Tod von Kölner Kurt BraunBekannte sagen, Clemens K. sei „nicht nur dieses Monster“
- Im Dezember vergangenen Jahres wollte Kurt Braun, Angestellter der Stadtkämmerei, eine offene Geldforderung bei einem Mieter an der Straße Auf der Schildwache eintreiben.
- Kaum hatten er und seine Kollegin geklingelt, wurde die Wohnungstür aufgerissen und der 47-Jährige mit einem Messer angegriffen. Er wurde schwer verletzt, starb noch am Unfallort.
- Beim Prozess am Dienstag beschreiben Bekannte Clemens K. so, wie es bisher niemand für möglich gehalten hat.
Köln – Das „Cafe Mittendrin“ erfreut sich seit Jahren im Veedel großer Beliebtheit: vor zehn Jahren von Ehrenamtlern gegründet, ist die gemeinnützige Einrichtung Anlaufstelle, Kontaktbörse und preiswerter Imbiss in einem für alleinstehende, einsame und weniger gut betuchte Menschen. Clemens K. war seit zehn Jahren Stammgast dort, kam an manchen Tagen sogar zweimal vorbei, weil er sich dort offensichtlich sehr wohlfühlte: auf einen Cafe, ein Gespräch oder um in Ruhe Zeitung zu lesen. Und zeigte sich dort von einer Seite, die so im Prozess angesichts der bisherigen Schilderungen niemand für möglich gehalten hätte.
„Er war stets freundlich, höflich, sauber und gepflegt“, beschreiben zwei Café-Mitarbeiter ihren ehemaligen Stammgast und ergänzen: „Er hatte stets ein Lächeln auf den Lippen.“ Das Ehepaar S. (72,73) – sie Sozialarbeiterin, er pensionierter Lehrer – haben sich am Ende des Prozesses bei der Verteidigung gemeldet, „um einmal die andere Seite des Beschuldigten aufzuzeigen, denn er ist nicht nur dieses Monster, als das er beschrieben wird“. Beide erinnern K. als „feinsinnnigen Menschen, intelligent, beeindruckend gebildet, nie aggressiv, ja sogar tiefenentspannt“. Sie sagen mit Blick auf das Tatgeschehen wie aus einem Mund: „Es ist unvorstellbar, dass ein Mensch derartige zwei Seiten hat.“
Gespräche mit ihm blieben stets an der Oberfläche
In all den Jahren war ihnen K. derart ans Herz gewachsen, dass sie ihm sogar die ehrenamtliche Mitarbeit im Café antrugen. Er schien ihnen geeignet, mit hinter dem Tresen zu stehen, weil er sich mit allen gut verstand. Er lehnte das Angebot ab. Sie sagen allerdings auch: Die Gespräche mit ihm blieben stets an der Oberfläche. Kunst, Literatur, Musik – das waren die Themen. „Persönlich wurde es nie.“
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Nach Überzeugung des Anklägers war es das „krankheitsbedingte Weltbild“ des Beschuldigten, das im vergangenen Jahr im März zu dem versuchten Mord an einer Gesundheitsamt-Mitarbeiterin und im Dezember zum tödlichen Angriff auf Kurt Braun führte. K. habe nach dem Prinzip gehandelt „wenn jemand mich angreift, dann wehre ich mich.“ In beiden Fällen hatte er Notwehr als Motiv für die Gewaltattacken geltend gemacht. „Aber es gab keine Notwehrsituation“, sagte der Ankläger.
Das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt
In beiden Fällen habe K. „plötzlich und unerwartet“ seine Opfer attackiert und dabei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. Bestraft werden könne er allerdings nicht, da er nicht schuldfähig sei. Eine Sachverständige hatte aufgrund der diagnostizierten paranoiden Schizophrenie die Aufhebung der Steuerungsfähigkeit festgestellt und Clemens K. gleichzeitig als Gefahr für die Gemeinheit bezeichnet, als Wiederholungstäter. Aufgrund fehlender Krankheitseinsicht und seiner Weigerung, Medikamente einzunehmen, bliebe daher nur die dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. „Der Unterbringungsbefehl muss daher aufrecht erhalten bleiben“, schloss der Ankläger sein Plädoyer.
Verteidigerin Harriet Krüger wies in ihrem Schlussvortrag auf die „traurige Geschichte“ ihres Mandanten hin, der seit mehr als zwanzig Jahren vergeblich um sein Recht auf Selbstbestimmung gekämpft habe. Immerhin habe sich Clemens K. über all die Jahrzehnte stets vehement gegen die gerichtlich angeordnete Betreuung gewehrt und war bereits vor Jahren von einem erfahrenen Betreuer als „betreuungsunfähig“ bezeichnet worden. Erst im Januar 2019 habe das Betreuungsgericht angeordnet, diesen Aspekt zu überprüfen. Krüger ist überzeugt: „Hätte diese Überprüfung ohne die zwangsweise Vorführung stattgefunden, wäre nie etwas passiert.“
Anwältin spricht von „einer Lücke im Gesetz“
Die Anwältin spricht von „einer Lücke im Gesetz“ und stützt sich dabei auf höchste Rechtssprechung, wonach „jeder das Recht auf Krankheit hat, auch der Psycho.“ Ohne eine Betreuung wäre ihr Mandant möglicherweise nie gewalttätig geworden und hätte sein Leben so geführt, wie ihn die Café-Mitarbeiter beschrieben hatten. „Wie hätte er sein Recht auf Selbstbestimmung geltend machen können, wenn er gleichzeitig Zwangsmaßnahmen ausgeliefert war, die er krankheitsbedingt als persönliche Bedrohung empfand?“, fragte Krüger . Letztlich sei ihr Mandant auch ein Opfer.
Der Kommentar des Beschuldigten gab erneut Einblick in seine wahnhafte Denkweise: „Das war kein Verteidigungsplädoyer – sondern eine Anklage. Haarsträubend!“ Am kommenden Freitag erhält Clemens K. die Möglichkeit, im letzten Wort seine Sichtweise der Dinge zu Protokoll zu geben.