Der Prozess um den getöteten chinesischen Koch eines Kölner Restaurants, bei dem nur noch der Torso gefunden wurde, erregte im Jahr 2019 viel Aufsehen.
Kürzlich aber hat Bundesgerichtshof das Urteil des Kölner Landgerichts bereits zum zweiten Mal einkassiert.
Die Kölner Rechtsexpertin Frauke Rostalki erklärt die Hintergründe des ungewöhnlichen Vorgangs.
Ungewöhnlich ist der Vorgang schon, aber auch kein Einzelfall. Und in diesem konkreten Fall hat der BGH auch kein Zeugnis mit der Note „ungenügend“ ausgestellt, wie es den Anschein haben kann. „Setzen, sechs!“
Das wäre der Fall gewesen, wenn der BGH zweimal denselben Fehler beanstandet hätte. Tatsächlich hat das Gericht in seiner ersten Entscheidung Zweifel am Schuldspruch angemeldet und gesagt, dass es sich eher um Körperverletzung mit Todesfolge anstatt um ein Tötungsdelikt gehandelt haben könnte. Diesem Einwand ist das Landgericht Köln nachgekommen. In seiner jetzigen Entscheidung rügt der Bundesgerichtshof die Strafzumessung, also konkret die Höhe der Strafe aus. Das sind rechtlich unterschiedliche Aspekte.
Wie peinlich ist das Ganze für die Kölner Richter?
Ich halte es grundsätzlich nicht für peinlich, unterschiedlicher Rechtsauffassung zu sein. Das betrifft zunächst das erste Urteil des Landgerichts Köln. Die Feststellung des Tötungsvorsatz ist immer eine schwierige Sache. Daher kann es durchaus sein, dass die Feststellungen des Landgerichts nicht ausgereicht haben, um den BGH von einem Tötungsdelikt zu überzeugen. Auch bei der zweiten Entscheidung hielte ich es verfehlt, zu sagen dass die Beanstandung durch den BGH peinlich für die Kölner ist. Der Strafrahmen kann aus meiner Sicht sehr wohl ausgeschöpft werden. Wenn also das Landgericht ursprünglich von einer anderen Ausgangsstrafe ausgegangen war, um dann im mittleren Bereich des Strafrahmens zu landen, halte ich das nicht für prinzipiell falsch.
Kann das Ganze auch ein Kräftemessen zwischen den Instanzen sein?
Grundsätzlich ist das möglich. Was die Strafzumessung angeht, fällt in der Tat auf, dass der BGH in den letzten Jahren immer häufiger von dem Prinzip abweicht, dass die Strafzumessung Sache des Richters und dass die Revisionsinstanz hierüber nicht zu befinden hat. Man könnte die jüngste Entscheidung des BGH also insofern als Kräftemessen interpretieren, als dass das höherrangige Gericht nun eben auch die Strafzumessung der Vorgang ganz besonders kritisch prüft.
Bei unterschiedlichen Auslegungen gilt immer „Ober schlägt Unter“?
Ja, absolut. Der Bundesgerichtshof ist die Revisionsinstanz. Ihr ist Folge zu leisten.
Zur Person
Foto: Csaba Peter Rakoczy
Frauke Rostalski, geboren 1985, ist geschäftsführende Direktorin des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität zu Köln. Im Januar 2018 wurde sie dort auf den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung berufen.
Rostalski studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und promovierte dort von 2009 bis 2011. Im Anschluss an ihre zweite juristische Staatsprüfung 2013 verbrachte sie Forschungsaufenthalte an der Nanjing Universität (China) und der Seoul Universität (Korea). 2017 promovierte sie auch im Fach Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. (jf)
Wenn Sie entscheiden müssten: Wer hat recht, Köln oder Karlsruhe?
Ich kenne nicht alle Erwägungen. Deshalb maße ich mir hier kein Urteil an. Allerdings habe ich prinzipiell Sympathien dafür, den Strafrahmen vollständig auszunutzen – und auch mögliche höhere Strafen zu verhängen, wie das Landgericht es getan hat. Ich denke aber auch, dass es für den Angeklagten und die Rechtsgemeinschaft wichtig ist, dass alle Erwägungen zugunsten einer schärferen Strafe im Urteil transparent sind. Heißt: Wenn es sie gab, hätte das Landgericht sie darlegen müssen. Allein aus dem Fehlen einer solchen Darlegung lässt sich nicht auf ein fehlerhaftes Urteil schließen.