Serie „Schule in Not“„Die Dixi-Klos am 11.11. waren sauberer als viele Schulklos“
Köln – Angela Kool hat laminierte, bunte Bildchen mitgebracht. Ein Junge, der dringend muss, ist da zu sehen. Ein Bild zeigt eine Rolle Klopapier, ein weiteres erklärt, was man mit dem Klopapier nach der Benutzung tun sollte. Das Hochziehen der Hose sollte man nicht vergessen, auch das Händewaschen nicht. Angela Kool ist die offizielle Reinigungsberaterin der Stadt Köln für Schulklos.
„Auch einige der Kinder finden es seltsam, dass jemand kommen muss, um ihnen zu erklären, wie man die Toilette benutzt“, sagt sie. „Aber das ändert sich, wenn hinterher ein Arbeitsblatt ausgefüllt werden muss.“ Dann müssen die Schulanfänger die zehn Bildchen in die richtige Reihenfolge bringen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist ernüchternd: „Die Hälfte der Klasse macht mehr als zwei Fehler.“
Angela Kool ist eine gefragte Frau. Traf sie sich in den vergangenen Jahren vor allem mit Schülervertretungen und Verantwortlichen einer Schule, um über Maßnahmen gegen stinkende und versiffte Toilettenanlagen nachzudenken, wird sie mittlerweile zunehmend als Nothelferin in den Unterricht geholt. Wissen Kölner Grundschüler nicht mehr, wie man eine Toilette benutzt?
Pädagogen an Schulen scheinen überfordert
Zumindest scheint klar, dass die ausgebildeten Pädagogen an vielen Schulen überfordert scheinen. So teilte eine Neuehrenfelder Grundschule jüngst in einem Brief an alle Eltern mit, dass es „wieder vermehrt zu Verunreinigungen auf den Schülertoiletten gekommen“ ist. Der Hausmeister habe mehrfach Sonderreinigungen wegen mit Fäkalien verschmierten Kabinen beauftragen müssen. „Auch die Stadt Köln hat auf diese unschöne Situation reagiert und Frau Kool zu uns geschickt.“ Die Bankrotterklärung der Schule endet mit der „eindringlichen Bitte“ um Mithilfe der Eltern: „Besprechen Sie zu Hause noch einmal mit Ihrem Kind das Verhalten auf der Toilette.“
Jede Woche gibt es neue Klagen und Protestaktionen über eine unzumutbare Situation auf den Toiletten in vielen Schulen. Bei der letzten Sitzung des Schulausschuss des Rates ging der Vertreter der Kölner Schülerschaft mit deutlichen Worten auf die Barrikaden: Viele würden davon berichten, dass sie in ihrer Schule gar nicht mehr aufs Klos gehen, so Luis Jonas May. Das könne er aus eigener Erfahrung bestätigen. Zum Glück wohne er gleich um die Ecke. „Die Dixi-Klos am 11.11. in der Stadt waren sauberer als viele Schulklos.“
Zweite Reinigung am Tag diskutiert
Der Ausschuss diskutierte einmal mehr über die Frage, ob die Stadt eine zweite tägliche Reinigung aller Schultoiletten bezahlen soll. Die von CDU und Grünen geführte Ratsmehrheit lehnte einen entsprechenden Antrag der SPD ab. Eine weitere tägliche Reinigung würde die Stadt rund eine Million Euro pro Jahr kosten. Man müsse sich die Lage genauer ansehen, anstatt pauschal für alle viel Geld zusätzlich auszugeben, argumentierten die Gegner der zusätzlichen Ausgabe. Dazu sieht sich die Stadtverwaltung aber nicht in der Lage. Warum es an einigen Schulen sauberer ist als an anderen, lasse sich nicht sicher sagen.
In vielen Schulen wird über die miese bauliche Situation geklagt: Am Hölderlin-Gymnasium im Mülheim präsentierten Eltern vor zwei Wochen verstopfte Abflüsse, lose Abflussrohre in einem furchtbar stinkenden Raum, in dem es keine Seife gibt und der Handtrockner kaputt ist. Es fehlen Klobürsten, manchmal auch Toilettenpapier. In der Rodenkirchener Grüngürtelschule berichteten Eltern der Grundschüler von „abartigen Zustände“. Die Jungen sollen hier in eine verkrustete Trockenurinalrinne auf dem Boden pinkeln. Der Gestank ist so schlimm, dass es einem den Magen umdreht. Elternvertreterin Tanja Paeffgen könnte den Politikern im Rathaus anschaulich erläutern, warum in der überfüllten Schule ihres Kindes eine zweite Reinigung unerlässlich ist. „Eine reicht einfach nicht.“
So sieht es auch die Reinigungsbeauftragte der Stadt, Angela Kool: Die teilweise schlimme Lage werde keineswegs nur durch das Fehlverhalten einzelner Kinder verursacht. „Man kann nicht sagen, dass nur die Schüler schuld sind..“ Tatsächlich sei der bauliche Zustand vieler Anlagen schlecht. Noch wichtiger sei aber der Umstand, dass die Toiletten sehr viel häufiger genutzt würden als früher: „Es sind immer mehr Kinder auf weniger Raum zusammen. Und sie bleiben bis Nachmittags in der Schule.“ Wenn sich dies mit Gedankenlosigkeit oder vereinzelt auch Vandalismus verbindet, kommt es offensichtlich zu völlig unzumutbaren Zuständen.
Damit umzugehen, ist nicht ganz einfach. Eine Sanierung allein reicht nicht. Eigentlich müssten die Anlagen vergrößert werden. Die Stadt hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren 35 Millionen Euro in Sanierungsmaßnahmen investiert. Ob dabei jedoch alle Praxiserfahrungen zu Konsequenzen geführt haben, bleibt offen. Kools Berichte aus den Schulen legen nahe, dass es keinen einheitlichen Baustandard gibt. Manches Problem ließe sich wohl technisch lösen, anderes präventiv verhindern. Warum hängen in Grundschulklos für Jungen überhaupt Urinale, die für Erstklässler möglicherweise zu hoch und für Viertklässler zu tief sind.
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So gut wie kein Schüler dürfte es zudem gewohnt sein, Urinale zu benutzen. In einigen Klos fehlen Trennwände. Papierspender könnte man so einstellen, dass nur ein paar Blätter rauskommen. Für die Lösung eines weiteren Problems ist die Stadt verantwortlich, die rund um das Thema Schulklos ein Zuständigkeitswirrwar pflegt, das kaum einer durchschaut. Drei Ämter – Gebäudewirtschaft, das jeweilige Bezirksamt sowie das Amt für Zentrale Dienst – sind zuständig, nur das naheliegendste – das Amt für Schulentwicklung – nicht. Ob für ein Trockenurinal neue Membrane nötig sind, muss der Hausmeister feststellen. Die neuen Membrane müsste dann die städtische Gebäudewirtschaft liefern. Fürs Toilettenpapier ist dagegen die Reinigungsfirma zuständig, die vom Amt für Zentrale Dienste beauftragt wird.
Schulen könnten eine Menge machen
Doch die Schulen sind auch selbst in der Lage, eine ganze Menge gegen ihre Not tun. Effektivere organisatorische Abläufe könnten genau wie technische Verbesserungen einfließen in ein passgenaues Gesamtkonzept, mit dem jede Schule dauerhaft zu mehr Sauberkeit beitragen kann. So ein Konzept müsste mit den Schüler erstellt werden. Deren Verantwortungsbewusstsein zu erhöhen, sei ein wichtiger Schlüssel, rät Kool.
Solche Konzepte gibt es längst nicht überall – und die, die etwas unternehmen, sind nicht gleichermaßen erfolgreich. Es fehlt ein Erfahrungsaustausch. Die Stadt und ihre Schulen sehen sich offenbar bislang nicht in der Lage, ihn zu organisieren.
So oft wird an Kölner Schulen geputzt
Die Reinigung an den Kölner Schulen ist ein Dauerthema und hat in den vergangenen Monaten auch mehrfach im Stadtrat für Debatten gesorgt. Während der Antrag für eine zweite tägliche Toilettenreinigung im Stadtrat – trotz einer Empfehlung der Fachverwaltung – keine Mehrheit fand, wurde bei der Fensterreinigung nachgebessert. Wurden die Fenster zuvor nur alle 15 Monate von außen geputzt, gibt es nun eine jährliche Reinigung – innen und außen.
Täglich gereinigt werden neben den Toiletten auch Turnhallen, Umkleideräume, Küchen und Speiseräume, außerdem die Flure im Erdgeschoss sowie die Treppen zum ersten Stock. Klassen-, Fach- und Betreuungsräume sowie die höher gelegenen Treppen werden jeden zweiten Tag gesäubert. Büros, Lehrerzimmer und Aufenthaltsräume werden einmal wöchentlich, die Abstell- und Geräteräume einmal monatlich geputzt. (fra)
Einige Schulen arbeiten mit professionellen Klofrauen und -männern. Dazu müssen die Schulen aber bei den Eltern und Schülern Geld einsammeln. Andere haben damit experimentiert, diesen Toilettendienst Schülern zu übertragen. Dafür gab es dann Geld für die Klassenkasse. Erfolgversprechend ist wohl auch, wenn Schüler ihre Toiletten selbst ein wenig gestalten und aufhübschen. Doch Mitstreiter für eine Toiletten-AG zu finden, ist angesichts deutlich attraktiverer Freizeitangebote nicht ganz einfach.
Kool berichtet von einer Grundschule, die Toilettenkabinen einzelnen Klassen zugeordnet hat und mit Vorhängeschlössern sichert. Den Schlüssel muss man sich beim Lehrer holen. So sollen Verantwortlichkeiten klarer werden. Sie selbst schreibt aus dem gleichen Grund mit den Grundschülern, die sie besucht, Verpflichtungserklärungen auf. „Ich setze mich oder ziele genau“, steht zum Beispiel auf einem großen Poster, das alle Jungs einer Grundschulklasse unterschrieben haben. Die Kinder lernen, was es heißt, Verantwortung für ihr Umfeld zu übernehmen.
Mit der Serie „Schule in Not“ beschreibt der Kölner Stadt-Anzeiger die Herausforderungen für das Bildungsangebot.