Köln – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein weiteres Strafurteil des Landgerichts zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs aufgehoben. Auch im Fall eines Bauüberwachers, der wegen fahrlässiger Tötung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war, muss komplett neu verhandelt werden. Hier führte ein sehr ungewöhnlicher Fehler des Gerichts zur Rüge des BGH.
Parallelverfahren wird Richter zum Verhängnis
Der Vorsitzende Richter Michael Greve und seine Kollegen der 10. Großen Strafkammer hatten das Urteil gegen den Bauüberwacher und weitere Beschuldigte am 12. Oktober 2018 gesprochen, nach 48 Verhandlungstagen mit aufwendiger Beweisaufnahme. Parallel lief vor einer anderen Kammer des Kölner Landgerichts aber noch ein weiteres Stadtarchiv-Verfahren, hier war ein Oberbauleiter angeklagt.
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Und genau dieses Parallelverfahren wurde Greve nun zum Verhängnis. Denn dort sagten er und seine Kollegen plötzlich als Zeugen aus, um ihre Erfahrungen aus dem eigenen Prozess zu schildern. Das Problem: Das eigene Verfahren hatte Richter Greve noch gar nicht abgeschlossen. Zwar hatte er das Urteil mündlich verkündet, die schriftlichen Gründe musste er aber erst noch verfassen.
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass Greve sich mit der Zeugenaussage im anderen Verfahren für seinen eigenen Prozess disqualifiziert hat. Er und seine Kollegen durften nun laut Beschluss das schriftliche Urteil gar nicht mehr verfassen. Tat er bis Januar 2019 zwar trotzdem, doch die Arbeit war völlig umsonst – den schriftlich fixierten Schuldspruch erkennt der BGH nicht an.
Kölner Stadtarchiv: Auch weitere Urteile kassiert
Dass die Stadtarchiv-Richter so zeitnah in dem Parallelprozess aussagen sollten, war auch der Tatsache geschuldet, dass dieser ebenfalls unter enormem Zeitdruck geführt werden musste. Die Vorwürfe gegen den angeklagten Oberbauleiter wären bereits im März 2019 verjährt gewesen. Der Angeklagte wurde zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Auch dieses Urteil kassierte der BGH.
Die Folge ist nun, dass auch nach 13 Jahren kein einziger Verantwortlicher strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurde, die Schuldfrage am Einsturz des Stadtarchivs mit zwei Toten ist somit immer noch ungeklärt. Nachdem der Bundesgerichtshof aufgrund von Formfehlern auch zwei Freisprüche aufgehoben hatte, muss nun gegen insgesamt vier Beschuldigte neu verhandelt werden.