Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Sex mit Christus“Historiker Volker Leppin spricht über christliche Mystik

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (5)

Cover des Buchs „Ruhen in Gott“ von Volker Leppin (Ausschnitt)

  1. Als mystisch beschreibt der Mittelalter-Experte Volker Leppin religiöse Erfahrungen einer besonderen Gottesnähe.
  2. Am 11. Januar ist er Gast in der Talkreihe „frank&frei“ mit DuMont-Chefkorrespondent Joachim Frank in der Karl-Rahner-Akademie.
  3. Thema des Gesprächs ist auch der Zusammenhang zwischen Gotteserfahrung und christlicher Praxis.

Herr Professor Leppin, Sie haben eine „Geschichte der christlichen Mystik“ geschrieben. Was ist Mystik?

Volker Leppin: Eine verbindliche, trennscharfe Definition gibt es nicht. Auch ich versuche, mich dem Phänomen anzunähern, indem ich Formen der Suche nach einer intensiven Begegnung des Menschen mit Gott beschreibe. Aus einer Frömmigkeitshaltung, die auf die unmittelbare persönliche Nähe zu Gott zielt, ergeben sich bestimmte Gottesbilder oder auch Vorstellungen eines idealen christlichen Lebens.

Neuer Inhalt (5)

Volker Leppin

Mystik klingt nach Entrücktheit und übernatürlichen Erfahrungen. Ist das auch etwas für Normalchristen?

Einer der einflussreichsten Mystiker, Dionysius Areopagita aus dem 6. Jahrhundert, beschreibt auch die Liturgie als Ort der Begegnung mit Gott. Das steht jeder Christin, jedem Christen offen. Im Alltag oder in der Natur lässt sich ebenfalls die Nähe Gottes erfahren. Etwas typisiert gesagt, ist der katholische Weg eher die mystische Erfahrung in der Liturgie und hier speziell in der Eucharistie, der evangelische Weg eher die Mystik des Alltags. Aber auch das ist nur eine grobe Annäherung.

Zur Person

Volker Leppin, geb. 1966, ist Professor für Historische Theologie an der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut. Er ist Experte für die Theologie des Mittelalters und der Reformationszeit und hat sich besonders mit Martin Luther beschäftigt. Leppin war bis 2021 auch Wissenschaftlicher Leiter des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK). Sein Buch „Ruhen in Gott. Eine Geschichte der christlichen Mystik“ ist im Verlag C.H. Beck erschienen. (jf)

Gehen Sie denn davon aus, dass solche Gotteserfahrungen echt sind? Oder sehen Sie die menschliche Einbildungskraft am Werk – bis hin zu psychischen Störungen?

Darüber habe ich als Historiker nicht zu urteilen. Für mich ist wichtig, dass die Zeitgenossen solche Erfahrungen ernst genommen, wertgeschätzt und für authentisch gehalten haben. Ich möchte es nicht mit der Arroganz des 21. Jahrhunderts abtun, dass Menschen vergangener Jahrhunderte sich „Arm in Arm mit Christus“ erlebt haben.

Arm in Arm ist ja noch eine eher dezente Form körperlicher Nähe.

Das stimmt. Die Nähe geht bis zum mystischen Beischlaf: Sex mit Christus. Das wird von manchen Mystikerinnen als Realität erlebt. Es gibt unter Menschen keine intensivere Begegnung als die Sexualität. In der Mystik wird das auf die Gottesbeziehung übertragen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kardinal Rainer Woelki hat seine „Auszeit“ mit dem Wunsch begründet, „ins Gespräch mit Gott zu gehen“ – ein mystischer Impuls?

Mit aller Vorsicht, die ich als evangelischer Theologe hier walten lasse, möchte ich sagen: Mystische Impulse haben immer praktische Folgen. Man wird also schauen müssen, welche Konsequenzen der Kardinal aus dem, was tatsächlich mystisch klingt, für eine künftige Amtsführung oder für eine Zeit nach der Amtsführung zieht.

frank&frei: „Ruhen in Gott“Als erster Gast von Chefkorrespondent Joachim Frank in der ersten Runde unserer Talkreihe im neuen Jahr spricht Volker Leppin über Strömungen, Konfliktlinien und aktuelle Anstöße christlicher Mystik.

Dienstag, 11. Januar, um 19 Uhr in der Karl-Rahner-Akademie, Jabachstraße 4-8, 50676 Köln. Telefon 0221/801078-0. Zur online-Anmeldung geht es hier. Teilnahmegebühr 10 Euro (ermäßigt und mit KStA-Abocard 5 Euro).

Die Teilnahme ist in Präsenz oder online möglich. Für den Besuch der Karl-Rahner-Akademie gilt die 2G-Regel mit Nachweis des Corona-Impfschutzes oder einer Genesung. Ein aktueller Test wird empfohlen.