Fast jeder dritte muslimische Extremist aus NRW lebt in Köln und Umgebung.
Gefährder während der EMWie Kölner Sicherheitsbehörden Extremisten im Blick halten
Die Sicherheitslage in Köln ist wie so oft: angespannt. Die Fußballeuropameisterschaft läuft. Die Kölner Staatsschützer leben unter einer erhöhten Stressstufe. Nichts wäre schlimmer, als dass einer aus dem Kreis der mehreren Dutzend gelisteten islamistischen Gefährder im Kölner Beritt einen Anschlag verüben würde. Kölns Leitender Kriminaldirektor Michael Esser betont: „Wir haben diese Leute im Blick.“
Weitaus größere Sorgen bereiten dem Kripochef die Einzeltäter, die unter dem Radar der Terrorabwehr agieren. Die Videobilder zur Attacke des mutmaßlichen Islamisten Sulaiman A. (25) am 31. Mai in Mannheim wirken bei den rheinischen Sicherheitsbehörden nach. Immer wieder hieb der Mann auf seine Opfer kurz vor der Kundgebung des Islamkritikers Michael Stürzenberger ein. Von hinten stach der Täter dem Polizisten Rouven L. in den Hals. Der Beamte starb einige Tage später. Mit Blick auf das sportliche Großereignis Fußballeuropameisterschaft stellt ein solcher Angriff den worst case dar.
„Der Fall ist erschreckend, aber auch richtungsweisend“, erklärt Esser. „Er zeigt, was Einzeltäter ‚nur‘ mit einem Messer in wenigen Sekunden anrichten können. Die Sicherheitsbehörden bekamen vermutlich nicht mit, wie sich der Mann radikalisierte.“
Kölner Staatsschützer fahren ihren Sicherheitsschirm hoch
Attentate unauffälliger Einzeltäter stehen auf der Liste möglicher Anschlagsszenarien der Terror-Abwehr ganz oben. Seit Jahren rufen die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ und auch Al Qaida zu Messerangriffen gegen die „Ungläubigen“ (Kuffar) auf. Ein syrischer IS-Anhänger wurde kürzlich zu einer lebenslangen Haftstrafe in Duisburg verurteilt. Der 27-jährige Maan D. hatte einen türkischstämmigen Mann erstochen und vier Männer in einem Fitnessstudio schwer verletzt. „Ich wollte so viele Menschen töten wie möglich und dann als Märtyrer sterben“, erklärte D. im Prozess. Anfang Dezember 2023 starb ein deutscher Tourist durch Messerstiche eines vorbestraften Islamisten in Paris.
Vor dem Hintergrund fahren die Kölner Staatsschützer ihren Sicherheitsschirm hoch, besonders im Blick ist die extremistische Hardcore-Klientel. Zu den Details macht der Kölner Kripochef keine Angaben. Derzeit folgt aber demnach eine Gefährder-Ansprache der nächsten. In Einzelfällen hat die Polizei im Zuge der Gefahrenabwehr Betretungsverbote für die Public-Viewing-Zonen oder den Bereich rund um das Rheinenergiestadion bei Gericht beantragt.
Kölner Zuständigkeitsbereich gilt als Hotspot der islamistischen Szene
In Fallkonferenzen legt die eigens eingerichtete Gefährder-Abteilung zu aktuellen Anlässen wie der EM oder turnusmäßig die Risikostufe bei ihren „Kunden“ fest. Erkenntnisse aus Observationen werden mit Treffberichten und persönlichen Informationen zusammengeführt. Verkehrt der Kandidat weiterhin in radikalen Milieus, trifft er sich in einschlägig bekannten Moscheen wie in Kalker Taunusstraße oder in der Südstadt – diese Kriterien fügen sich zu einem Profil zusammen, das dann zu neuen Überwachungsmaßnahmen führen kann. Die Palette reicht bis zur einer vorübergehenden 24-Stunden-Observation.
Der Kölner Zuständigkeitsbereich, der vom Oberbergischen über Leverkusen, das Bergische Land bis nach Düren, Bonn oder in den Rhein-Erft-Kreis reicht, gilt landesweit als Hotspot der militanten radikal-islamischen Salafistenszene. Fast jeder dritte muslimische Extremist aus NRW lebt in Köln und Umgebung.
Hassprediger wie der Bonner Abdul Alim Hamza ziehen über ihre Online-Kanäle vor allem junge Gläubige in ihren Bann. Im Internet gilt der kosovarische Imam einer Bonner Moschee, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, als einer der Stars. Neben seinen zahlreichen Kontakten zur neuen extremistischen Prediger-Garde posiert er gerne mit dem Berliner Clan-Boss Arafat Abou-Chaker.
Im Mai fand Hamza unter seinem Auto einen Peilsender. In einem Video schimpfte der Prediger: „Ich hatte gerade mein Auto hier in der Werkstatt und was finden wir da: dieses schöne Militärding, was nicht so leicht abgeht. Zum Abhören und zum Orten des Fahrzeugs und des Fahrzeughalters. Das ist deutsche Demokratie und Rechtsstaat. Sehr schön, vielen Dank.“
Ein weiterer Protagonist, den die Sicherheitsbehörden laut Information des „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Blick halten, ist Wissam Kouli. Der salafistische Prediger war im Moscheeverein an der Kölner Eythstraße aktiv. Der Verfassungsschutz stellte bei Kouli intensive Kontakte in niederländische Islamisten-Kreise fest. So veröffentlichte er seine erzreaktionäre Weltsicht in der Vergangenheit über den radikalen niederländischen Sender Sunnah TV. Die Sicherheitsbehörden vermuten, dass er ein wichtiges Bindeglied zwischen der deutschen und niederländischen Extremisten-Szene bildet.