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Ukrainische Schüler in Kölner Grundschule„Die Kinder reißen sich um die Neuen“

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In der Löwenklasse am Volberger Weg in Köln Rath lernen jetzt auch ukrainische Kinder mit.

Köln – Marharyta und Sofija haben Geschichten aufgeschrieben, mit kleinen Buchstaben, sehr akkurat. Das Blatt vor Lev dagegen ist noch vollkommen leer. Jetzt wird zu Star-Wars-Musik aufgeräumt. 30 Kinder kehren aus all den Ecken, in die sie sich zum Schreiben verkrümelt hatten, zurück auf ihre Plätze. Mittendrin Barbara Clemens, die Lehrerin der Löwen, einer dritten Klasse an der GGS Volberger Weg in Köln Rath. Freundlich. Geduldig. Ruhender Pol im Getümmel.

Seit Montag ist ihr Job noch ein bisschen anstrengender als ohnehin schon, aber das lässt sie sich nicht anmerken. Was Marharyta und Sofija in der „Schreibzeit“ zu Papier gebracht haben, kann sie genauso wenig deuten wie den Grund für Levs Schreibverweigerung. Die Mädchen, elf und zehn Jahre alt, nutzen kyrillische Buchstaben. Den Jungen, in wenigen Tagen wird er neun Jahre alt werden, fern der Heimat und ohne seine Freunde, könnte Clemens selbst dann nicht verstehen, wenn er in Worte fassen könnte, was ihn gerade bewegt. Sie spricht kein Ukrainisch, und er kann kein Deutsch.

Ablenkung von der Ausnahmesituation

Sechs Kinder aus der Ukraine besuchen seit Anfang der Woche die GGS in Rath. Sie sind mit ihren Müttern vor dem Krieg in der Heimat geflohen und in Köln untergekommen. Jetzt sollen sie Kontakt zu Gleichaltrigen knüpfen, Alltag erleben, abgelenkt werden von der Ausnahmesituation, in der sich ihre Familien befinden.

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Die Kinder der Grundschule Volbergerweg heißen ihre Gäste willkommen.

Barbara Clemens hat einen kleinen Plüschlöwen vorn an ihrer Jeans baumeln. Ein Löwe als täglicher Begleiter für die Löwenklasse. Wichtiger ist aktuell aber ihr Handy in der hinteren Hosentasche. Immer wieder holt sie es heraus, tippt etwas ein, zeigt es einem der ukrainischen Kinder. Die Technik muss übersetzen, was die Lehrerin ihren neuen Schülern sagen will. Und Maxim hilft, ein Junge aus der Klasse, der Russisch spricht. Er gibt den Übersetzer, wenn es um mehr als ein paar Wörter geht.

„Ohne ihn wäre ich völlig aufgeschmissen“, sagt Clemens. Und schiebt hinterher: „Es kann nicht sein, dass ein Kind das tragen muss. Da müsste seitens der Stadt oder des Ministeriums mehr Unterstützung kommen.“ Doch die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam. Immerhin hat das Schul- und Bildungsministerium NRW den Weg frei gemacht für eine schnelle, wenig bürokratische Aufnahme geflüchteter Kinder aus der Ukraine an den Schulen.

Realitätsferne Antworten vom Ministerium

Doch auf die Frage, wie die Schulen, die ohnehin unter Lehrermangel und den Auswirkungen der Pandemie leiden, die zusätzliche Herausforderung stemmen sollen, schickt das Ministerium recht realitätsferne Ideen vom Istzustand an den Schulen im Land zur Antwort.

Es stünden in NRW ja „viele Lehrkräfte mit der Qualifikation Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache für die sprachliche Förderung und Integration zur Verfügung, die vor allem seit 2015 verstärkt in den Schuldienst eingestellt wurden“, heißt es unter anderem.

Kein Platz, kein Personal, kein Material

Elke Sommer, die Schulleiterin an der GGS Volberger Weg, hat so gerade genug Lehrkräfte, um den normalen Betrieb am Laufen zu halten. Aktuell sind wieder mal zwei ihrer Kollegen in Corona-Quarantäne. Sie hat weder den Platz, noch das Personal, noch geeignete Unterrichtsmaterialien, um Kindern aus der Ukraine jetzt sofort gezielt Deutsch beibringen zu können. „Die Kollegen rotieren, wir schwimmen ganz schön“, sagt sie.

Es klingelt zur großen Pause. Das Gewusel geht wieder los. Maxim schnappt sich Lev und rennt mit ihm raus. Marharyta und Sofija sind innerhalb von Sekundenbruchteilen das Zentrum einer Mädchentraube. „Die Kinder untereinander sind sehr aufgeschlossen“, sagt Sommer. „Die wollen ganz viel tun, sie reißen sich um die Neuen.“

Drei Frauen, drei Kinder, vier Tage im Auto

Diese Hilfsbereitschaft, die ihr von allen Seiten entgegenschlägt, begeistert Mariya. Mit ihren Kindern Marharyta und Platon, ihrer Schwägerin Oksana mit Tochter Veronica sowie der Oma Zoe ist sie aus Kiew nach Köln gekommen. Vier Tage im Auto, über Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. Drei Frauen, drei Kinder, wenig Gepäck.

Am 24. Februar, dem Tag, an dem Putins Truppen in die Ukraine einfielen, ging es zunächst zu Mariyas Schwiegereltern aufs Land, 120 Kilometer außerhalb von Kiew. „Wir dachten, dass wir nach dem Wochenende wieder zurückkönnen, dass die Kinder am Montag wieder zur Schule und wir zur Arbeit gehen würden“, erzählt Mariya. Sie ist Rechtsanwältin. Oksana ist Wirtschaftsprüferin. Marharyta liebt es, zu basteln und zu nähen. Ihr Bruder Platon spielt Fußball im Verein und mag Lego. Cousine Veronica trainiert lateinamerikanische Tänze. All das war am 24. Februar plötzlich vorbei.

Wieviel wird von der Heimat übrig sein?

Jetzt wissen die Frauen nicht, ob ihre Wohnungen in Kiew noch stehen. Wieviel von ihrer Heimatstadt übrig sein wird, wenn dieser Krieg irgendwann endet. Und ob ihre Männer dann noch am Leben sein werden. Die Frauen sind gegangen, um die Kinder in Sicherheit zu bringen. Die Männer sind geblieben. Weil sie müssen. Aber auch, weil sie wollen. „Wir lieben unsere Heimat“, sagt Oksana. „Ohne die Kinder wären auch wir nicht geflohen“, ergänzt Mariya.

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Sofija und Marharyta in der Löwenklasse

Sie sind in einem leerstehenden Haus in Rath unterkommen. Mariyas Schwester lebt seit 20 Jahren in Köln, eine ehemalige Kollegin von ihr hat das Haus zur Verfügung gestellt. Die Nachbarn haben fehlende Möbelstücke gebracht, Bettwäsche, einen Trockner, Fahrräder und Rollschuhe für die Kinder. „Wir bekommen so viel Unterstützung, das ist toll“, sagt Mariya. Vieles will sie aber gar nicht annehmen. Sie will so bald wie möglich zurück nach Hause.

Sehnsucht nach den Vätern und Freunden

Die Kinder schickten sie zum Unterricht, um „ihr Leben wieder mit Inhalt zu füllen“, sagt Mariya. Geschäftiger Alltag soll das Grübeln über den Krieg verdrängen. Die Sehnsucht nach den Vätern und Freunden ein wenig in den Hintergrund schieben. Das Ankommen in der Fremde erleichtern. „Das können wir leisten“, sagt die Rather Schulleiterin Elke Sommer. „Man hat aber immer das Gefühl, man könnte mehr machen“, betont Barbara Clemens, die Lehrerin der Löwen. Wenn doch bloß die Kapazitäten reichen würden.

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Die Wände des Klassenzimmers sind in freundlichem Gelb gehalten. An den Fenstern hängen Friedenstauben in Blau und Gelb, bemalt von den Kindern. Draußen ist ein selbst gestaltetes Banner angebracht. „Löwen für den Frieden“, steht darauf.

Lev versucht, einen auseinandergebauten Kuli wieder zusammen zu bekommen. Maxim, der Notfall-Übersetzer, hilft ihm. Marharyta und Sofija werden von Leni, Elenor und Isabell umringt. Sie konnten in der ersten Stunde problemlos den Mathetest mitschreiben. Dem Handy der Lehrerin sei Dank, es hat die Aufgabenstellung übersetzt. Danach funktioniert Mathe ohne Sprache. Genauso wie Nächstenliebe.