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Kommentar zur NRW-WahlDas System Schule ist am Rande des Burnouts

Lesezeit 4 Minuten
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Schulpolitik ist Thema im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen (Symbolbild)

Bildungspolitik – also die Zukunft von Schule und damit die Zukunft der Kinder von Nordrhein-Westfalen sollte mal das Hauptwahlkampfthema werden. Eigentlich naheliegend – schließlich haben die Jahre der Corona-Pandemie die Versäumnisse der letzten zehn Jahre schonungslos offen gelegt: Schule ist ein System am Rande des Burnouts. Stattdessen ging es in der öffentlichen Wahlkampfdebatte über Wochen eher darum, wer während der Flutkatastrophe auf Mallorca war.

Der passendste Satz zur aktuellen Lage findet sich passenderweise im Wahlprogramm der seit fünf Jahren das Schulministerium führenden FDP: „Der Zustand der Schulen spiegelt auch immer die Wertigkeit wieder, die wir unseren Kindern und Jugendlichen entgegenbringen.“ Dem ist – zumal aus Kölner Sicht – nichts hinzuzufügen.

Gebauers nicht eingelöste Versprechen

Ansonsten findet sich in den Programmen parteiübergreifend eine Wundertüte bildungspolitischer Wohltaten, von denen jede für sich ein Segen wäre: Die FDP will die Klassengrößen reduzieren und den Schulen mit einem Schulfreiheitsgesetz mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten geben. Die Union besorgt in den kommenden fünf Jahren – woher auch immer - 10.000 zusätzliche Lehrer. Die SPD will für mehr Bildungsgerechtigkeit multiprofessionelle Teams an die Schulen bringen und mit einem Sozialindex die besten Lehrkräfte genau dort an den Start bringen, wo Schülerinnen und Schüler am meisten benachteiligt sind. Außerdem will die SPD alle Lehrkräfte – gleich an welcher Schulform – mit A13 entlohnen.

Ein Versprechen, das Gebauer vor fünf Jahren auch bereits gegeben, und bislang nicht eingelöst hat. Das Füllhorn der Verheißungen ist riesig, das Vertrauen in die Einlösung eher gering. Zu präsent die Erfahrung, dass von all dem, was verkündet wird, vielfach vor Ort auch Monate später nichts ankommt. Egal ob Luftfilter oder extra Personal im Programm „Aufholen nach Corona“.

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So wichtig und überfällig angemessene Entlohnung und bessere Ausstattung der Schulen sind: Das Problem der massiv fehlenden Personalressourcen ist nicht mit Geld und digitaler Technik zu lösen. Lehrkräfte lassen sich nicht aus dem Boden stampfen – ganz davon abgesehen, dass es in NRW an einer Strategie fehlt, wo die ebenfalls fehlenden Lehramts-Studienplätze herkommen sollen.

Die Wahrheit ist, dass das Arbeiten in einem durch Erlasse von oben fremdgesteuerten, von überfüllten Lehrplänen getriebenen und mangelnden Ressourcen ausgezehrten System einfach nicht attraktiv ist. Von mangelnder Wertschätzung ganz zu schweigen. „Wir müssen mehr Menschen motivieren, Lehrer zu werden und mehr informieren, was das für ein toller Beruf ist“, sagt Gebauer.

Lehrpläne in NRW müssen dringend entrümpelt werden

Genau darum geht es. Wie das gehen kann und was sie alle in den Schulen ersehnen, damit das wieder ein toller Beruf und kein Garant für den Burnout wird, steht aber leider in keinem der Wahlprogramme und ist auch nicht Gegenstand von Wahlkampfdebatten: Endlich den Lehrplan entrümpeln und den Stoffumfang reduzieren. Endlich Luft schaffen für das, warum Menschen Lehrer werden und was Schülerinnen und Schüler die Erfahrung ermöglicht, dass Lernen Spaß machen kann. Schule heute ist ein System von Getriebenen, in dem es mehr um Inhalte als um Fähigkeiten geht, mehr um Quantität statt um Qualität, um Breite statt Tiefe.

Schulleitungen wollen alte Zöpfe abschneiden

Was ist wirklich wichtig für ein Leben in einer sich ständig wandelnden Welt und was kann weg? Die Frage muss dringend diskutiert werden - statt einfach mit neuen Fächern wie Wirtschaft oder jetzt Informatik ab Klasse 5 immer mehr draufzusatteln, ohne dafür beherzt andere Dinge zu streichen. Bildungspolitik ist extrem konservativ. Wie ein Fels, den keiner bewegen kann. An den Schulen liegt das nicht: In einer aktuellen Studie hat das Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie 1100 Schulleiterinnen und Schulleiter im ganzen Land befragt.

Das Ergebnis: Über 80 Prozent finden den Stundenplan nicht mehr zeitgemäß und wollen den althergebrachten Fächerkanon umkrempeln statt sich damit zu begnügen, Tablets und digitalisierte Schulbücher zur Bildungsrevolution zu erklären. Sie wünschen sich, ein paar alte Zöpfe abzuschneiden und stattdessen dringend die Themen „Demokratie“ , „Digitale Bildung und mediale Mündigkeit“ sowie „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ zu verstärken.

Das sind genau die Zukunftsthemen: In einer Welt, in der die Demokratie massiv bedroht ist und sich Schülerinnen und Schüler nur noch ausschließlich über Instagram politisch informieren, ist es beispielsweise für eine gute Zukunft essenziell, dass die junge Generation lernt, Informationen im Netz zu bewerten und Algorithmen zu verstehen. Von den Manipulationen durch Künstliche Intelligenz noch gar nicht zu sprechen. Das Gute ist: Eine so geartete Bildungsreform kostet nichts. Sie braucht nur Mut zum Weglassen. Und einen weiten Horizont.