AboAbonnieren

Probandin berichtetWie es sich anfühlt, für die Weltraumforschung in Köln 30 Tage im Bett zu liegen

Lesezeit 4 Minuten
Die Probanden der Bettruhestudien im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln müssen bei sechs Grad Neigung ihres Bettes Tests durchführen.

Die Probanden der Bettruhestudien im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln müssen bei sechs Grad Neigung ihres Bettes Tests durchführen.

Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln führt aktuell wieder eine Bettruhestudie durch. Angelina nahm am vorherigen Experiment teil: So hat sie die Zeit erlebt.

Angelina hat erlebt, wie es ist, „terrestrische Astronautin“ zu sein. So nennen Esa und Nasa die Probanden von Bettruhestudien im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Köln. Angelina, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, lag 30 Tage lang mit ihrem Kopf niedriger als die Füße. Für eine Entschädigung von 11.000 Euro. Und für die Wissenschaft.

Das klingt unangenehm, aber Angelina schreckte es nicht ab. Sie berichtet von ihrer Zeit beim DLR im Frühjahr des vergangenen Jahres: Die ersten Nächte sei sie am Ende des Bettes zusammengekauert aufgewacht und habe tagsüber unter Kopfschmerzen gelitten. Vier Wochen des Experiments zur Auswirkung von Schwerelosigkeit auf die Augen lagen da noch vor ihr. Aber die 33-Jährige habe nach vier Tagen einen Wendepunkt erlebt: Dann habe sich ihr Körper auf die neue schiefe Position eingestellt. „Man gewöhnt sich erstaunlich schnell daran“, sagt sie.

Angelina war „terrestrische Astronautin“ für Esa und Nasa

Wieso begab sich Angelina überhaupt in diese Position? Das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin führt regelmäßig Studien auf dem Gelände des DLR in Porz durch, vor allem für die Esa und die Nasa. Sie testen in Köln, wie sich die Schwerelosigkeit auf den Menschen auswirkt, um Astronauten auf Flüge zum Mond und Mars vorzubereiten. Weil in Köln aber nun mal Schwerkraft herrscht, war Angelinas Bett um sechs Grad geneigt: So verschieben sich die Flüssigkeiten im Körper ähnlich wie im Weltall.

Probandin Angelina liegt mit Sonnenbrille und im Nasa-Tshirt während der Stuide im Bett und hat ein Selfie gemacht.

Probandin Angelina berichtet, wie es ist, an einer Bettruhestudie für die Weltraumforschung teilzunehmen.

„Ich habe gar nicht gedacht, dass ich ausgewählt werde“, sagt Angelina. Sie gibt zu, sich zunächst schon über den medizinischen Rundum-Check während des Bewerbungsprozesses gefreut zu haben. Das spart Facharzttermine. Als es ernster wurde, habe sie sich zum ersten Mal mit dem All befasst. „Man empfindet einen großen Respekt für Astronauten, wenn man sich klarmacht, wie diese Menschen ihr Leben den Erkenntnissen über den Weltraum widmen und opfern.“

Ärzte begleiten die Probanden im Kölner Institut intensiv

Und die Studienteilnahme hat Angelina auch beruflich auf neue Interessen gestoßen. Die Juristin habe angefangen, sich mit Weltraumrecht zu befassen. Weil sie sich in der Vorbereitung aufs Staatsexamen in ihrem Jurastudium befand, konnte die Probandin es auch mit ihrem Alltag vereinbaren, inklusiv Vor- und Nachbereitung zwei Monate an der Studie teilzunehmen. Im Gegensatz zum monate- bis jahrelangen anspruchsvollen Lernen für die Prüfung sei ihre Zeit im DLR eine willkommene Abwechslung gewesen.

Eine Unbekannte bleibt trotz der ausführlichen Vorbereitung des Studienteams: Das, was auf mich zukam, hat ja noch nie jemand vorher gemacht.
Angelina (33), Probandin der vorherigen Bettruhestudie im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum

Einmal körperlich im Astronauten-Modus angekommen, habe sich Angelina der neuen Fremdtaktung der Studie hingegeben. „Man muss sich vorher bewusst sein, dass man einen Freiheitsverlust hat, und sich darauf vorbereiten, das körperlich und mental durchzustehen“, sagt Angelina. „Wirklich alles ist vorgegeben, was du trinkst, wie viel du trinkst, was du isst und wann.“ Die Probanden begleitet ein Team aus Ärzten verschiedener Fachbereiche sowie Psychologen. „Eine Unbekannte bleibt trotz der ausführlichen Vorbereitung des Studienteams: Das, was auf mich zukam, hat ja noch nie jemand vorher gemacht.“

Wie man sich die Zeit über 30 Tage im Bett liegend vertreibt, wenn man nicht gerade für ein Staatsexamen zu lernen hat, muss man sich laut Angelina gar nicht stellen. Viel Freizeit zwischen all den Tests gebe es gar nicht. Dann konnte sie mit den anderen Probanden über ein Telefon am Bett sprechen, am Bildschirm Schach spielen oder ihr Bett in die anderen Zimmer schieben lassen, um gemeinsam einen Film zu schauen. Kontakt zu den anderen Teilnehmern hat Angelina noch immer, einige aus ihrer Gruppe seien sogar zusammen in den Urlaub gefahren.

Aktuelle führt das Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin weitere Bettruhestudie in Köln durch

Auch aktuell liegen in dem Institut wieder Probanden der Schieflage für eine neue Bettruhestudie. Diesmal sogar 60 Tage lang. Die Mediziner erforschen die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Sensomotorik. „Wenn Astronauten im All sind, lässt zum Beispiel die Hand-Augen-Koordination nach“, sagt Recruiterin Kim Köllen. „Wir wollen testen, wie wir dem entgegenwirken können, dass im All Sinne etwas verarbeiten, aber die Motorik langsamer antwortet.“ Köllen wählte dafür erneut zwölf Personen aus – beworben hatten sich 4000 Menschen.