Köln – Die Straße Unter Linden in Widdersdorf ist breit wie ein Prachtboulevard im Zentrum einer Millionenstadt. Das will nicht so recht zu der Randbebauung mit Ein- und Mehrfamilienhäusern passen, hat aber einen nachvollziehbaren Grund. Die Stadtplaner haben in der Mitte einen Streifen für eine Stadtbahntrasse freigehalten, um das einst größte Neubaugebiet Europas an den öffentlichen Schienennahverkehr anzubinden. Doch auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Fertigstellung wachsen dort, wo einmal Bahnen unterwegs sein sollen, lediglich Büsche und Gras.
Lange Zeit war unklar, ob die Bahnen der Linie 1 von Weiden-West nach Widdersdorf fahren sollen oder die der Linie 4 von Bocklemünd. Beide Varianten haben Nachteile: Die Linie 1 müsste in Weiden unter dem Bahndamm hindurchgeführt werden, die Linie 4 muss die Autobahn A1 überqueren.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Verlängerung der Linie 4 als der gangbarere Weg erscheint. Eine Vorstudie des Rhein-Erft-Kreises hat ergeben, dass sich so auch Brauweiler, Glessen und Niederaußem sinnvoll in das Kölner Stadtbahnnetz einbinden einließen. „Aus gutachterlicher Sicht ist eine Stadtbahn in Richtung Niederaußem verkehrlich und siedlungsstrukturell unter Voraussetzung der getroffenen Annahmen im Gutachten sinnvoll und machbar“, heißt es in dem Bericht.
Um eine Förderung vom Bund zu bekommen, muss die Nutzen-Kosten-Bewertung ein Ergebnis größer als 1,0 ergeben. Die Vorstudie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Förderung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nur dann zustandekommen kann, wenn die Stadtbahn bis nach Niederaußem verlängert wird. Eine Verlängerung bis nach Widdersdorf oder Glessen würde nicht ausreichen. Der Gutachter empfiehlt daher, im Rahmen einer Machbarkeitsstudie einen Ausbau bis nach Niederaußem weiterzuverfolgen. Eine Voraussetzung dafür sei die Schaffung von mindestens 2100 neuen Wohnungen entlang der geplanten Strecke. Ob das tatsächlich noch so gilt, muss in einer Machbarkeitsstudie allerdings noch einmal geprüft werden, da die Studie auf den Richtlinien von 2016 basiert – inzwischen gelten aber die neuen Richtlinien aus dem Jahr 2019, die für die Förderung größere Spielräume gewähren.
Eine Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 nach Niederaußem sollte nach Ansicht des Gutachters nicht mehr weiterverfolgt werden, da dieser Planfall auch mit Blick auf die jährlichen Betriebskosten deutlich teurer sei.
Ein Projekt dieser Dimension dürfte aufgrund der langen Planungsphase frühestens in den späten 2030er Jahre umgesetzt werden. Die Aufgabe, im nächsten Schritt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben, liegt bei der Stadt und den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB), obwohl der Großteil der neuen Trasse auf Gebiet des Rhein-Erft-Kreises liegen würde.
In Köln ist die Stimmung für das Vorhaben derzeit positiv. „Rund 100.000 Menschen pendeln täglich zwischen dem Rhein-Erft-Kreis und der Stadt Köln, größtenteils mit dem eigenen Auto“, sagt Verkehrsdezernentin Andrea Blome. Hinzu kämen die innerstädtischen Pendlerverkehre durch den stark gewachsenen Stadtteil Widdersdorf. „Für das Gelingen der Verkehrswende ist es von großer Bedeutung, dass wir den starken Pendlerströmen Alternativen zum Auto anbieten – die Verlängerung der Stadtbahn über Widdersdorf bis nach Niederaußem wird einen großen Beitrag dazu leisten“, sagt Blome.
Stadt sammelt Anregungen
Lino Hammer, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, hält eine Verlängerung der Linie 4 für sinnvoll, verweist aber darauf, dass auch ein starkes S-Bahn-Netz benötigt werde. „Wir bekommen das Verkehrsproblem in Köln nur gelöst, wenn das Umland ebenfalls auf die Bahn umsteigt“, sagt Hammer.
Teresa De Bellis, verkehrspolitische Sprecherin der CDU, hält eine Verlängerung der Linie 4 für „realistisch“, zudem sei der Nutzen für Widdersdorf groß. „Die Pendler erreiche ich über die Schiene und nicht über den Bus“, sagt De Bellis.
In Brauweiler formiert sich unterdessen Widerstand gegen die Pläne. Die Bürgerinitiative „Stark für den Park“ fordert per Online-Petition eine Prüfung, ob sich die Trasse nicht auch über die Bonnstraße anstatt durch den Ort führen ließe. Die Stadt Köln sammelt auf ihrer Internetseite bereits Hinweise und Ideen von Bürgern.