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Veedels-CheckWarum Köln oft familienunfreundlich ist

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Mutter im Kölner Volksgarten

Köln – Die Stadt Köln wächst – nicht nur durch Zuzug, sondern auch, weil immer mehr Kinder geboren werden. Ist Köln besonders kinder- und familienfreundlich? Gerade erst hat Köln das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ erhalten. Damit würdigt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, einen Aktionsplan der Stadt, Köln kinder- und jugendfreundlicher zu machen. Unbestritten ist: Wer will, dass es Kindern besser geht, muss sich auch um ihre Familien kümmern. Auf einem Spielplatz im Volksgarten haben Eltern aus ihrem Alltag erzählt.

Wie läuft es für Kölner Eltern mit der Suche nach einem Kita-Platz?

„Die Suche nach einem geeigneten Platz ist einfach nur eine Katastrophe“, meint Tasmina Schäuble (29). Lange fanden sie und ihr Mann Julian aus Raderberg keinen Kita-Platz, behalfen sich stattdessen mit einer Tagesmutter. „Da haben wir aber keine Angebote von der Stadt bekommen, sondern mussten in sozialen Netzwerken suchen“, sagt Julian Schäuble, der als Kinderarzt in Köln arbeitet. „Das hat uns sehr geärgert. Auf 50 Anfragen kam eine positive Antwort.“

Inzwischen hat das Paar nach langer und nervenaufreibender Suche eine privat geführte Tagesstätte für sein Kind gefunden – aber sie bezahlen an Träger und Stadt nach eigener Auskunft ungefähr das Zehnfache wie an ihrem alten Wohnort in Berlin. „Das haben wir uns anders vorgestellt. Da überlegt man natürlich intensiver, wann der richtige Zeitpunkt für ein zweites Kind ist“, resümiert Julian Schäuble.

Nippes ist Kita-Spitzenreiter

In ganz Köln gibt es 670 Kindertagesstätten. Mit 34 Einrichtungen ist Nippes Spitzenreiter, gefolgt von Neustadt-Süd mit 28 Unterbringungsmöglichkeiten. Als einziges Veedel hat Hahnwald keine Kindertagesstätte. Und so manches Elternpaar braucht ganz schön lang zur Kita des Kindes: Über anderthalb Stunden ist Sigrid Lindner damit täglich beschäftigt, ihre Kinder zur Einrichtung zu bringen und wieder abzuholen. „Da kann man sich ja vorstellen, dass das alles andere als toll ist“, sagt die 43-jährige Nippeserin. Aufgrund der steigenden Geburtenzahlen fehlen bis zum Jahr 2025 noch 140 Kitas. 90 Einrichtungen hat die Stadt in Planung. Im Februar hatte Kölns Jugenddezernentin Agnes Klein deshalb ein Defizit von 40 Einrichtungen eingeräumt. Gleichzeitig bescheinigt sich die Stadt selbst einen Mangel an Schulplätzen und will 2018 mit fast 170 Millionen Euro deshalb fast dreimal so viel in den Ausbau und die Instandsetzung von Schulen investieren wie im Vorjahr.

Wie gut funktioniert die kinderärztliche Versorgung?

„Für Privatpatienten ist es in Ordnung, für kassenärztlich Versicherte sehr schlecht“, glaubt eine 35-jährige Mutter aus Altstadt-Süd, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Als sie kürzlich mit ihrem Kind zum Arzt wollte, habe man ihr zuerst erklärt, es gäbe keine Kapazitäten mehr. „Als ich dann sagte, dass wir Privatpatienten sind, ging es dann doch und wir haben einen Termin angeboten bekommen“, sagt die Mutter von zwei Kleinkindern.

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Die Problematik bestätigen auch die Ärzte selbst: Immer mehr von ihnen sprechen davon, an der Belastungsgrenze zu arbeiten. Ungefähr 25 Prozent aller Kinderärzte, schätzt der Landesverband der Kinder- und Jugendärzte, wird in den kommenden Jahren in Rente gehen – bei steigenden Patientenzahlen. 2016 waren 124 Kinder- und Jugendärzte in Köln gemeldet, in manchem Stadtteil kommen auf einen Kinderarzt 2000 Patienten.

Wie gepflegt und modern sind die Spielplätze?

697 Spielplätze gibt es in Köln; mit 25 Spielplätzen ist Mülheim hier Spitzenreiter der Veedel, dicht gefolgt von Ehrenfeld und Chorweiler mit je 23. Schlusslicht bilden Gremberghoven und Lind mit je einem Spielplatz. „Spielplätze und Grünflächen gibt es genug in Köln. Deswegen sind wir auch relativ oft unterwegs“, meint Serap Yoksulabakan (40) aus Neustadt-Süd, während Tochter Selmsa auf ein Klettergerüst im Volksgarten kraxelt.

Ehrenamtliche Paten betreuen Spielplätze

Mit rund 3,7 Millionen Euro hat die Stadt im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 87 dieser Anlagen saniert oder modernisiert. Mehr als die Hälfte der Spielplätze wird von ehrenamtlichen Paten betreut, die regelmäßig nach dem Rechten sehen, außerdem wird jede Anlage mindestens einmal wöchentlich „visuell inspiziert“, erklärt das Grünflächenamt. Yoksulabakan meint: „Manche Geräte könnten noch moderner sein, aber eigentlich hat Köln in Sachen Kinderfreundlichkeit größere Probleme als die Spielplätze.“