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US-GesundheitspolitikKölner Professor fürchtet: „Die Todesraten werden steigen“

Lesezeit 5 Minuten
US Präsident Donald Trump sprcht auf einer Pressekonferenz.

Will aus der WHO austreten und hat vielen internationalen Hilfsprogrammen den Geldhahn zugedreht: Donald Trump.

US-Präsident Trump kehrt der WHO den Rücken und bringt mit Robert F. Kennedy Jr. einen Impfgegner und Wissenschaftskritiker ins höchste Amt des Gesundheitsschutzes. Wie das auch hier spürbar wird.

Herr Professor Rybniker, US-Präsident Donald Trump hat den Ausstieg aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angeordnet. Welche Folgen wird das haben?

Jan Rybniker: Die gesundheitspolitische Neuausrichtung der Trump-Regierung wird insbesondere die Länder mit den niedrigsten Einkommen hart treffen. Die WHO unterstützt seit Jahrzehnten riesige und durchaus erfolgreiche Präventions-Programme unter anderem gegen die drei wichtigen Infektionskrankheiten: HIV, Malaria und Tuberkulose. Diese Krankheiten grassieren gerade in den ressourcenarmen Regionen der Welt. Allein die Tuberkulose tötet jedes Jahr mehr als 1,2 Millionen Menschen. Wenn diese Programme nun beschnitten werden, hat das sofort Auswirkungen, die Todesraten werden steigen.

Warum fordert weniger Geld sofort mehr Tote?

Weil man mit aufwändigen Programmen betroffene Patienten identifizieren und diese dann mit teilweise teuren Medikamenten behandeln muss. Das erfordert viel Personal, das diese Länder nicht selbst bezahlen können. Wenn die Erkrankten aber künftig gar nicht diagnostiziert werden, stecken sie immer weiter Menschen an. Das Problem potenziert sich also sofort.

Wir haben das auch nach der Corona-Pandemie festgestellt. Damals hat man Personal aus den Tuberkulose-Programmen abgezogen, weil man es für den Kampf gegen Covid brauchte. Sofort stieg die Zahl der Tuberkulose-Opfer.

Innere Medizin I
Prof. Jan Rybniker, Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln.

Professor Jan Rybniker ist Oberarzt für Innere Medizin an der Uniklinik Köln.

Der WHO-Austritt ist angekündigt, es gibt aber quasi eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Sind trotzdem schon Auswirkungen spürbar?

Ja, vor allem, weil Trump ja auch anderen Hilfsorganisationen den Hahn abgedreht hat: US-Aid zum Beispiel oder der Aids-Hilfe Pepfar, die interessanterweise Trumps republikanischer Vorgänger Präsident George Bush vor gut zwanzig Jahren gründete. Wir stehen in Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in Afrika, die für diese Programme arbeiten. Von ihnen hören wir, dass dort Mitarbeiter angehalten werden, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Es gibt deshalb schon jetzt Patientinnen und Patienten, denen die nötigen Medikamente nicht mehr verabreicht werden können. Das wird uns im Kampf gegen Aids massiv zurückwerfen. Aber auch was die WHO betrifft: Allein durch die Ankündigung, den Geldhahn zuzudrehen, entsteht Chaos. Und Chaos können wir gerade in der jetzigen globalen Lage nicht brauchen.

Hat Trumps Agieren auch Auswirkungen auf Europa?

Indirekt natürlich. Schließlich leben wir in einer globalisierten Welt. Viren scheren sich nicht um Grenzen. Und natürlich führen schlechte Gesundheitsbedingungen in einkommensschwachen Ländern auch zu mehr Armut. Jahrzehntelang hat man nun versucht, die Lebensbedingungen und medizinische Versorgung der Menschen in diesen Ländern zu verbessern. Wenn wir damit aber aufhören und Gesundheits- und Entwicklungshilfeprogramme zurückfahren, werden sich mehr Menschen auf den Weg nach Europa und Nordamerika machen.

Was bedeutet eine Schwächung der WHO im Kampf gegen eine mögliche neue Pandemie?

Wir werden schlechter vorbereitet sein auf eine neue Pandemie, von der wir ausgehen, dass sie früher oder später kommen wird. Die WHO ist quasi die einzige Organisation, die in der Lage ist, alle Länder an einen Tisch zu bringen. Nur sie kann dafür sorgen, dass wir uns vor künftigen Infektionserregern mit pandemischem Potential weltweit schützen können.

Es gab während der Pandemie allerdings auch immer wieder Kritik an der WHO. Ist die gerechtfertigt?

Kritik ist immer gerechtfertigt. Die WHO ist sicher reformbedürftig. Es ist einfach ein riesiger und schwerfälliger Apparat. Während der Pandemie war man beispielsweise unzufrieden, dass die Behörde zu lange gebraucht hat, den Ernst der Lage richtig einzuschätzen und wichtige Schutzmaßnahmen zu empfehlen. Auch die Mitgliedsbeiträge der Länder müssen gerechter verteilt werden. Scheinbar hat die Trump-Regierung jedoch nicht das Interesse, die WHO mit demokratischen Mitteln zu reformieren. Das könnte man nur gemeinsam am Verhandlungstisch tun.

Welche Auswirkungen könnte ein Gesundheitsminister Robert Kennedy auch auf Deutschland haben.

Direkt hat er natürlich keinen Einfluss. Aber wenn ich sehe, dass noch ehe Robert Kennedy im Amt ist, Impfempfehlungen von amerikanischen Webseiten verschwunden sind, dann wird mir schon angst und bange.

Ein Impfkritiker als Gesundheitsminister eines so mächtigen Landes wird möglicherweise auch die Impfbereitschaft bei uns in Europa negativ beeinflussen. So etwas stiftet Verwirrung, aber gerade beim Impfen brauchen wir klare Linien und Empfehlungen. Insofern könnte uns ein Robert Kennedy im Kampf gegen potenziell tödliche Krankheiten zurückwerfen. Das besorgt uns extrem. Schon jetzt sind die Impfraten in Deutschland zu niedrig.

Nun sind viele WHO-Experten und Forscher selbst Amerikaner. Hören Sie von dieser Seite Protest?

In der Tat. Die USA sind ein extrem forschungsstarkes Land, auch im Gesundheitssektor. Vor der Wahl haben sich mehr als 80 US-amerikanische Nobelpreisträger gegen einen Präsidenten Trump ausgesprochen – was ja bekanntlich nichts genützt hat. Jetzt haben wir eher den Eindruck, dass sich viele amerikanische Wissenschaftler in Schockstarre befinden. Wir hören aber, dass sie in höchstem Maß besorgt sind. Viele treibt tatsächlich auch die Frage um, ob es für bestimmte Themen, die Trump nicht in die Agenda passen, in Zukunft noch Forschungsgelder geben wird. Kollegen auf einem US-Kongress haben vor kurzem berichtet, sie wissen nicht einmal, ob ihre Rückreise in ihre Heimatstadt noch bezahlt wird. Viele Ausgaben für Forschungsprojekte scheinen jetzt schon gestoppt und geprüft zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich Gesellschaft und Politik in Deutschland nun umso mehr für den Schutz einer freien und unabhängigen Wissenschaft einsetzen müssen.