Familie.
„Wir kannten uns beide wirklich nicht gut aus in Köln“, erzählt er, „wir haben uns dann einfach ein paar Sachen angeguckt. Und hier wollten wir bleiben.“ Der Grund – ganz klar: Die Nähe zum Rhein. „Brasilianerinnen brauchen den Strand“, lacht Zarrella, „das hatten wir somit also abgefrühstückt.“ Wir machen uns auf den Weg dorthin, überqueren die Hauptstraße, spazieren weiter am Ufer entlang in Richtung der Rodenkirchener Riviera. Der zweifache Familienvater kommt häufig hierher, mal mit seiner Familie, mal mit Freunden. „Ich brauche die Hektik der Stadt einfach nicht“, sagt er. „Mein Leben ist stressig genug. Hier am Rhein kann ich richtig runterkommen.“
Ein Fuchs auf dem Ascheplatz
Giovanni Zarrella spricht offen über das, was ihm gerade so passiert. Seine Art zu erzählen – wie unter Freunden – macht ihn authentisch. Auch für Niederlagen oder die Kritik an seiner Person, an dem Ex-Popstar, der sein Leben bereits zwei Mal in Doku-Soaps vermarktet hat und sich nun als Jazz-Musiker und Fußball-Moderator versucht, findet er ehrliche Worte. „Als Musiker da rein zu kommen, war nicht einfach für mich“, erzählt der AS-Rom-Fan. Beim Casting für den Sender Sport1 musste er sich gegen Ex-Fußballer, Journalisten und gelernte Moderatoren durchsetzen. „Nach der ersten Sendung habe ich mir dann im Netz die Kommentare durchgelesen und bin auf viel Kritik gestoßen. Damit muss man sich dann eben auseinander setzen.“ Aber ohne Gegenwind, sagt er, „hätte ich vielleicht nicht den Anspruch, noch besser zu werden“.
Er selbst versucht, drei Mal in der Woche auf dem Platz zu stehen. Als Außenverteidiger beim FC Rheinsüd, auf den Ascheplätzen in Rodenkirchen und Sürth. „Dieses Tasche-Packen, anständig frühstücken, gute Kohlehydrate essen – das feier ich komplett ab. Ich brauche diese Challenge. Ich bin auch so einer kleiner Fuchs auf dem Platz – nicht der angenehmste Gegenspieler.“ Als „TV-Mensch“ dürfe er sich auf dem Platz aber auch genug anhören, fügt er mit einem Lachen hinzu. „Deswegen darf ich ab und zu auch mal dazwischengehen.“
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Wir halten in Höhe der Kirche St. Maternus. Einmal im Jahr, an Weihnachten, kehrt die gesamte Familie Zarrella hier ein. Seine Eltern kamen vor vier Jahren aus Stuttgart nach Köln, um mehr Zeit mit ihren Enkeln verbringen zu können. Sie betreiben heute das Natuzzi Restaurant auf dem Hohenzollernring. „Man muss den Kids was vom Glauben mitgeben“, sagt Zarrella, „das ist schon wichtig.“
Es gebe keinen Abend, an dem er nicht mit seinen Kindern bete. „Wir bedanken uns dann für den Tag und dass wir alle gesund sind. So holen wir uns Unterstützung. Dafür muss man ja nicht unbedingt in die Kirche gehen.“
Unterstützung – ein Begriff, der schwer wiegt für Giovanni Zarrella. Heute ist er – wieder – erfolgreich. Mit seiner Band Vintage Vegas begleitet er noch bis Ende März die „Holiday on Ice“-Produktion „Passion“.
Das Album „Let’s Swop“ der drei Musiker landete in den Jazz-Charts auf Platz 1. 2005, nach dem Ende von Bro’Sis, hatte sein Leben eine andere Wendung genommen. „Das war keine einfache Zeit“, sagt er heute. „Wir wurden vier Jahre bemuttert und sollten dann plötzlich alleine weitermarschieren. Ich bin in ein richtiges Loch gefallen.“
Froh, nach Köln gekommen zu sein
Doch seine Familie hielt zu ihm. „Meine Frau und ich – wir sind keine Menschen, die aus der Not heraus irgendeinen Quatsch machen. Wir haben Geduld bewiesen.“ Mehrere Male sei er bereits für Formate wie das Dschungelcamp angefragt worden. „Das war es mir nicht wert“, sagt er. „Wenn ich einmal da drin gewesen wäre, hätte mich Sport1 niemals verpflichtet.“ Sein Credo: „Alles was Mama und Papa stolz macht.“
Dass er die erste Schwangerschaft seiner Frau (2008) und die Eröffnung seines mittlerweile geschlossenen Restaurants „Settantotto“ auf der Rodenkirchener Hauptstraße (2010) von TV-Kameras hat begleiten lassen, fällt für ihn darunter. „Wir wollten damals einfach eine schöne Liebesgeschichte erzählen“.
Mittlerweile sind wir im Zentrum angekommen. Im Restaurant Palladio am Maternusplatz saß er noch am Tag zuvor mit seinem Anwalt zusammen. „Die haben eine unglaublich gute Pizza. Die Köchin kommt aus Neapel. Da kannst du in die Küche reinrufen, was heute da ist, und dir sicher sein, dass es gut ist.“ Ein passendes Stichwort. Denn auch Zarrella hat neapolitanische Wurzeln.
Wir kommen auf den Begriff der „Heimat“ zu sprechen. „Da wo meine Frau und meine Kinder sind“, sagt er. Im Rückblick sei er froh, nach Köln gekommen zu sein – auch wenn es ihm schwer fiel, das gibt er zu. „Köln hat seinen eigenen Charme. Es ist bestimmt nicht die schönste Stadt, aber es heißt dich willkommen, holt dich ab und schließt dich in seine Arme.“