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Tuner-Szene in Köln-PollAnwohner sprechen von „beängstigenden“ Zuständen

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Poll Raser-Szene

Szene aus dem Frühjahr 2021: Die Alfred-Schütte-Allee zwischen Südbrücke und Bushaltestelle ist abends ein beliebter Treffpunkt

Köln – Die Streifenwagenbesatzung, die sich am späten Mittwochabend zwischen aufgemotzten Autos geduldig den Weg durch den Stop-and-Go-Verkehr auf der Alfred-Schütte-Allee bahnt, wirkt irgendwie verloren. Ringsherum Gehupe, Geschrei, Gelächter. Alle paar Sekunden heult irgendwo ein Motor auf. Viele der Autos haben Kennzeichen aus dem Kölner Umland, aus Düren, Aachen, Dortmund und dem Ruhrgebiet. Aus den Fahrzeugen dröhnt Musik, und immer wieder quietschen Reifen, wenn der Fahrer eines Wagens irgendwo in der langen Schlange stark beschleunigt – um nur ein paar Meter weiter wieder scharf abzubremsen.

Hunderte Menschen ohne Maske und Abstand

Wer an diesem oder an einem anderen Abend in den vergangenen Wochen auf der Rheinpromenade in Poll spazieren gegangen ist, fühlte sich in die Zeiten vor der Pandemie zurückversetzt. Auf dem knappen Kilometer zwischen Südbrücke und Bushaltestelle der Linie 159 sitzen oder stehen hunderte Menschen in zahlreichen Gruppen dicht zusammen, fast alle zwischen 20 und 40 Jahre alt, meistens Männer, aber auch viele Frauen sind dabei. Sie unterhalten sich, lachen, essen, trinken und rauchen Shisha. Eine Maske trägt so gut wie niemand.

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Viele hocken ohne Maske auf einem Mäuerchen und bestaunen das Spektakel der vorbeirollenden Autotuner.

Viele hocken auf dem Mäuerchen zwischen dem Fußweg und dem Parkstreifen und bestaunen das Spektakel der vorbeirollenden Autotuner und -poser. In Höhe des Tennisclubs hat sich eine Gruppe zwei Campingstühle direkt an die Fahrbahn gestellt und feuert die Insassen eines weißen Mercedes an, der mit röhrendem Motor vorbei prescht. Über der Promenade liegt eine Duftwolke aus süßem Wasserpfeifen-Tabak.

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Polizist: „Die Zustände sind krass“

Die beiden Polizisten im Streifenwagen sind unterwegs zu einem Verkehrsunfall. Kurz hinter der Bushaltestelle der Linie 159 hat der Fahrer eines schwarzen Audi gegen 22 Uhr beim Wenden auf der engen Straße ein geparktes Fahrzeug gerammt. Anwohner berichten, der Mann habe flüchten wollen, doch man habe ihn aufhalten können.

Hört man den Menschen zu, die hier wohnen, war es zuletzt eher die Ausnahme, dass sich hier abends mal ein Streifenwagen blicken ließ. „Was hier seit vier Wochen abgeht, ist beängstigend“, sagt eine Anwohnerin. Ein anderer berichtet, wie er vor drei Wochen auf der Wache in Deutz angerufen und sich beschwert habe. Der Polizist habe fast verzweifelt geklungen: Ja, die Zustände seien krass, habe der Beamte gesagt. Aber mit dem Personal im normalen Tagesgeschäft könne die Polizei da kaum etwas ausrichten.

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Man würde ja gerne mal „ordentlich aufräumen“ auf der Alfred-Schütte-Allee, seine Vorgesetzten schrieben sich auch die Finger wund, aber es geschehe trotzdem nichts. Und für die Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung sei die Stadt zuständig. Beide Behörden haben am Donnerstag nun Maßnahmen angekündigt, um die Zustände zu entschärfen. Aus Sicht der Anwohner ist das überfällig.

Die Alfred-Schütte-Allee „als Partymeile eingenommen“

Bei Kontrollen seien Streifenteams am Mittwoch auf „etliche uneinsichtige, zum Teil aggressive Menschen“ gestoßen, die die Alfred-Schütte-Allee und umliegende Mauern als Partymeile für sich eingenommen hätten, sagt der Leitende Polizeidirektor Martin Lotz.

Ab dem Wochenende will die Polizei die Rheinpromenaden und angrenzenden Parks „konsequent und mit verstärkten Kräften“ bestreifen, kündigt er an, gibt aber auch zu bedenken: „Flächendeckenden Maßnahmen sind in einer Großstadt mit mehr als einer Million Einwohnern Grenzen gesetzt.“

Stadt erlässt Verweil- und Durchfahrverbot

Auch die Stadt griff am Donnerstag hart durch, der Krisenstab entschied in seiner Sitzung: Teile der Alfred-Schütte-Allee dürfen zwischen 18 und sechs Uhr ab sofort nur noch von Anliegern befahren werden. Es gilt ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Die Stadtverwaltung will eine Messanlage aufstellen.

Partys im Freien sind dort von nun an ebenfalls untersagt: Montags bis freitags von 18 Uhr bis 1 Uhr und samstags, sonntags sowie an Tagen vor einem Feiertag von 15 Uhr bis 1 Uhr gilt bis einschließlich 19. April ein Verweilverbot in bestimmten Bereichen der Alfred-Schütte-Alle. Das Verbot gilt nicht für die Poller Wiesen.