SpurensucheAn Kölns ältester Tribüne ist das letzte Tor längst geschossen
Köln – Der Fußballplatz an der Rennbahnstraße ist ein verlassener Ort. Würde, wie in einem Western, ein vertrockneter Busch vorbeiwehen – man würde sich nicht wundern. Nichts scheint hier zu passieren, dabei geschieht in Wirklichkeit etwas Dramatisches: Ein Gebäude von herausragender historischer Bedeutung vergammelt hier seit Jahren. Es ist eine der ältesten Fußball-Tribünen Deutschlands, die versteckt am Rande der Galopprennbahn in Weidenpesch vor sich hin modert. Auch der Platz davor ist vergessen – ab und zu dient er als Parkplatz bei Pferderennen.
Auf alten Fotos stehen sie zu Tausenden rund um den Platz und drücken den Kickern des VfL Köln 1899 die Daumen. Meistens sind es Männer mit Hüten, die es gewohnt sind, dass das Daumendrücken hilft – der VfL ist eine Bank vor und während dem Zweiten Weltkrieg, einer der besten Fußball-Clubs im Westen Deutschlands. Mit einer der prächtigsten Fußball-Tribünen weit und breit. Baujahr 1906, überdacht seit 1920. Nur wenige Vereine können ihren Besuchern zu dieser Zeit so viel Regenschutz bieten.
Der große Erfolg ist gegangen. Der VfL 1899 Köln, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sechs Nationalspieler hervorbrachte, acht regionale Meisterschaften einheimste und an der Rennbahnstraße ein für damalige Verhältnisse riesiges Stadion für 16000 Menschen betrieb, mischt heute als 1. FSV Köln 1899 in der Kreisliga B mit. Geblieben ist die Tribüne. Mit ihren zerschlagenen Scheiben, verbogenen Bänken und graffitibeschmierten Wänden ist auch sie nur noch Kreisliga B. Während der FSV längst ein paar hundert Meter weiter auf der Bezirkssportanlage Weidenpesch kickt, steht sie marode und missachtet unter hohen Bäumen. Der Jubel ist verklungen, das letzte Tor längst geschossen.
Älteste erhaltene Fußball-Tribüne in Köln
„Die Tribüne war etwas Besonderes, andere Vereine hatten nur ein Häuschen für fünf Leute“, sagt Petra Steinig, Hauptgeschäftsführerin des 1. FSV Köln 1899. Das rund 70 Meter lange Gebäude, entworfen von Architekt Otto March, habe die Bedeutung des Vereins unterstrichen. Heute handele es sich um die älteste erhaltene Fußball-Tribüne in Köln. Und eines der wenigen erhaltenen Gebäude seiner Art aus den Anfangstagen des Fußballs überhaupt.
„Es besteht keine Einsturzgefahr“, sagt ein Mitarbeiter des Amts des Stadtkonservators, das das Bauwerk 1989 unter Schutz gestellt hat: „Aber das kann in zwei, drei oder vier Jahren anders aussehen.“ Die Tribüne dürfe nicht dem weiteren Verfall preisgegeben werden. Aber ein Konzept zur Rettung hat weder die Stadt noch der Kölner Renn-Verein, dem die Tribüne mittlerweile gehört.
Überlegungen, sie zum Müngersdorfer Stadion oder in das Freilichtmuseum Kommern zu transportieren, verliefen im Sande. „Der Aufwand ist einfach zu groß“, sagt der Verwaltungs-Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte. „Wir wollten die Tribüne auch schon abbauen und zur Bezirkssportanlage Weidenpesch bringen lassen“, sagt Petra Steinig: „Aber es ist zu teuer.“
„Den Sport zurückbringen“
Allerdings gibt es nun eine neue Initiative. Bert Ewald-Roesrath möchte die Anlage mit Hilfe von Investoren und Sponsoren wieder zu dem machen, was sie mal war. „Die Tribüne macht nur dann Sinn, wenn man den Sport dahin zurückbringt“, sagt das ehemalige Vorstandsmitglied des VfL 1899 Köln. Er wolle einen Sportverein für Kinder gründen und die Fläche an der Galopprennbahn zu seiner sportlichen Heimat machen. „Schließlich ist sie ein Teil der deutschen Sportgeschichte.“ Dem Renn-Verein hat Ewald-Roesrath seine Pläne bereits vorgestellt. Der Verein will das Konzept prüfen.
Das letzte Fußballspiel an der Rennbahnstraße fand im Mai 2002 statt. Der VfL Köln 99 spielte gegen DJK Südwest Köln. Kurze Zeit später hübschte Regisseur Sönke Wortmann die alte Tribüne für seinen Film „Das Wunder von Bern“ noch einmal auf. Danach versank sie im Dornröschenschlaf. Vielleicht wacht sie doch noch eines Tages wieder auf.
Heimat des ältesten Fußballvereins Kölns
Der 1. FSV Köln 1899 gilt als Kölns ältester Fußball-Verein. Gegründet am 6. Mai 1899 als Internationaler Fußball-Club Cöln, hieß er ab 1937 VfL Köln 1899, der jetzige Name stammt aus dem Jahr 2013. 1903 und 1906 wurde der Verein Westdeutscher Meister und erreichte 1906 als erster Kölner Verein die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft. Überregional bekannt wurde das Stadion an der Rennbahnstraße vor allem durch die Internationalen Karfreitagsspiele, die zwischen 1906 bis in die 1930er Jahre gegen englische und französische Topclubs ausgetragen wurden.
Bis zur Saison 1957/58 gehörte unter anderem Leo Wilden, der spätere Nationalspieler des 1. FC Köln, dem VfL Köln 1899 an. Der Club brachte zwischen 1908 und 1940 sechs Nationalspieler hervor: Karl Ludwig, Peco Bauwens , Karl Zolper, Erich Pohl, Carl Zörner und Alfons Moog. (cht)