Rath-Heumar – Lange Jahre galt der beschauliche Vorort zwischen Göttersiedlung und Gestüt Röttgen – nur getrennt durch Autobahn und Straßenbahntrasse – am Rande des Königsforsts als heile Welt. Er war irgendwie autark, es gab Läden aller Art, dazu reichlich Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe. Und immer wieder war zu hören: „Wir brauchen gar nicht in die Großstadt, nach Köln, zu fahren. Wir haben doch alles hier bei uns.“ Das Vereinsleben funktioniert bestens – von Sportvereinen bis Schützenbruderschaft – und alle paar Wochen wird irgendwo im Veedel groß gefeiert.
Der Reigen reicht von Musik- und Schützenfest, Wein- und Herbstfest bis hin zu Handwerker- und Weihnachtsmarkt. Doch inzwischen fürchten manche alteingesessenen Bürger, dass die heile Welt erste Risse bekommt. So ist ein schleichender Abstieg an der Rösrather Straße zu beobachten, die jahrzehntelang als die Geschäfts- und Lebensader des Veedels galt. Alte Fachgeschäfte haben in den vergangenen Monaten schon geschlossen oder wollen bis zum Jahresende den Verkauf einstellen, weil die Inhaber das Rentenalter erreicht haben. Es fehlt der Nachwuchs, junge Leute, die diese Geschäfte übernehmen oder mit modernen Sortimenten auffüllen.
So hatte der ehemalige Talentproben-Moderator Linus, der eigentlich Michael Büttgen heißt und an der Rösrather Straße unter dem Namen „Königslust“ zwei Läden mit Antiquitäten, Kunst und Kuriositäten betreibt, schon vor Jahren gemahnt: „Diese Straße bleibt als zentraler Einzelhandels- und Dienstleistungsstandort in Rath-Heumar weit unter ihren Möglichkeiten“, sagte er. Lege man die Kaufkraft im Stadtteil zugrunde, so könnte die Rösrather Straße ein „belebter und beliebter Ort“ sein, der junge Familien mit Kindern ebenso anziehe wie die Mittelschicht der Gesellschaft und Senioren.
Stattdessen dominiere tagtäglich „ein ungeordnetes und mitunter chaotisches Verkehrsbild. Hier fahren auf dem Weg von Rösrath oder Bergisch Gladbach und zurück täglich mehr als 10 000 Autos vorbei“ – und nicht eins halte an. Dabei habe man ausreichend Parkmöglichkeiten im Ort, und die seien im Vergleich zu den Nachbarstadtteilen sogar noch kostenlos. Doch in den Abendstunden und an Samstagen sei ab 13 Uhr tote Hose im Veedel.
Büttgens Ideen und Vorschläge für Verbesserungen im Veedel und eine attraktivere Gestaltung der Rösrather Straße waren auch bei den Kalker Bezirksvertretern angekommen. Ergänzt um Ergebnisse aus Bürgerbefragungen, aus Gesprächen mit der IG Rath-Heumar und der Arbeitsgemeinschaft der Ortsvereine hatten SPD und CDU der Verwaltung einen Forderungskatalog mit auf den Weg gegeben. In einem ersten Schritt sollten kurzfristig Maßnahmen zur Entrümpelung der Rösrather Straße und zur Verbesserung des verkehrlichen Miteinanders besprochen und umgesetzt werden, dann gelte es, Verbesserungen der Verkehrssituation zu prüfen, denn schließlich müssen die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern, vom Anliefer- und Durchgangsverkehr überdacht und umgeplant werden.
Anregungen, mit denen sich die Stadtverwaltung zum Ärger der Bezirksvertreter bis heute nicht einmal ernsthaft befasst hat. „Diese Missachtung der Wünsche von Bürgern und Kommunalpolitikern ist auch mit ein Grund, dass ich mein Amt zum Ende der Wahlperiode aufgeben werde“, sagt Bezirksbürgermeister Marco Pagano, der selbst mit Familie in Rath-Heumar wohnt und den Stillstand an der Rösrather Straße nicht nachvollziehen kann.
Doch viele Sachen funktionieren richtig gut im Doppelvorort, bei dem sich das Leben vorrangig in Rath abspielt. Kaum einer der dort lebenden Menschen nennt sich „Heumarer“, aber viele bezeichnen sich als Rather. Durch die Eingemeindung von Porz 1975 ist das zuvor zur Stadt Porz gehörende Heumar – daran erinnert heute noch der längst stillgelegte Bahnhof Porz-Heumar – mit Rath zusammengelegt worden. Mitgebracht hat Heumar eine zweite Grundschule (an der Forststraße), die Cornelius-Pfarrkirche mit ihren Wallfahrten, der daneben liegende Alte Turm als letztes Fragment der ersten Kirche, die schon 1147 urkundlich erwähnt wurde, und eine Löschgruppe der Freiwilligen Feuerwehr. Und die ist inzwischen an allen Festen im Veedel beteiligt.
Denn auch das macht den Stadtteil aus: Wenn ein Verein ein Fest veranstaltet, machen die anderen mit, unterstützen bei Organisation und Durchführung. Man kennt sich, man hilft sich. Da hat das Hohelied vom „Veedel“ der Bläck Fööss, in dem man zusammenhält, noch seine Berechtigung. Das spürt auch deren Gitarrist Günter Antonius Lückerath, den alle nur „Bömmel“ rufen. Geboren und aufgewachsen in Rath, bringt er sich in das Alltagsleben in seinem Stadtteil ein. Von Anfang an gehörte er zu den Organisatoren des Rather Musikfestes, das in diesem Jahr zum 23. Mal stattfand, und bei dem er auch stets auftritt, zudem veranstaltet er beim Schützenfest einen Dorf-Abend und besucht regelmäßig die beiden Grundschulen, um mit den Pänz kölsche Lieder zu singen.
Dazu engagiert sich Lückerath im „Kulturkränzje“, einem lockeren Stammtisch, der die Geschichte des Veedels aufarbeiten und nachvollziehbar machen will. Dabei ist es durchaus auch eine Art Expertengremium, denn fast alle Mitbegründer kommen aus Familien, die seit fünf oder mehr Generationen „im Dorf“ ansässig sind.
Zahlreiche der überlieferten Legenden, Anekdoten und märchenhaften Geschichten des Stadtteils hat das Kulturkränzje inzwischen in sechs Büchern verewigt. Fortsetzungen sind in Vorbereitung. Zudem haben die Mitglieder einen Kulturpfad erarbeitet, der zu 32 Bau- und anderen Denkmälern im Stadtteil führt.
Ein städtebauliches Highlight ist die Göttersiedlung am Rande des Königsforstes mit ihren markanten und unter Denkmalschutz stehenden Doppelhäusern. Sie ist in der Zeit von 1920 bis 1923 auf einem rund 50 Hektar großen Baggerfeld entstanden. Damals hatte die „Siedlungsgenossenschaft Eigenheim Königsforst“ in jedem Jahr rund 20 Häuser errichtet – vorzugsweise für Beamte und deren Familien.
Die Straßen wurden nach germanischen Göttern benannt: Donar, Wodan, Freya oder Baldur. Und so mancher Bürger hofft, das auch künftig die germanischen Gottheiten weiterhin ihre schützenden Hände über den Stadtteil legen werden.
Die Geschichte des Stadtteils Rath-Heumar
Das Gebiet rund um das heutige Rath-Heumar war schon in der Steinzeit bewohnt, wie Funde von Faustkeilen und Grabhügelfeldern östlich des Mauspfades belegen. Seit dem Mittelalter gehörten die Dörfer Heumar und Rath zum Amt Porz im Herzogtum Berg. Mit der Neugliederung der Verwaltung nach französischem Vorbild im Jahr 1808 kamen sie zur Bürgermeisterei Merheim und waren seit 1815 Teil des Königreichs Preußen.
Die Menschen lebten von Ackerbau, Viehzucht und Forstwirtschaft. Rittergüter wie Maarhäuser und Durchhäuser Hof, um die sich kleinere Häuser gruppierten, bestimmten das Ortsbild. Die Rather Burg – im 19. Jahrhundert durch einen Brand zerstört – war eine Wasserburg. Erhalten sind Reste des Grabens und die Kapelle an der Lützerathstraße.
Seit Jahrhunderten ist das Dorf als Wallfahrtsort bekannt. Besonders zum Patronatsfest im September zogen Prozessionen zum heiligen Cornelius, dessen Reliquien in der Kirche aufbewahrt sind. Die Pilger riefen den Heiligen gezielt um Fürbitte bei Epilepsie und Nervenleiden an.Rath wurde mit Kalk 1910 in die Stadt Köln eingemeindet, Heumar ging an Porz und kam erst mit der NRW-Gebietsreform 1975 nach Köln, wo es mit dem zum Stadtbezirk Kalk gehörenden Rath zu einem Doppelvorort zusammengelegt wurde. (NR)
Die Baustellen des Stadtteils Rath-Heumar
Die wohl größte Baustelle im Doppel-Vorort ist die Rösrather Straße, obwohl dort schon seit Jahren eigentlich gar nichts gebaut oder verbessert wird. Aber Bürger und Politiker sind mit dem aktuellen Erscheinungsbild unzufrieden. Allerdings scheint die Verwaltung das Problem auszusitzen. Alle Ideen und Vorschläge sind bislang unbearbeitet und unbeantwortet in irgendwelchen Schreibtisch-Schubladen verschwunden. Problematisch ist die Situation des Sportvereins RSV Rath-Heumar, der seit Jahren auf den Umbau des Aschenplatzes zu einem Kunstrasenplatz wartet. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, hat der Verein Ideen entwickelt: Auf dem Sportgelände soll eine Halle für die Handballabteilung gebaut werden. Die könnte von Schulen und anderen Vereinen mitgenutzt werden. Damit wär man gleich in einer anderen Liga, heißt es. (NR)