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„Nicht die Zeit, um zu jammern“Erste ukrainische Kinder ab Montag an Kölner Schule

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Die vielen aus der Ukraine geflohenen Kinder brauchen vor allem eins: Normalität. Dazu gehört auch der Schulbesuch.

Köln – An der GGS Vollberger Weg in Köln Rath haben sie am Donnerstag eine selbst gestaltete Friedensfahne gehisst und dazu „Liebe gewinnt“ von Brings gespielt. Auf einem weißen Bettlaken sind die Umrisse einer Friedenstaube zu sehen und drumherum die Unterschriften aller Kinder. Das Schülerparlament habe die Aktion beschlossen, erzählt Schulleiterin Elke Sommer: „Der Krieg ist für die Kinder sehr präsent, sie wollen etwas tun.“ Sie unterstütze das, denn: „Wir können den Krieg nicht ändern, aber wir können hoffnungsvoll sein und in unserem Umfeld Frieden demonstrieren.“

In der kommenden Woche werden die Schülerinnen und Schüler und das Lehrpersonal der Rather Grundschule sehr direkt mit den Folgen des Krieges konfrontiert werden: Erste Kinder, die mit ihren Familien aus der Ukraine nach Köln geflohen sind, werden die Schule von Montag an besuchen. Sie machen den Anfang. Viele mehr werden folgen. Den Schulen überall im Land steht eine Mammutaufgabe bevor.

Viele Kinder, wenig Lehrer - das war schon vor dem Krieg so

Und das, obwohl die Ressourcen ohnehin erschöpft sind. Die Klassen sind häufig groß, Lehrer Mangelware, die Räumlichkeiten veraltet und vielerorts zu klein. Zwei Jahre Pandemie mit digitalem Unterricht, strengen Hygieneauflagen, Testchaos und zusätzlichem Lehrermangel durch Krankheit und Quarantäne haben ihr Übriges getan. Das System ist an seiner Belastungsgrenze. Auch Elke Sommer hätte gern mehr Platz in ihrer Schule, mehr Kolleginnen und Kollegen, einen Sozialarbeiter. Die Voraussetzungen sind alles andere als optimal. Trotzdem hat sie nicht gezögert, ukrainische Kinder aufzunehmen.

„Das, was wir tun können, ist schon wenig genug“, sagt sie. „Also tun wir, was möglich ist, denn alles ist besser für diese Kinder als nicht zur Schule zu gehen oder im Krieg zu sein.“ Aus anderen Schulen ist ein ähnlich herzerwärmender Pragmatismus zu hören. Sommers Motto in diesen Tagen teilt so mancher Kollege: „Es ist nicht die Zeit, um zu jammern.“

Ob es mehr Personal vom Land gibt, ist noch unklar

Auf Verwaltungsebene wird bereits mächtig rotiert, Informationen und Unterrichtsmaterialien werden bereitgestellt, Ansprechpartner benannt. Aber ob den Schulen in Sachen Personal, Ausstattung und Räumlichkeiten geholfen werden soll und kann, ist noch unklar. NRW-Schul- und Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) erklärte in dieser Woche: „Den zu uns flüchtenden Kindern und Jugendlichen wollen wir möglichst viel Normalität und dann auch einen Schulbesuch ermöglichen, der ihnen ein Gefühl der Sicherheit zurückgibt und das Ankommen erleichtert.“

Die Europäische Union hat beschlossen, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge ab dem 3. März 2022 in allen EU-Mitgliedsstaaten einen Aufenthaltstitel für zunächst ein Jahr erhalten – mit der Option auf eine Verlängerung um weitere zwei Jahre.

Zwei Wege ins NRW-Schulsystem

Ähnlich unkompliziert soll die Integration der Kinder ins hiesige Schulsystem möglich sein. Aktuell geht das über zwei Wege. Den längeren: Eine Familie erhält eine Aufenthaltserlaubnis, wird einer Kommune zugewiesen und meldet dort ihren Wohnsitz an. Jetzt gilt Schulpflicht für die Kinder und Jugendlichen. Die Familien bekommen eine Beratung in einem Kommunalen Integrationszentrum, dann weist das zuständige Schulamt den Kindern einen Schulplatz zu.

Der kürzere Weg geht so: Eine Familie wendet sich nach ihrer Ankunft direkt an eine Schule in der Nähe ihres Aufenthaltsortes. Diese kann die Kinder zunächst wenig bürokratisch in Abstimmung mit der Schulaufsicht als Gastschüler aufnehmen. Das solle „grundsätzlich ermöglicht werden“, teilte das Schulministerium in dieser Woche mit, „auch im Vorgriff auf die erwartete Rechtslage“.

Gastschüler wurden schon aufgenommen

Der lange Weg ist zu lang, um jetzt schon beschritten worden zu sein. So erklärte ein Sprecher der Bezirksregierung Köln Ende der Woche: „Es wurden im Rahmen der aktuellen Krise noch keine ukrainischen Kinder und Jugendliche Schulen zugeteilt.“ Sehr wohl seien aber schon einzelne Schüler als Gäste aufgenommen worden.

In manchen Familien ist das Thema Schule nach den Strapazen der Flucht noch sehr weit weg. Die Kinder brauchen Schlaf, Ruhe, Besinnung. Für andere war die Reise etwas weniger aufreibend, sie sind zu Verwandten oder Bekannten in der Region gekommen und wünschen sich Alltag, Normalität, Kontakt zu Gleichaltrigen.

Zuversicht aus der Bezirksregierung

Der Sprecher der Bezirksregierung ist zuversichtlich, er sagt: „In Köln kann auf ein etabliertes System mit gut funktionierenden Strukturen zurückgegriffen werden, so dass auch die Beschulung von aus der Ukraine neu zugereisten Kindern und Jugendlichen derzeit aufgefangen werden kann.“ Soll heißen: Man hat aus der Flüchtlingskrise 2015 gelernt und kann nun von den damaligen Erfahrungen profitieren.

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Schulleiterin Elke Sommer sagt: „Ja, Erfahrungen haben wir gesammelt, aber ein klares Konzept haben wir deshalb nicht in der Tasche.“ Platz und Personalkapazitäten für eigene Willkommensklassen gebe es an ihrer Schule nicht. Ohnehin halte sie die direkte Integration in bestehende Klassen für sinnvoller. Bestenfalls bekämen die Flüchtlingskinder regelmäßig gesonderten Deutschunterricht und eine psychologische Betreuung. Nur: Genug Fachkräfte für den besten Fall hat Sommer selten zur Verfügung.

Mut machen und Normalität bieten

Am Ende sind das alles aber Formalitäten, die für die Schulleiterin gar nicht so sehr im Vordergrund stehen. Mut machen und Normalität bieten, das sei jetzt wichtig – und nicht in erster Linie die prompte Vermittlung von Sprachkompetenz. In den ersten Kriegstagen hätten die Kinder in ihrer Schule zum Teil Wünsche geäußert, wer gewinnen solle, die Ukraine oder Russland, erzählt Sommer. Sie habe dann erklärt: „Das ist kein Fußballspiel. Im Krieg gewinnt niemand.“

Am Donnerstag, als die Friedenstaube dem blauen Himmel über Köln Rath entgegen flatterte, übertönte der Gesang der Schülerinnen und Schüler Brings vom Band. Auch bei diesen Zeilen des Refrains: „Wir werden frei sein, wenn wir uns lieben. Es wird vorbei sein, mit all den Kriegen. Wir sind Brüder, wir sind Schwestern, egal wo wir sind. Glaub mir, die Liebe gewinnt.“