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Uniklinik Köln sagt Operationen ab„Wissen nicht, wie wir Patienten helfen sollen“

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Das Streikzentrum an der Joseph-Stelzmann-Straße   

  1. Die Pflegekräfte der sechs Unikliniken sind seit vier Wochen im Streik, um bessere Arbeitsbedingungen zu erhalten.
  2. Der Ausstand hat massive Auswirkungen auf die Behandlungen der Patienten.
  3. Der Leiter der Neurochirurgie Roland Goldbrunner erläutert, ob und wie seine Patienten durch den Streik gefährdet werden.

Köln – Gut einen Monat seitdem die sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen von zahlreichen Beschäftigten bestreikt werden, zeigt der Ausstand immer größere Auswirkungen. Der Streik führe in der Uniklinik zu massiven Verwerfungen, sagte der Leiter der Neurochirurgie, Roland Goldbrunner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es können alle Notfalloperationen, aber keine geplanten Operationen durchgeführt werden.“ Viele dieser planbaren Operationen, besonders mit Tumorpatienten, seien aber mittlerweile dringend erforderlich. „Wir wissen nicht mehr, wie wir diesen Patienten helfen sollen. In diesem Teufelskreis sind wir gefangen.“

In der Neurochirurgie könne derzeit nur einer von drei OP-Sälen genutzt werden, und dieser auch nicht während der gesamten Zeit. Es gebe zwar eine Notfallvereinbarung zwischen Uniklinik und Verdi, „die sicherstellen soll, dass keiner stirbt“. Das heißt: Wenn ein Patient in die Klink komme, der zum Beispiel Opfer eines schweren Verkehrsunfalls war, werde er zwar behandelt. „Dann müssen wir aber eine Tumoroperation absetzen.“ Das habe dazu geführt, dass die Uniklinik einen großen Stau an ausgefallenen Operationen vor sich her schiebe. Allein in der Neurochirurgie seien 50 Hirntumor-Operationen bislang ausgefallen, in anderen chirurgischen Fachbereichen sei der Stau ähnlich hoch.

OP-Säle sind gesperrt

Die Unikliniken hätten in den vergangenen Wochen Patienten in andere Krankenhäuser, auch in andere Bundesländer, verlegen lassen. „Diese Reservekapazitäten sind aber längst erschöpft“, so Goldbrunner. Bundesweit gebe es für Krebspatienten derzeit keine ausreichende Versorgung. „Auch wenn der Streik heute beendet würde und wir mit voller Kapazität operieren dürften, würden wir es nicht schaffen, den Stau an Patienten abzuarbeiten.“ Weil die Tumore täglich wüchsen, „sind wir in einer Situation, dass Patienten Lebensjahre verlieren“.

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Zudem sei ein Drittel der Stationen der Neurochirurgie geschlossen. „Das ist kein Problem, weil wir die Tumorpatienten ohnehin nicht aufnehmen können.“ Weniger gut sei, dass auch zahlreiche Betten auf den Intensivstationen nicht belegt werden können. „Es ist eine bizarre Situation, dass man Tumorpatienten operieren könnte, es aber kein Intensivbett gibt, um sie anschließend zu versorgen.“

Patienten sind verzweifelt

Das Feedback der Patienten sei niederschmetternd. „Die Anrufe, die ich von Angehörigen jeden Tag bekommen, sind bitter.“ Patienten, deren Operationen verschoben würden, reagierten mitunter mit Hysterie. Einen Patient, der nach einer dritten verschobenen Operation extrem aggressiv geworden sei, habe man auf eine geschlossene psychiatrische Station verlegen müssen.

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Verdi organisiert den Protest.

Goldbrunner rechnet damit, dass der finanzielle Verlust der Uniklinik durch den Streik „immens sein wird, weil wir nur mit einem Drittel unserer Leistungsfähigkeit arbeiten“. Die Sorge um einen Vertrauensverlust ist groß. So könne die Klinik zum einen das Vertrauen der Patienten verlieren, zum anderen gebe es Konflikte innerhalb des Pflegepersonals. „Die einen sagen: Ihr könnt die Patienten doch nicht sterben lassen. Die anderen sagen: Ihr seid Verräter an Verdi. Wir haben ganz bittere und tiefe persönliche Fronten. Das zu reparieren, wird unglaublich schwer werden.“

Pflegepersonal muss entlastet werden

Goldbrunner zeigt Sympathie für das Anliegen der Beschäftigten, denn die Arbeitsbelastung in der Pflege sei hoch. „Wir würden uns alle wünschen, dass es hier zu einer Entlastung kommt.“ Richtig sei, dass mehr Pflegepersonal eingestellt werden müsse.“ Meistens klappt es mit einem Schlüssel von einem Pflegenden zu zwei Patienten. „Ich bin mir aber bewusst, dass das nicht immer eingehalten wird.“

Nötig sei es, mehr Menschen für die Pflegeberufe zu interessieren. Das werde aber nur geschehen, wenn Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessert würden. „Das gängige Schichtdienstmodell mit voller Arbeitsauslastung reicht nicht aus.“ Bund und Krankenkassen müssten mehr Geld in den Gesundheitsbereich investieren. Auch weil das derzeitige Fallpauschalen-System die Leistungen in der Pflege zu wenig abbilde.