Köln – Für die Angehörigen der zwei Todesopfer ist es unerträglich, dass auch 13 Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs kein Schuldiger feststeht. Denn der Bundesgerichtshof hat ein weiteres Urteil des Landgerichts kassiert, ein Mammut-Prozess mit 48 Verhandlungstagen und 79 Zeugen muss wiederholt werden.
Nachdem Richter Greve am 12. Oktober 2018 in Saal 210 des Kölner Justizgebäudes sein Urteil verkündet hat, wäre für den Vorsitzenden der 10. Großen Strafkammer eigentlich an der der Zeit gewesen, einmal durchzuatmen. Viele Monate der Vorbereitung, ein noch längerer Prozess. Und noch vor der drohenden Verjährung das klare Urteil. „Zweifelsfrei“, so hatte es Greve beschrieben, sei der Grund für den Stadtarchiv-Einsturz am Waidmarkt bewiesen: Nämlich Pfusch am Bau.
Köln: Richter sprach von „zweifelsfrei“ von Pfusch am Bau
Immerhin einen Schuldigen hatte Greve ausgemacht, einen Bauüberwacher der KVB. Der erhielt acht Monate Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung. Er hätte erkennen müssen, dass ein Polier und ein Baggerfahrer – beide letztlich zu krank für den Prozess – eine Schlitzwand in der Erde beschädigten, was letztlich zur Katastrophe geführt habe. Immerhin habe er nun Gewissheit, hatte der Bruder des zu Tode gekommenen Bäckerlehrlings Kevin K. nach dem Urteil geäußert.
Kollegin lud Vorsitzenden Richter als Zeugen
Das Strafurteil hätte womöglich bis heute bestand, hätte Richterin Sibylle Grassmann ihren Kollegen Greve nicht als Zeugen geladen. Grassmann führte parallel einen weiteren Stadtarchiv-Prozess gegen einen Oberbauleiter, hatte aufgrund drohender Verjährung nur noch wenige Wochen zur Urteilsfindung und brauchte Richter Greve als Zeugen. Er sollte Grassmann Eindrücke aus seinem eigenen Verfahren schildern, Vorwürfe gegen den neuen Angeklagten erhärten. Greve sagte aus – womit laut BGH sein eigenes Verfahren hinfällig wurde.
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Denn Paragraph 22 der Strafprozessordnung (StPO) besagt eindeutig, dass ein Richter an einem Verfahren nicht mehr beteiligt sein darf, wenn er selbst als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wurde. Und hier liegt der Fauxpas: Greve musste nach einer Aussagegenehmigung der Gerichtsverwaltung bei seiner Kollegin aussagen, obwohl er in seinem eigenen Prozess mit dem völlig gleichen Sachverhalt noch kein schriftliches Urteil verfasst, es also noch nicht abgeschlossen hatte. Der BGH zeigte dem Landgericht dafür die rote Karte. Greves später abgeliefertes Urteil wurde nicht akzeptiert.
Köln: Zeugenaussage war völlig nutzlos
Umso mehr wird sich Richter Greve ärgern, dass seine Aussage im Parallelverfahren völlig nutzlos war. Denn auch dieses Urteil – ein Jahr Haft auf Bewährung für den Oberbauleiter – hat der BGH aufgehoben. Richterin Grassmann hatte sich in Widersprüche verstrickt.
Auch zwei Freisprüche hoben die Karlsruher Richter auf, sodass bald gegen vier Beschuldigte neu verhandelt wird. Vor einem neuen Richter und – da die Verjährungsfrist nur für die erste Instanz galt – immerhin ohne Zeitdruck.