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Schulplatzvergabe in Köln„Leo ist der einzige, der noch keinen Platz hat“

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Manche Kinder wissen noch nicht, auf welche Schule sie ab August gehen.

Köln – Für Leo ist die Situation gerade schwierig. Es gibt ein Thema, über das er gar nicht mehr spricht. Nicht sprechen will. Es ist seine Art, durch Rückzug mit der Ungewissheit fertig zu werden. Auch seine Klassenlehrerin achtet darauf, dass das Thema „weiterführende Schule“ möglichst nicht in der Klasse ausgebreitet wird. Denn der Zehnjährige, der eigentlich anders heißt und die Montessori-Grundschule in der Gilbachstraße besucht, weiß auch gut drei Monate nach Beginn des Anmeldeverfahrens immer noch nicht, auf welche Schule er nach den Sommerferien gehen wird. „Er ist damit das einzige Kind aus seiner ganzen Schule, das immer noch keinen Schulplatz hat“, sagt sein Vater Heinrich S..

Auch in der zweiten Runde des Anmeldeverfahrens, die in der vergangenen Woche zumindest formal zu Ende gegangen ist, ist der Ehrenfelder Junge wieder leer ausgegangen. Ihr Sohn fühlt sich schon genug belastet und stigmatisiert, deswegen möchten seine Eltern nicht, dass sein richtiger Name veröffentlicht wird. Und auch sie selbst haben die Sorge, dass sie sich vielleicht Restchancen verbauen, doch noch reinzurutschen und wollen ihren Nachnamen nicht öffentlich machen.

„Oma und Opa fragen“

„Man ist einfach komplett fertig und fassungslos. Alle reden darüber, wo sie hingehen. Opa , Oma, Freunde – alle fragen, wo der Junge denn nun hingeht“, erzählt Heinrich S. Eigentlich sollte das Schulplatzvergabeverfahren am 30. April „weitgehend abgeschlossen“ sein, hatte die Stadt auf ihrer Homepage erklärt. Leo fällt wohl unter weitgehend. „Am 25. April habe ich auf meine Nachfrage die letzte Mail von der Stadt bekommen, wo wir um Geduld gebeten werden.“ Durch das Abarbeiten von Wartelisten könnten vielleicht noch freie Kapazitäten entstehen. Auf dem Apostelgymnasium, das in der zweiten Runde noch Kapazitäten hatte, ist Leos Wartelistenplatz gar nicht schlecht. „Aber es muss ein Platz von einem Jungen zurückgegeben werden. Wenn es ein Mädchen ist, dann klappt das nicht“, erläutert Leos Vater. Das sei bisher nicht passiert.

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Wie vielen Kinder so wie Leo nach der zweiten Runde immer noch ohne Schulplatz dastehen und wo für diese die Plätze gefunden werden, ist unklar. Das Anmeldeverfahren liegt nach Angaben der Stadt in den letzten Zügen. Während die Stadt ursprünglich mit etwas über 50 noch unversorgten Kindern gerechnet hat, hatte Schulministerin Yvonne Gebauer zwischenzeitlich von 100 Kindern gesprochen. Voraussichtlich am Mittwoch werde die Auswertung des Verfahrens veröffentlicht, so die Stadt. Am Donnerstag ist zudem im Rat auf Antrag von Grünen, CDU und Volt eine Aktuelle Stunde zum Stand des Schulanmeldeverfahrens geplant. In dem Antrag wird auch gefordert, dass die Stadt Vorschläge für ein besseres Verfahren macht“. Stadt und Bezirksregierung hatten sich auf dem Schulgipfel Anfang April verständigt, das Ergebnis des diesjährigen Anmeldeverfahrens in enger Abstimmung zu veröffentlichen. Damals hatte die Stadt erneut bekräftigt, dass am Ende alle Kinder mit Plätzen versorgt werden. Ob dies durch weitere Mehrklassen – was die Bezirksregierung eigentlich nicht will - oder durch Beschulung jenseits der Stadtgrenze erreicht werden soll, blieb offen.

Viele Kinder in Hürth angemeldet

Fest steht, dass viele Kölner Familien den Weg jenseits der Stadtgrenze gesucht haben. „Die sitzen ja nicht alle da und warten monatelang ohnmächtig darauf, wie es weiter geht“, sagt Olaf Wittrock, Sprecher der Initiative „Die Abgelehnten“. Viele hätten sich von sich aus auf die Suche gemacht – bei konfessionellen Privatschulen oder eben außerhalb von Köln.

Allein das sechszügige Albert-Schweitzer-Gymnasium in Hürth hat 16 Kinder aus dem Kölner Süden aufgenommen. Er habe viel Not und Verzweiflung bei den Eltern und Kindern gesehen und gerne geholfen, sagt Schulleiter Thorsten Jürgensen-Engl. Zumal die Stadt Hürth eine gute Schulpolitik mit ausreichend Kapazitäten mache. In der Hürther Schule wird nicht gelost, es wird mit jedem Kind ein Kennenlerngespräch geführt. „Es war das erste Mal, dass sich meine Tochter nach den ganzen frustrierenden Wartelistennummern wirklich willkommen gefühlt hat“, sagt eine Kölner Mutter, die mit ihrer Tochter dort war. Die Sülzer Familie von Max bestem Freund Konrad hat sich auch schweren Herzens zu diesem Schritt entschlossen. Max selbst habe einen Platz auf dem Hildegard-von-Bingen-Gymnasium bekommen, erzählt sein Vater Christoph Siep. Sein Freund ging leer aus. Da die anderen Gymnasien mit noch freien Plätzen von Sülz aus noch viel schlechter erreichbar seien, habe sich sein Freund Konrad noch vor der zweiten Anmelderunde für Hürth entschieden.

Vereinbarungen mit Nachbarkommunen

Auch Gymnasien in Dormagen haben nach Angaben von Schulministerin Yvonne Gebauer in größerer Zahl Kinder aus Köln aufgenommen. Sie sprach bei einer Veranstaltung der Stadtschulpflegschaft vergangene Woche davon, dass aus den Randbezirken von Köln in Summe drei Klassen außerhalb von Köln gebildet werden müssten. Sie forderte, dass die Stadt hierfür verbindliche Vereinbarungen mit Nachbarkommunen schließen solle und diese auch für die Aufnahme der Kölner Kinder entschädigt werden müssten.

Leo aus Ehrenfeld, der sich in der ersten Runde außer bei der Heliosschule auch vergeblich am Albertus-Magnus-Gymnasium und dem Montessori-Gymnasium angemeldet hatte, helfen die Kapazitäten in Hürth wenig. „Er fühlt sich völlig verloren und wird dann im August ohne irgendwelche Freunde irgendwo hingehen“, sagt sein Vater. Wohin der vermutlich weite Schulweg ihn dann führt, das hoffen die Eltern im Laufe der Woche endlich zu erfahren. „Das Frustrierende ist, dass er ein super Zeugnis hatte. Er hat sich angestrengt und die Erfahrung gemacht, dass ihm das nichts gebracht hat.“