Köln – Wer glaubte, die 214 Sturm-Einsätze vom Montag seien viel gewesen für die Kölner Feuerwehr, unterschätzt womöglich den Alltag der Rettungsdienste. Tags darauf rückten Feuerwehr und Rettungsdienste wieder zu rund 500 Einsätzen aus – vom Fahrradunfall bis zum Herzinfarkt. Ein üblicher Schnitt für einen Dienstag, wie Feuerwehr-Sprecher Christian Heinisch sagte. Nur dass an diesem 11. Februar, dem europäischen Tag des Notfalls, die Feuerwehr zwischen 8 und 20 Uhr jeden Einsatz über ihren Twitter-Kanal vermeldete und rund 810000 Menschen mitgelesen haben. Mit der PR-Aktion wollte die Feuerwehr auf ihre tägliche Arbeit abseits von Großlagen wie Naturereignissen aufmerksam machen – unabhängig von Berichterstattung in der Presse. „Auch wenn wir nicht immer in den Medien sind, retten wir trotzdem jeden Tag Leben“, sagte Feuerwehr-Chef Christian Miller zu der Aktion „Twitter-Gewitter“.
„Können Sie ein Taxi rufen?“
1000 Anrufe gehen an einem normalen Dienstag bei der 112 ein. Die meisten haben einen ernsten Hintergrund, aber nicht bei jedem handelt es sich tatsächlich um einen Notruf oder um einen Fall, der einen Einsatz nach sich zieht. Wie zum Beispiel dieser: „Ich habe die Nummer vom Taxidienst vergessen. Können Sie mir ein Taxi rufen?“ fragte am Dienstag jemand die Beamten. „Mit so einem Quatsch halten wir uns aber nicht lange auf“, sagt Heinisch. Der nächste Einsatz folgte wenige Minuten später: ein internistischer Notfall in einem Seniorenheim in Mülheim.
Auch das soll eine Botschaft an die Bürger sein: Auf ein funktionierendes Rettungssystem ist eine Stadt wie Köln im Minutentakt angewiesen. Doch das ist so wenig selbstverständlich wie lange nicht. Zum einen klagen auch Feuerwehrleute und Krankenwagenbesatzungen verstärkt darüber, im Einsatz angepöbelt zu werden – wie in der vergangenen Silvesternacht in der Altstadt, als Sanitäter in einem Behandlungszelt mit Feuerwerksraketen beschossen wurden. „Die Respektlosigkeit uns gegenüber nimmt tendenziell zu“, sagt Miller. „Aber wir wollen den Menschen klarmachen: Wir kommen immer, um zu helfen.“
140 unbesetzte Stellen bei der Kölner Feuerwehr
Womöglich liegt es auch an Vorfällen wie denen an Silvester, dass immer weniger junge Menschen Rettungssanitäter oder Feuerwehrmann werden wollen. Ständige Schichtdienste, dazu nicht gerade üppige Bezahlung, schrecken offenbar viele ab. Die Feuerwehr sucht händeringend Nachwuchs. Rund 140 Stellen sind derzeit in Köln unbesetzt. Die Chancen, in den Beruf zu kommen, sind so groß wie selten. „Es gibt keinen einzigen arbeitslosen Feuerwehrmann in Deutschland“, sagte Heinisch. Die Twitter-Aktion vom Dienstag soll auch dazu beitragen, das langfristig zu ändern. „Wir müssen zugeben: Wir haben zu spät auf demografische Entwicklungen reagiert – daher müssen wir jetzt noch stärker für diese Berufe werben“, sagte Stadtdirektor Stephan Keller.
Der hatte im vergangenen Jahr von „Meuterei-ähnlichen Zuständen“ bei der Feuerwehr gesprochen. Die Unzufriedenheit in der Belegschaft war groß. Viele Feuerwehrleute hätten „ihren Unmut bezüglich Arbeitsbedingungen, Ausstattung, Belastung und Schichten lautstark geäußert“, sagte Keller am Dienstag. Ein Modernisierungsprozess habe seither stattgefunden, zu dem auch Feuerwehr-Chef Miller – seit einem Dreivierteljahr im Amt – gehört. Und das „Twitter-Gewitter“ ist offenbar Teil davon. „Da setzen wir dann auch auf eigene Inhalte, um unsere Arbeit zu erklären und die Öffentlichkeit zu informieren“, sagte Keller.