Köln – Rolf Steinhäuser, Weihbischof im Erzbistum Köln, leitet seit September als Apostolischer Administrator das Erzbistum während der viermonatigen „Auszeit“ von Kardinal Rainer Woelki. Im Interview äußert er sich zum Missbrauchsskandal, zu Kirchenaustritten und dem zweiten Weihnachtsfest in der Pandemie.
Herr Weihbischof, welche Erfahrungen haben Sie in der ersten Zeit als Apostolischer Administrator – Bistumsverwalter – im Erzbistum Köln gemacht?
Rolf Steinhäuser: Es ist furchtbar anstrengend. Es stürzen Fluten von Informationen auf mich ein. Ich komme mir vor wie einer, der schwimmen lernen muss, und froh ist, wenn er immer mal wieder die Nase über Wasser hat, um Luft zu schöpfen. Ich habe in meinem Leben immer viel gearbeitet, aber das übersteigt alles, was ich sonst erlebt habe, und ist auf Dauer auch nicht verträglich.
Kommen Sie an die Grenze dessen, was Sie verantworten können?
Ich habe verschiedentlich auf die Bremse getreten. Wenn ich irgendwo hinkomme, meinen die Leute, ich wisse schon alles und könnte sofort irgendeine Entscheidung treffen. Aber das ist oft nicht so.
„Variante einer viermonatigen Auszeit des Kardinals hatte ich nicht auf dem Schirm“
Ist es glücklich, dass Sie als Bistumsverwalter aus dem Erzbistum kommen? An jemanden von außen würden solche Erwartungen erst einmal nicht gestellt.
Ich wäre immer für diese Lösung gewesen, muss aber auch sagen: Die Variante einer viermonatigen Auszeit des Kardinals hatte ich nicht auf dem Schirm. Ich hatte damit gerechnet, er wird – wie Kardinal Reinhard Marx oder Erzbischof Stefan Heße – im Amt bestätigt. Oder er wird nicht bestätigt. Andererseits sind die vier Monate für jemanden, der von außen kommt, vorüber, bis er überhaupt richtig begonnen hat. Ich bin mit der begrenzten Zeit in einer herausfordernden Situation: Ich kenne meinen Vorgänger und kenne meinen Nachfolger.
Sind Sie sich bei Letzterem sicher?
Ich sitze nicht beim Heiligen Vater auf dem Schoß. Ich habe keine anderen Informationen.
Haben Sie Kontakt zu Kardinal Woelki?
Sie haben ja schon berichtet, dass er zurzeit für 30-tägige Exerzitien in Eichstätt ist. Das ist auch mein Stand. Ich habe ihm zum Auftakt eine freundliche SMS geschickt, und er hat ebenso freundlich geantwortet. Ansonsten: kein Kontakt. Das wäre sonst auch nicht in Ordnung. Nach Weihnachten wird man dann mal sehen müssen. Es kann ja auch nicht so sein: Es ist Aschermittwoch, und – siehe da – es entsteigt der Wundertüte Kardinal Woelki.
Sein Generalvikar Markus Hofmann, das „Alter ego“ des Erzbischofs, ist mit anderem Titel weiter im Amt. Da haben Sie niemanden von außen genommen. War das denn klug?
Ich war nicht frei in meiner Entscheidung. Als ich in Rom war, um meinen Auftrag – diese „Mission impossible“ - zu verstehen, wollte ich wissen, welche Instrumente mir überhaupt zur Verfügung stehen. Ich habe natürlich direkt gefragt: „Kann ich den Generalvikar entlassen?“ Nicht dass ich das unbedingt vorgehabt hätte, aber man muss die Dinge ja mal auf den Punkt bringen.
Und die Reaktion auf die Frage nach einer Entlassung?
Da hat mir Kardinal Ouellet, der als Präfekt der Bischofskongregation sozusagen der Personalchef der Weltkirche ist, gleich gesagt: „Nein, das können Sie nicht. Solche Entscheidungen nur mit ausdrücklicher Genehmigung dieser Kongregation.“ Damit war die Grenze klar. Dass ich die mediale Reaktion geahnt habe, können Sie sich denken. Der Ehrlichkeit halber muss ich aber auch dreierlei hinzufügen. Erstens hätte ich mich allein mit der Leitung einer großen Bistumsverwaltung überfordert gefühlt. Von meinem Titel her bin ich Verwalter, aber von meiner ganzen Lebensgeschichte her bin ich Seelsorger. Ich brauchte also jemanden, der diesen Laden kennt und mit ihm hantieren kann.
Und zweitens?
Hätte es denn Sinn gemacht, in einem so engen Zeitfenster für jemand anderen zu kämpfen, wenn man davon ausgehen muss, dass der Erzbischof genau den wieder ins Amt einsetzt, der vorher da war? Drittens halte ich Markus Hofmann für einen der loyalsten Menschen, die ich kenne. Auch wenn das gerade für ihn ambivalent ist.
Eben. Wem gilt denn seine Loyalität? Ihnen oder Kardinal Woelki?
Ich hoffe, der Kirche. Ich gehe davon aus, dass er mir gegenüber loyal ist und habe bisher keine gegenteiligen Erfahrungen gemacht. Sie kennen ja nun auch das Sprichwort „Man muss mit den Ochsen pflügen, die man hat.“
Wie ist denn ein Neuanfang im Erzbistum überhaupt möglich – mit dem gleichen Führungspersonal, mit Weihbischöfen, die alle im Amt bestätigt wurden, trotz nachgewiesener Pflichtverletzungen? Welchen Sinn haben denn dann noch entsprechende Gutachten?
Die Frage ist berechtigt. Man kann sich idealtypisch immer vorstellen, dass alles abgeräumt wird und ein völliger Neuanfang folgt. Aber ich halte das eigentlich für ein ungeschichtliches Denken.
Papst Franziskus möchte eine synodale Kirche
Was haben Sie sich vorgenommen? Welche Spuren wollen Sie hinterlassen?
Mit ein paar Dekreten hinterlässt man keine nachhaltige Wirkung. Damit würde die Polarisierung wahrscheinlich nur weitergehen. Papst Franziskus möchte für die Weltkirche, dass sie eine synodale Kirche wird. Das einzuüben und auszuprobieren, ist auch die Herausforderung für die Kirche von Köln: ein anderer Modus des Miteinanders, eine andere Haltung – in der Hoffnung, dass sich das hält.
Wie nehmen Sie die Stimmung im Erzbistum wahr?
Bezogen auf meine Person gibt es – auch medial – ja zwei Tendenzen: Man versucht, mich zu verzwergen als den kleinen Urlaubsvertreter vom großen Kardinal. Die andere Tendenz ist, die Erwartungshaltung zu übersteigern. Sie erinnern sich vielleicht an den Hype 2014, als Kardinal Woelki nach Köln kam. Ich habe damals gesagt: „Es ist ja nett, dass er auf dem Fahrrad sitzt, selbst seine Brötchen kauft und im Bischofshaus ein paar neue Bilder aufhängt. Aber das allein reicht nicht.“ Das waren Signale, die Projektionen ausgelöst haben. So wurde er in den ersten zwei Jahren ungeheuer bejubelt. Und dann ist das gekippt.
Was folgt daraus für Sie?
Ich muss also, wenn Sie so wollen, ein gewisses Erwartungsmanagement betreiben. Zu meinen, ich sei der neue Heilsbringer, ist Unsinn. Mancher möchte mich auch zu Entscheidungen verleiten, die den Kardinal so unter Druck setzen, dass er sie zähneknirschend akzeptiert – oder sie revidiert. Und dann - weht ihn ein Sturm der Empörung weg. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Ich soll das mir Mögliche tun, dem Kardinal einen Wiedereinstieg zu ermöglichen. Das ist der Auftrag des Papstes. Ob das realistisch ist, vermag ich nicht zu sagen. Eine Wette darauf würde ich noch nicht annehmen.
Hat der Diözesanrat nicht recht, wenn er feststellt, es sei kein Konflikt gelöst? Wie sollen Konflikte gelöst werden, wenn eines der Gegenüber nicht da ist?
Auch ich würde sagen, die Konflikte sind nicht gelöst. Es gibt aber inzwischen eine gute Gesprächsbasis.
Mit Ihnen!
Ja, aber das ist qualitativ schon ein Riesenunterschied. Ob das bleibt oder wieder zurückfällt, dazu kann ich heute nichts sagen. Aus meiner Lebensgeschichte bin ich skeptisch. Ich habe überall, wo ich war, etwas aufzubauen versucht. Kurze Zeit später haben die Nachfolger es wieder anders gemacht. Das ist auch in Ordnung. Was aber geblieben ist, sind die Beziehungen, die gemeinsamen Erfahrungen. Das prägt.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es dann, dass das Bestand hat, was Sie jetzt aufbauen? Der Kardinal wird ja auch nicht als ein völlig anderer zurückkommen.
Ich habe ja mit einem flotten Spruch gesagt: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist. Ich habe schon eine Vorstellung davon, dass sich ein Mensch mit Mitte 60 nicht einfach neu erfinden kann. Aber es ist wichtig, dass ich mein Bild von einem Menschen nicht so zementiere, dass ich ihm nichts anderes mehr zutraue. Ich bin jedenfalls bereit, ihm die Chance zu geben, und dafür werbe ich. Wie er dann in der Lage ist, das umzusetzen – dazu kann ich nichts sagen.
Kehrt Woelki am 2. März zurück? – Erwartungen an den Kardinal formulieren
In den Gemeinden und in der Bistumsverwaltung heißt es, über allem hänge das Datum 2. März. Dann sei Kardinal Woelki wieder da – und dann drohe alles zu werden wie vorher.
Das beschreibt realistisch die Stimmung. Es ist ein Atemholen im Moment. Und viele Menschen sind beim Gedanken an den 2. März unsicher, wie es weitergeht. Aber da sind wir alle miteinander, auch in den Gremien, ein Stück weit in der Pflicht, dass wir nicht wie gebannt auf den 2. März warten, sondern uns vorher positionieren und einen Kriterienkatalog mit Erwartungen formulieren, die wir an den Kardinal haben. Ich habe vor, ihm das auch zu sagen.
Wenn es im Sinne meines Auftrags gut geht, gibt es viele Leute, die klar sagen, was wir brauchen und wo wir stehen. Die dem Kardinal sagen: „Wir hören dir sehr aufmerksam zu, und wir gucken noch aufmerksamer auf das, was du tust.“ Meine Fantasie dazu ist: Es gibt ein relativ enges Zeitfenster, und danach wird klar sein, welche Chancen ihm die Leute geben und wie sich dann positionieren. Entweder machen sie dann wieder mit, resignieren, revoltieren oder gehen in die Larmoyanz.
Das klingt nach einer Probezeit.
Kirchenrechtlich gibt es die nicht, faktisch schon. Rom wird auch genau hingucken.
Müssen Sie am Ende der Auszeit ein Dossier vorlegen?
Über die Form haben wir uns nicht unterhalten. Aber eine klare, ungeschönte Rückmeldung gehört selbstverständlich zu meinen Aufgaben.
Frage an den wundergläubigen Realisten: Könnte in Ihrem Bericht stehen, dass Sie keine Möglichkeit für eine gemeinsame Zukunft mit Kardinal Woelki sehen?
Auch das ist denkbar. Ich muss die Lage so schildern, wie ich sie dann wahrnehme. Diese Offenheit bin ich mir auch selbst schuldig.
Das Erzbistum Köln muss in diesem Jahr mit 50.000 Kirchenaustritten rechnen. Die Standardauskunft lautet: „Schade um jeden, der geht.“ Nur: Wenn Sie das noch 20 Jahre lang sagen, ist niemand mehr da. Wie wollen Sie dieser Entwicklung begegnen?
Das Risiko besteht, dass die Kirche sich – zahlenmäßig, nicht inhaltlich – zu einer Großsekte entwickelt. Ich sage das ruhig, nicht gelassen. Aber es gibt Trends, die kehrt man nicht um, auch wenn man auf dem Kopf steht und mit den Beinen wackelt. Wir erleben einen ähnlichen Säkularisierungsschub wie nach der deutschen Wiedervereinigung.
Das ist jetzt eine sehr abstrakte Betrachtung. Sehen Sie im Erzbistum Köln die Möglichkeit, den Trend mit einem anderen Verhalten zu beeinflussen?
Ich hoffe es, halte es aber für sehr schwer. Schauen Sie sich unsere evangelischen Schwestern und Brüder an! Denen geht es quantitativ nicht besser als uns. Dass wir in Köln durch die konkrete Situation „noch ein Schüppchen drauflegen“ – das ist sicher so.
Wir müssen darauf fast paradox reagieren: Alles für ein anderes Verhalten tun, ohne darauf vertrauen zu können, dass wir es damit „knacken“. Selbst wenn wir alle Reformanliegen, wie sie derzeit etwa auf dem „Synodalen Weg“ diskutiert werden, umgesetzt bekämen, hätten wir noch keine hinreichende Antwort auf die Frage, warum jemand bei uns mitmachen sollte. Da müssten noch ganz andere Dinge kommen.
„Ein Priester ist nicht einfach ein Privatmann“
Es wäre doch mit Blick auf den Missbrauchsskandal nicht schlecht, wenn Sie sich als Bistumsverwalter nicht hinstellen und sagen müssten: „Ich bin der amtierende Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln.“
Das wäre viel besser. Natürlich wäre ich heilfroh, wenn wir das alles nicht an der Backe hätten. Aber ich kann es mir nicht aussuchen. Andere Bistümer haben das auch an der Backe. Aber Köln stand viel stärker im Fokus als andere. Viele ducken sich auch ganz schön weg nach dem Motto, „gut, dass es Köln gibt“.
Sie teilen nicht die Lesart der Bischofskonferenz, dass die spezielle Situation in Köln alle in Mitleidenschaft zieht?
Doch, bestimmte Dinge haben wir schlecht gemacht, und wir können das auch nicht von uns wegschieben. Aber alle monokausalen Erklärungen sind verdächtig.
Im Fall des mutmaßlichen Missbrauchstäters und Priesters Ue. hat die Verteidigung zum Prozessauftakt behauptet, die ihm zur Last gelegten Vergehen in einem privaten, nicht dienstlichen Kontext hätten nichts mit der Institution Kirche zu tun. Wie sehen Sie das?
Ich war nicht im Gericht und kenne den Fall nur aus dem Gercke-Gutachten und aus den Medien, so dass ich mich zu so einer Äußerung ohne den Zusammenhang nicht verhalten kann.
Ist es denkbar, dass die Kirche nicht in Mitverantwortung oder Mithaftung ist für das, was ein Priester tut?
Das ist kompliziert. Ein Priester ist nicht einfach ein Privatmann. Darum sind wir als Kirche ja auch mitbetroffen und ziehen uns diese Dinge mit an. Weil unser Anspruch anders, höher ist als bei anderen gesellschaftlichen Institutionen, werden wir auch anders behandelt.
Das Missbrauchsgutachten des Erzbistums betrachtet den Umgang der Kirchenleitung mit Missbrauchsfällen rein juristisch. Wo bleibt die moralische Dimension?
Die können sie von Juristen nicht erwarten.
Nein, aber von ihren Auftraggebern.
Dann bräuchten wir aber jenseits einer plakativen Formulierung auch ein Stück Klarheit, was die „Übernahme persönlicher Verantwortung“ genau bedeutet. Das Juristische ist bis zu einem gewissen Grad objektivierbar. Mit der Moral ist das sehr viel schwieriger.
Rolf Steinhäuser: „Weihbischöfe sind ornamentale Dekorstücke“
Sie selbst haben bekannt, dass sie sich eingeredet hätten, es handele sich um Einzelfälle. Sie sind erst seit 2015 Weihbischof. Alle anderen mit ihrem Wissen konnten sich das nicht einreden.
Weihbischöfe sind, wenn Sie so wollen, ornamentale Dekorstücke. Ich will mich nicht herausreden. Aber ein Weihbischof ist keiner, der Macht hat. Mit ganz vielen Dingen bin ich auch als Mitglied der Personalkonferenz nie befasst worden. „Bistumsleitung“ im eigentlichen Sinne – das können Sie auf den Erzbischof und den Generalvikar reduzieren.
Was ist das denn für eine Personalkonferenz? Wäre eine etwas kollegialere Leitung nicht auch für das Erzbistum Köln sinnvoll?
Das wiederum ist eine gute Frage – und ich will Ihnen nicht widersprechen. Ich halte den aufgeklärten Absolutismus nicht für das Leitungssystem der Zukunft.
„Aufgeklärt“ wäre ja schon mal etwas!
Genau darum fahre ich auf Synodalität und partizipativere Strukturen ab. Das ist dann noch kein Parlamentarismus oder Parteiendemokratie. Aber wir haben keinen Grund, mit der jetzigen Form der Machtausübung einfach weiterzumachen. Wir haben auch andere Möglichkeiten.
Den Bußgottesdienst am 18. November als Reaktion des Erzbistums auf die Missbrauchsverbrechen hätten Sie „geerbt“, haben Sie gesagt. Sie wussten, wie kritisch Teile der Betroffenen dieses Ritual sehen. Warum haben Sie sich trotzdem im Dom hingestellt, während die eigentlich Verantwortlichen allesamt abwesend waren?
Mein Impuls war schon: „Wäre die Fastenzeit nicht geeigneter – und dann mit Kardinal Woelki?“ Und die Marke „Bußgottesdienst“ ist einfach Mist, theologisch falsch, weil damit – rheinisch gesagt – so etwas wie „Beichte light“ verbunden wird: ein Gottesdienst mit Vergebungsbitte und der Hoffnung auf Vergebung. Darum konnte es hier nicht gehen.
Sondern?
Schuldeingeständnis, Gedächtnis der Betroffenen, Fürbitte. Ich habe deshalb auch die Betroffenen bewusst nicht um Vergebung gebeten. Nicht dass ich mir das nicht wünschte. Aber ich muss realistischerweise von so tiefen Wunden, von so gravierenden Verletzungen ausgehen, dass die Betroffenen gar nicht vergeben können, vielleicht ihr ganzes Leben nicht. Das muss ich akzeptieren. Nur können Sie schlecht fünf Tage vor so einer Veranstaltung das Label ändern, und die Planung stand.
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Auch sagen Sie zurecht, dass „Teile der Betroffenen“ ablehnend reagiert haben. Wir wissen, dass die Betroffenen untereinander tief zerstritten sind. Wie soll ich das als Außenstehender denn dann gewichten? Aber ich habe die Verantwortung nicht den Betroffenen gegeben, sondern von meiner Entscheidung gesprochen.
Was hat am Ende den Ausschlag gegeben?
Ich habe mir gesagt: „Du kannst es nicht allen recht machen. Egal, wie du es machst tust, es ist falsch und wird heftig kritisiert werden.“ Jetzt müssen wir die Sache auswerten und überlegen, was nächstes Jahr im November passieren wird, wenn der vom Papst und vom Europarat ausgerufene Gedenktag wieder ansteht.
Weihnachtsgottesdienste müssen für alle offen sein
Erst einmal gehen wir jetzt auf Weihnachten zu. Können Sie schon sagen, ob und wie die Menschen die Weihnachtsgottesdienste besuchen können?
Wir haben in der Bischofskonferenz, aber auch unter den NRW-Bischöfen und evangelischen Präsides eine Linie abgesprochen: Grundsätzlich müssen Weihnachtsgottesdienste nicht nur für Geimpfte, Genesene und Getestete offen sein, sondern für alle. Aber niemand hat einen Anspruch darauf, genau in den Gottesdienst eingelassen zu werden, den er sich ausgesucht hat.
Was heißt das?
Ich halte es für legitim, vor Ort zu sagen, es gibt eine „3G-Christmette“ oder meinetwegen auch 2G oder 2G plus. Und daneben dann noch andere Gottesdienste mit strikten Abstandsregeln.
„Christmetten für Ungeimpfte“ wären also denkbar?
Wären denkbar, ja. Denkbar wäre es auch, innerhalb eines Kirchenraums zu differenzieren: im einen Schiff Besucher mit 2G, im anderen solche mit Abstandsregelung. Wir haben hier konkurrierende Werte: die Religionsfreiheit und den Schutz von Leib und Leben. Wir versuchen, einen Weg zu finden, dass jeder kommen darf, auch wenn er oder sie weder geimpft ist noch genesen oder getestet. Es sei denn, die staatlichen Vorgaben verbieten uns das.
Selbst ein Test wäre zu viel verlangt?
Wünschenswert schon, das würde ich sagen. Ich selbst bin geimpft und lasse mich testen. Ich tue, was ich kann. Aber ich würde den Test nicht zur „conditio sine qua non“ erklären, zur zwingenden Voraussetzung für den Gottesdienstbesuch.