Köln – Merlin Bauer, Anfang 2021 musste der Schriftzug „Liebe deine Stadt“ über der Nord-Süd-Fahrt wegen der Sanierung des Hauses nach 13 Jahren abmontiert werden. Daraus ist die Idee zu einer „Liebe deine Stadt“-Sonderausgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“ entstanden, die am Mittwoch zum Start der Art Cologne erscheinen wird.
Genau, das war ja inmitten der heftigen zweiten Covid-Welle. Das war auch für mich die größte Zäsur in meinem Leben. Der „Liebe deine Stadt“-Schriftzug ist ja für viele Kölner und Kölnerinnen eine Konstante in ihrer Stadt. Und plötzlich ist der gar nicht mehr da. Deswegen bin ich auf Ihre Redaktion zugegangen, mit dem Vorschlag, den Lesern und Leserinnen das, was da nicht mehr in der Stadt steht, als herausnehmbares Poster zu schenken.
Es gibt jetzt aber viel mehr als ein Poster. Es geht um Architektur und Demokratie.
Wir verstehen unsere Städte als Reallabore für demokratische Verfahren, die Bürgern und Bürgerinnen eine Form der Mitgestaltung bieten und Sie zu Akteuren eines funktionierenden Gemeinwesens machen. Dafür steht das Projekt „Liebe Deine Stadt“. Die Abwesenheit des Schriftzugs über die Stadt provozierte ein Gefühl des Verlustes und war zugleich ein produktiver Moment im Nachdenken über die Stadt. Das war die Initialzündung für die Idee einer Sonderausgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Anfangs beschäftigte sich „Liebe deine Stadt“ mit Kölns Nachkriegsarchitektur ...
Eigentlich ging es in dem Projekt aber schon immer um Fragen der Zukunft. Man lernt aus der Geschichte der Stadt, um Stadt für die Zukunft zu gestalten. Wir können unsere Identität nur über unsere eigenen Spuren begreifen — und daraus dann neue Ideen entwickeln.
Welchen Effekt erhoffen Sie sich von der Sonderausgabe?
Eines der drängendsten Themen ist die Frage, wie wir sozial und ökologisch umbauen. In der Ausgabe versuchen wir, diese Entwicklung mit Hilfe nationaler und internationaler Experten global zu beschreiben, und sie gleichzeitig so herunterzubrechen, dass jeder Einzelne versteht, was das für seinen Lebenszusammenhang bedeutet. Im Umfang einer Zeitungsausgabe kann das nur eine erste Anregung für die Stadtgesellschaft sein, über einen neuen Gesellschaftsvertrag nachzudenken.
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Welche Fragen sollte so eine Übereinkunft verhandeln?
Wir sollten über Architektur als eine soziale Aufgabe sprechen. Dazu müssen wir ein Inklusionsmodell entwickeln: Alle sind dabei. Was können wir zusammen bewerkstelligen, um in eine bessere gemeinschaftliche Zukunft zu gehen?
Das Projekt hat längst ein Eigenleben entwickelt, es ist schon jeder mit dabei!
Ja, das stimmt. „Liebe deine Stadt“-Arbeiten werden einerseits von Kunstsammlern und Unternehmen erworben und gleichzeitig als Tattoo von FC Fans in der Südkurve des Stadions getragen. Das Projekt hat die ganze Stadt durchdrungen. Und der „Stadt-Anzeiger“ ist eine hochfrequentierte Plattform und eine Art Versammlungsplatz der Stadt, auf dem Meinungen ausgetauscht werden und die notwendigen Diskussionen stattfinden – insofern ist das Projekt auch eine Hommage an das Medium Zeitung an sich. Daraus muss jetzt ein Gespräch entstehen, das nicht exklusiv ist, wo auch nicht die einen die Bösen und die anderen die Guten sind, sondern wir uns alle gemeinsam fragen: Wie wollen wir in Zukunft in unseren Städten leben?
Liebe Deine Stadt – Gespräch und Taschen
Mit dem Schriftzug „Liebe deine Stadt“ macht der Konzeptkünstler Merlin Bauer seit 2005 auf die Kölner Nachkriegsarchitektur aufmerksam. Die 26 Meter lange Skulptur über der Nord-Süd-Fahrt verschwand Anfang des Jahres zur Sanierung vom Dach der Schildergasse. Nun taucht das Kunstprojekt wieder auf: In Form einer von Merlin Bauer gemeinsam mit der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ konzipierten Sonderausgabe der Zeitung. An diesem Mittwoch, 17. November, erscheint sie zur Eröffnung der ArtCologne.
Anlässlich der Sonderausgabe spricht Bauer mit „KStA“-Kulturredakteur Christian Bos. Schicken Sie uns Ihre Fragen vorab per E-Mail zu: info@forumblau.de
Live dabei sein am: Donnerstag, 18. November 2021, 17.30 bis 18.30 Uhr unter:
forumblau.de/liebedeinestadt
Eine auf 1000 Exemplare limitierte „Liebe deine Stadt“-Tasche (Bike Bag) exklusiv für die Aktion, gestempelt von Merlin Bauer, kann ab sofort bestellt werden unter www.shop.ksta.de
Man könnte sagen „Kümmere dich um deine Stadt“?
Ja, es geht um Teilhabe. Es gibt ja durchaus auch Verbitterung über Dinge, die demokratiepolitisch nicht gut laufen. Aber gerade im lokalen Kontext ergeben sich Gestaltungsspielräume. Wir wollen alle, dass es unseren Kindern und Nachbarn gutgeht. Wollen hier alle zusammen ein gutes Leben haben. Das Projekt soll ein Aufruf und zugleich der Aufbruch zu einer Stadt-Debatte sein: Was kann jeder Einzelne von uns tun, um diese Welt um uns herum positiv zu gestalten?