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Wahlkreis-Check Leverkusen/Köln IVLauterbach setzt auf den sechsten Sieg

Lesezeit 9 Minuten
Ein Wahlplakat von Karl Lauterbach an einem Mast Zwischen Häusern und Bäumen.

In Leverkusen seit 2005 unangefochtener Sieger im jeweiligen Ringen um das Direktmandat: Karl Lauterbach, hier auf einem Wahlplakat der SPD in Leverkusen.

Das beschäftigt den Kölner Nord-Osten: Wir stellen die vergangenen Wahlergebnisse, die Kandidaten und ihre Themen vor.

Im Kölner Nord-Osten dominiert seit 2005 der aktuelle Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Entscheidungen um das Direktmandat, fünfmal in Folge zog der 61-Jährige auf diesem Weg in den Deutschen Bundestag ein. Das will er auch bei den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar schaffen, und er geht die Sache selbstbewusst an – einen Platz auf der NRW-Landesliste der SPD hat er nicht, auf dieses Sicherungsnetz verzichtet Lauterbach. Unter den 299 Wahlkreisen in Deutschland wird der aus der Stadt Leverkusen und dem Kölner Stadbezirk Mülheim zusammengesetzte Wahlkreis als Bundestagswahlkreis 100 Leverkusen/Köln IV geführt. 2021 trug dieser Wahlkreis noch die Nummer 101. In unserem vierten und letzten Wahlkreischeck geben wir einen Überblick.

So wählte Leverkusen/Köln IV bisher – zuletzt 45,6 Prozent für Lauterbach

Seit 2005 war nie die Frage, wer gewinnt, sondern stets, wie hoch Karl Lauterbach gewinnt: 2005 bekam er 48,6 Prozent der Erststimmen. 2009 waren es 37,1 Prozent, 2013 dann 41,4 Prozent, 2017 mit 38,5 Prozent wieder unter 40 Prozent und 2021 holte der im heutigen Düren geborene promovierte Mediziner und beurlaubte Universitätsprofessor mit 45,6 Prozent sein bisher zweitbestes Ergebnis. Das bedeutete einen Vorsprung von 25 Prozentpunkten auf die CDU-Kandidatin Serap Güler. Diese zog über die Landesliste ihrer Partei ebenso wie Nyke Slawik von den Grünen dennoch in den Deutschen Bundestag ein.

Slawik tritt jetzt erneut gegen Lauterbach an, 2021 lag sie über 30 Prozentpunkte zurück. Güler hat den Wahlkreis gewechselt und will versuchen, Köln I im Süd-Osten der Stadt von der SPD-Direktkandidatin Sanae Abdi für die CDU zurückzuerobern. 2021 gewannen mit Lauterbach, Rolf Mützenich (Köln III) und Sanae Abdi (Köln II) drei Kandidaten der SPD die Kölner Direktmandate. Köln II ging an Sven Lehmann von den Grünen.

Das ist in Leverkusen/Köln IV bei den Wahlen 2025 zu erwarten

Alles andere als ein Sieg Lauterbachs wäre eine Überraschung, auch wenn der Bundestrend nicht für seine SPD spricht. Schon 2021 lag die SPD in Leverkusen/Köln IV bei den Zweitstimmen mit 29,1 Prozent deutlich hinter den Erststimmen für Lauterbach (45,6 Prozent) zurück. Diesmal könnte Lauterbach Prognosen zufolge allerdings das einzige Kölner Direktmandat für die SPD holen.

Damals waren 209.102 Menschen im Kölner Nord-Osten wahlberechtigt, 73,7 Prozent gingen wählen, etwas weniger als im Bundesdurchschnitt (76,4 Prozent). Im Kölner Teil des Wahlkreises sind diesmal 93.457 Menschen wahlberechtigt. Mit 21,856 Prozent stellt die Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen den größten Wähleranteil. 8,648 Prozent der Wahlberechtigten sind zwischen 18 und 24 Jahren, 16,596 Prozent sind 70 Jahre und älter.

Das beschäftigt Köln IV: Krankenhaus Holweide und Mülheimer Brücke

Sanierungsstau bei den Brücken gibt es im ganzen Land, auch an jenen in Leverkusen und Mülheim. Der Neubau des zweiten Teils der Leverkusener Rheinbrücke soll im Februar 2028 eröffnet werden. Die Wiederaufnahme des Stadtbahnverkehrs auf der Mülheimer Brücke wird sehnlichst erwartet und soll frühestens Anfang Juli erfolgen. Wann der Autoverkehr auf ihr wieder komplett rollen kann, steht in den Sternen, dazu informiert die Stadt aktuell nicht im Detail.

Viel diskutiert ist in Leverkusen die nötige Sanierung der Megastelze der A1 und der Ausbau des Kreuzes Leverkusen. Der Leverkusener Stadtrat und Lauterbauch fodern eine Tunnel-Lösung. Ein Thema ist auch die künftige Bedeutung des Bahnhofs Köln-Mülheim auf der wichtigen Strecke zwischen Köln und Düsseldorf. Er solle „Regionalbahnhof bleiben und nicht zum S-Bahnhof degradiert werden“, fordert etwa Nyke Slawik von den Grünen.

Große Veränderungen stehen im nächsten Jahrzehnt dem Krankenhaus Holweide bevor. Die Stadt Köln will es laut Ratsbeschluss vom Sommer 2023 nach der Zusammenlegung seiner drei Standorte Amsterdamer Straße, Holweide und Merheim am neuen Gesundheitscampus Merheim schließen. Lauterbach fördert mit seiner Klinikreform auf Bundesebende eigentlich die Schließung von Kliniken im Land zugunsten einer größeren Konzentration und Spezialisierung, im Fall von Holweide setzt er sich aber für den Erhalt als Grundversorger ein.

Beim bundesweiten Bemühen, wichtige Industrie-Arbeitsplätze zu erhalten und die deutsche Wirtschaft anzukurbeln, spielen auch die in Leverkusen ansässigen Chemie-Konzerne Bayer und Covestro eine wichtige Rolle.

Neun Direktkandidaten im Wahlkreis Leverkusen/Köln IV

Im Wahlkreis Leverkusen/Köln IV treten neun Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2025 an. Die Kandidatinnen und Kandidaten der sechs Parteien, die aktuell im Bundestag vertreten sind, stellen einzeln vor. Zusätzlich auf dem Wahlzettel zu finden sind: Jörg Badura (Freie Wähler), Friedrich Jeschke (Volt), Reiner Dworschak (MLPD).

Karl Lauterbach, SPD

Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD in der Leverkusener Fußgängerzone.

Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD in der Leverkusener Fußgängerzone.

Karl Lauterbach ist seit 2005 für die SPD Mitglied im Deutschen Bundestag, fünfmal gewann der Mediziner das Direktmandat im Wahlkreis Leverkusen/Köln IV. Seit dem 8. Dezember 2021 ist der 61-Jährige Bundes-Gesundheitsminister – und das würde er gern bleiben. Sein Mandat übe er „mit Leidenschaft und weiterhin vielen Zielen“ aus, sagt Lauterbach: „Den Einstieg, das Gesundheitswesen nachhaltig und irreversibel zu reformieren, haben wir geschafft. Aber der Reformstau, den ich als Gesundheitsminister geerbt habe, ist noch nicht vollends aufgelöst.“

Für seinen Wahlkreis wolle er erreichen, dass durch eine Reform der Schuldenbremse notwendige Investitionen in Schulen und Krankenhäuser, Schienen und Straßen „endlich ermöglicht werden“. Lauterbach sagt: „Wir dürfen unser Land nicht weiter kaputt sparen.“ Für Leverkusen/Köln-Mülheim will er die „Sanierung der Verkehrswege, eine Fahrplanverdichtung der Linie 4, einen zuverlässigen S-Bahn-Verkehr und eine starke Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs“ erreichen. „Das verlangt nach einer Entlastung der kommunalen Haushalte. Deshalb: Altschulden erlassen.“ Außerdem plädiert Lauterbach für den Erhalt des Krankenhauses Holweide zur Grundversorgung und einen Tunnelbau für die A1.

Siegmar Heß, CDU

Siegmar Heß, CDU-Direktkandidat für den Bundestag.

Siegmar Heß, CDU-Direktkandidat für den Bundestag.

Seit 1982 ist Siegmar Heß Mitglied in der Kölner CDU und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Nippes/Mauenheim. Der Abteilungsleiter in einer Kölner Versicherung kandidiert für den Bundestag, weil er sich laut seiner Aussage Sorgen um das Land und dessen Zukunft macht. „Die Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA wird für Deutschland massive Konsequenzen haben.“ Er will sich in seinem Wahlkreis dafür einsetzen, die Industriearbeitsplätze in Köln und Leverkusen zu erhalten und zwar durch eine „deutliche Senkung der Energiekosten, durch Leistungsanreize für alle, die hart arbeiten, und durch den Abbau der lähmenden Bürokratie, die nicht nur für die Industrie, sondern erst recht für den Mittelstand ein Riesenproblem ist“.

Heß will sich für einen Autobahntunnel in Leverkusen einsetzen. Ihn beschäftigen am meisten Wirtschaft und Sicherheit. „Eine gesunde Wirtschaft ist die Grundlage dafür, dass der Staat seinen Aufgaben nachkommen kann, denn ohne ausreichendes Steueraufkommen von Betrieben und Arbeitnehmern können Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Soziales und auch unsere Sicherheit nicht finanziert werden. Deshalb brauchen wir kurzfristig grundlegende Änderungen in der Wirtschaftspolitik.“

Nyke Slawik, Grüne

Nyke Slawik, Grünen-Direktkandidatin, in Opladen.

Nyke Slawik, Grünen-Direktkandidatin, in Opladen.

Nyke Slawik macht seit 2021 Verkehrspolitik für die Grünen im Bundestag. Sie sitzt dem Verkehrsausschuss stellvertretend vor, führte das Deutschlandticket mit ein und engagierte sich im Familienausschuss für das Selbstbestimmungsgesetz. Die Leverkusenerin trat 2009 der Grünen Jugend bei, war später zwei Jahre lang Landesvorstand der Grünen Jugend NRW und arbeitete drei Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Grünen-Landtagsabgeordneten. Heute wohnt Slawik in Köln-Mülheim und ist seit 2021 Bundestagsabgeordnete. Mit 11,3 Prozent der Erststimmen, landete sie deutlich hinter Lauterbach und Güler, zog aber über den Listenplatz elf ihrer Partei ein. Den hat sie wieder inne.

Dass Slawik ihre Mandatszeit damit verlängern kann, gilt als wahrscheinlich. Die jetzt 31-Jährige zählte vergangene Legislaturperiode zu den jüngsten Abgeordneten. Sie kandidiere erneut, um jungen Menschen im Bundestag eine Stimme zu geben. Und sie will sich weiter starkmachen für „bezahlbare Mobilität, Selbstbestimmung, echten Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit.“ Zum Beispiel durch weniger Nachtfluglärm des Flughafens Köln/Bonn, in dessen Einflugschneise ihr Wahlkreis liegt. Sie sagt: „Ich liebe die Vielfältigkeit und wehre mich gegen das Erstarken rechter Kräfte.“

Rolf Albach, FDP

Rolf Albach, FDP-Direktkandidat für den Bundestag.

Rolf Albach, FDP-Direktkandidat für den Bundestag.

Rolf Albach will für die FDP sein Labor im Leverkusener Chempark gegen einen Sitz im Bundestag tauschen. Der promovierte Forscher kandidiert nach 2017 das zweite Mal für seine Partei. Er ist umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion des Kölner Stadtrats und seit 2015 Mitglied in der Kommission für Regional- und Strukturfragen des Regionalrates Köln. Im Bundestag will der Liberale gegen eine Deindustiralisierung des Landes wirken. Das Vorstandsmitglied der Gesellschaft Deutscher Chemiker nennt es eine „Zeitbombe für eine nachhaltige Entwicklung Deutschlands, ökologisch, ökonomisch und sozial“, dass weniger junge Menschen sich für Ingenieur- und Naturwissenschaften interessieren würden.

Albach sagt auch: „Leverkusen und Köln brauchen alte und neue Unternehmen, die aus eigener Kraft Geld verdienen und dann Steuern zahlen - keine Bittsteller um Subventionen.“ Er will Bürokratie abbauen, für Arbeitnehmer wie Unternehmer, und die Zusammenabreit in Europa mit offnen Grenzen des Scengen-Abkommens fördern. Und der 61-Jährige will „Verteilungskämpfe“ zwischen den Generationen verhindern. Er sagt, ändere sich nichts, seien 2035 Wirtschaft und Arbeitnehmer mit Steuern, Rente und Krankenversicherung überfordert.

Yannick Noe, AfD

Yannick Noé, AfD-Direktkandidat für den Bundestag, vor dem Museum Schloss Morsbroich.

Yannick Noé, AfD-Direktkandidat für den Bundestag, vor dem Museum Schloss Morsbroich.

Für die AfD kandidiert im Kölner Norden Yannick Noe. Er ist seit der Kommunalwahl 2020 Vorsitzender der AfD-Fraktion im Leverkusener Stadtrat und der Landschaftsversammlung Rheinland. Noe sitzt seit 2016 dem Kreisverband Leverkusen seiner Partei vor. Der studierte Historiker trat bereits 2014 in die AfD ein, als er 18 Jahre alt war. In Berlin will er sich für „die Belange unserer Kommunen und eine andere Kulturpolitik einsetzen.“ Der 29-jährige Vater von drei Kindern kritisiert, dass es seiner Meinung nach einen „Kulturkampf“ gebe, der gegen nach seiner Aussage „deutsche Traditionen“ gehe, „insbesondere gegen das traditionelle Familienbild.“

Auch braucht es laut Noe eine „andere Industrie- und Energiepolitik“ , damit seine Kinder später gute Berufschancen hätten. Wie die ausfallen soll, lässt er offen. Für seinen Wahlkreis, sagt Noe, sei zudem eine „Wende in der Migrationspolitik“ von Bedeutung. Wie die Kommunalpolitiker der anderen Leverkusener Parteien will auch Noe, dass die Autobahnen 1 und 3 über einen Tunnel und nicht eine Stelze in seiner Stadt ausgebaut werden. Auf der Landesliste für Nordrhein-Westfalen seiner Partei erhielt er Listenplatz 31, einen Rang, der den Einzug in den Bundestag für Noe unwahrscheinlich macht.

Vedat Akter, Die Linke

Vedat Akter, Linken-Direktkandidat für den Bundestag.

Vedat Akter, Linken-Direktkandidat für den Bundestag.

Vedat Akter, geboren in der Türkei und mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen, setzt sich für Kinder- und Menschenrechte und gegen Rassismus ein. Für die Linken ist der Vater von drei Kindern Sachkundiger Bürger im Wirtschaftsausschuss des Kölner Stadtrats und zudem im Vorstand der Kölner Linken tätig. Für den Bundestag kandidiere er, „weil ich als ein Mensch mit Migrationsgeschichte weiß, wie wichtig es ist, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft in den politischen Entscheidungsgremien abgebildet wird“. Er sagt: „Wir dürfen uns nicht von Populisten und anderen Parteien im Bundestag manipulieren lassen, die Migranten als Sündenböcke für ihre seit Jahrzehnten verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik präsentieren. “

Akter fordert, dass Städten und Gemeinden große Teile ihrer Schulden erlassen werden. Und: „Leistungen der Daseinsvorsorge wie Gesundheit, Wohnen, Bildung, Energie gehören wieder in die kommunalen oder genossenschaftlichen Hände und müssen endlich der Gier der ungezügelten Märkte entzogen werden“, so der studierte Volkswirt. Ziel müsse sein, „dass die Lebensbedingungen innerhalb der Städte sich angleichen, dass Buchheim genauso lebenswert ist wie Dellbrück“. Die Frage der sozialen Ungleichheit müsse auf die Agenda.