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Ungewissheit und UnverständnisEU-Farbverbot für Kölner Tätowierer „eine Katastrophe“

Lesezeit 4 Minuten
tattos dpa (1)

Zwei Drittel der Tattoofarben dürfen aufgrund einer EU-Verordnung nicht mehr genutzt werden.

Köln – Die Einladung klingt nach Sommerschlussverkauf. Das Black-Acid Studio an der Ritterstraße hat zumindest versucht das Beste aus der neuen EU-Verordnung zu machen. Anfang Dezember lud die Tätowiererin Laura de Baptistis dort zum „End of Colours Walk-In“ ein. „So viele Farben raushauen, wie es nur geht“, wollte de Baptistis, bevor das vorerst nicht mehr möglich ist.

Seit Dienstag verbietet die sogenannte Reach-Verordnung der Europäischen Union nämlich den Einsatz etlicher Inhaltsstoffe, die in den Farben von Tätowierungen zum Einsatz kommen. Einige der enthaltenen Chemikalien seien bisher nicht ausreichend erforscht, andere sogar gefährlich, so lautet die Begründung für das Verbot.

Kein Verständnis vonseiten der Tätowierer

Rund zwei Drittel aller Tattoofarben dürfen deswegen nicht mehr genutzt werden. Im nächsten Jahr soll darüber hinaus ein weiteres Verbot kommen: bestimmte blaue und grüne Farbpigmente verschwinden dann ebenfalls vom Markt. Laut Europäischer Chemikalienagentur stehen sie im Verdacht, krebserregend zu sein. „Für uns ist das natürlich eine Katastrophe“, sagt Tätowiererin de Baptistis.

Grundsätzlich habe sie Verständnis dafür, dass sich die Politik um die Gesundheit ihrer Bürger sorgt. Doch mit den bisherigen Tattoofarben habe sie in elf Jahren keinerlei ernsthafte Beschwerden erlebt. „Ich frage mich schon, wie die Verordnung zustande gekommen ist“, sagt sie. Auch Guil Zekri, Leiter des Tattostudios „Reinkarnation“ auf der Brüsseler Straße kann die Entscheidung der EU nicht nachvollziehen. Seit über 20 Jahren arbeitet er als Tätowierer, die Farbstoffe seien lang erprobt., „allergische Reaktionen oder gar Krebsfälle habe ich noch nie erlebt“, sagt Zekri.

De Bastitis

Die Kölner Tätowiererin Laura de Baptistis bei der Arbeit.

Dr. Gerd Kautz sieht das anders. Der Dermatologe und Referent für Lasertherapien beim Bundesverband der Dermatologen begrüßt die Entscheidung der EU: „In den Farbstoffen wurden Substanzen wie Cobalt, Chrom und Nickel verwendet. Dass diese Stoffe schädlich sind und nicht in den Körper gehören, ist wissenschaftlich belegt.“ Als Hautarzt hatte er schon oft Patienten behandelt, die mit gesundheitlichen Problemen nach einer Tätowierung zu ihm gekommen sind. „Ich habe trotzdem nichts gegen Tattoos. Man muss aber dafür sorgen, dass sie zu hundert Prozent sicher sind.“

Absehen davon, ob die Entscheidung medizinisch vertretbar ist, bedeutet sie für die Branche vor allem eins: Unsicherheit. „Die Hersteller versprechen zwar, dass sie bald neue Farben mit zugelassenen Inhaltsstoffen liefern können, doch bisher habe ich noch keine bekommen“, sagt Tätowiererin De Baptistis.

Ab wann genügend neue Farben für alle Tattoostudios zur Verfügung stehen, sei unklar. Vorerst könne sie nur schwarze Tattoos anbieten. Kunden, die bunte Motive auf ihrer Haut haben möchten, müsse sie vertrösten. Bunte Großprojekte, die viel Zeit in Anspruch nehmen, musste de Baptistis wegen dem Verbot sogar unterbrechen.

Zweiter wirtschaftlicher Schlag nach Corona befürchtet

Zwar hoffe sie darauf, dass bald neue Farbtöne verfügbar seien, damit die Arbeit weiter gehen könne, aber wie sich mit ihnen arbeiten lässt und wie sie langfristig auf der Haut aussehen werden, könne man noch nicht sagen.

Das Verbot schränkt die Tätowierer aber nicht nur in ihrem künstlerischen Handlungsspielraum ein. Vor allem wirtschaftlich sei die Entscheidung der EU ein herber Schlag. „Das wird sicher auch finanzielle Einbußen nach sich ziehen. Und das nach einer weltweiten Pandemie, die auch die Tattoobranche hart getroffen hat.“ Tätowierer und Kunden werden durch die neue Regel schlimmstenfalls in die Illegalität gedrängt. „Es kann sein, dass sich die Menschen jetzt zu Hause von jemanden tätowieren lassen. Und da ist es fraglich, unter welchen hygienischen Bedingungen das stattfindet“, so De Baptistis.

Skepsis gegenüber neuen Farben

Guil Zekri vom Tattoostudio „Reinkarnation“ glaubt zwar, dass die Studios bald wieder in großem Umfang auf neue Farben zurückgreifen können, trotzdem bleibt er skeptisch, was die neuen Rezepturen angeht.

Er habe schon erste Chargen neuer Farben kleinerer Hersteller ergattern können, die auch mit der neuen EU-Verordnung kompatibel sind. Er bleibt aber vorsichtig: „Wir warten lieber noch ein paar Wochen ab, bis auch die großen Hersteller neue Farben auf den Markt bringen und schieben deswegen die betroffenen Termine nach hinten.“

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Es beschäftigt ich, wie genau die neuen Farbstoffe langfristig auf der Haut wirke: „Wir haben einfach noch keine Erfahrung mit den neuen Farben und wissen deswegen noch nicht genau, wie sie funktionieren.“ Ein bisschen sei das wie mit den Impfstoffen, so Zekri. „Wir müssen da einfach auf die Wissenschaft vertrauen.“

Zumindest aber für die alten Farben hat Zekri schon eine neue Verwendung gefunden. Abgesehen von der Haut seiner Kunden bemalt er als Künstler nämlich auch Leinwände. In seinem Atelier sollen die aussortieren Tattoofarben nun zumindest seine Gemälde verschönern.