Zum Schutz der Menschen während der Fußball-Europameisterschaft der Männer sind hunderte Feuerwehrleute im Einsatz. Wie das Sicherheitskonzept in Köln funktioniert.
Sicherheit beim Public ViewingKölner Feuerwehr ist auf schwierige Lagen während der EM vorbereitet
Mit der Fußball-EM in Deutschland hat sich Christian Miller schon beschäftigt, als Hansi Flick den Job des Bundestrainers übernahm. Das war im August 2021. Selbst nach der WM-Pleite von Katar knapp anderthalb Jahre später durfte Miller das Thema nicht schleifen lassen, obwohl sich Ende 2022 kaum jemand vorstellen konnte, dass man mit einem Spiel der Nationalelf auch nur den Heumarkt füllen könnte. Auf Flick folgte Julian Nagelsmann. Miller machte unverdrossen weiter. Das ist sein Job.
Vor dem Eröffnungsspiel in München, das Deutschland und Schottland dort bestreiten, ist beim Leitenden Direktor der Berufsfeuerwehr und Gesamteinsatzleiter für die EM in Köln von Nervosität nichts zu spüren. Die Sicherheitsplanung ist längst abgeschlossen. Sie wurde seit 2021 Schritt für Schritt entwickelt von einem bundesweiten Arbeitskreis unter Beteiligung aller zehn Gastgeberstädte.
Für die Erarbeitung der Schutzkonzepte haben sich die Feuerwehren mit den Behörden und Organisationen abgestimmt, die Sicherheitsaufgaben übernehmen, beispielsweise mit der Polizei und den Hilfsorganisationen.
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Für alle Austragungsstädte wurden einheitliche Planungsszenarien entwickelt, die sich „an der hohen Symbolkraft und Öffentlichkeitswirkung der Europameisterschaft“ orientieren“, heißt es in einer Mitteilung des Arbeitskreises EM 2024 der deutschen Feuerwehren. Besondere Schwerpunkte lagen danach auf der Vorbereitung von Ereignissen mit vielen Verletzten und Einsätzen mit Gefahrstoffen.
Erfahrungen aus der WM 2006, aber auch von einer Bombendrohung vor einem Länderspiel fließen ins Schutzkonzept ein
„Eingeflossen sind unterschiedliche Bemessungsszenarien und die Erfahrungen, die bei der WM 2006 in Deutschland und bei der EM im Sommer 2021 gesammelt wurden“, sagt Miller. Auch Ereignisse wie die Bombendrohung vom November 2015, die in Hannover kurz vor dem Länderspiel gegen die Niederlande einging und in deren Folge das Stadion evakuiert werden musste, seien ausgewertet worden.
Als Ergebnis steht für die Euro 2024 ein Schutzkonzept mit bundesweit einheitlichen Standards. „In einer Gefahrenlage entscheidet zunächst jeder Spielort für sich. Wir tauschen uns aber in regelmäßigen Video- oder Telefonkonferenzen aus. Auch mit Polizei und Ordnungskräften. Wir überprüfen regelmäßig, ob unsere Strukturen tragfähig sind oder ob wir nachbessern müssen“, sagt Miller.
Vier Vorrundenspiele und ein Achtelfinale finden in Köln statt
Was bedeutet das für den Spielort Köln? Wie in allen anderen Gastgeberstädten werden die Spieltage in die Kategorien A, B und C eingeteilt. „Zu A gehören alle Spiele, die in Köln stattfinden, also vier in der Vorrunde und ein Achtelfinale“, so Miller. „Zu B die Spiele der deutschen Mannschaft und eventuell von Nationen, die mit vielen Fans in Köln vertreten sind. Das gilt auch für die türkische Nationalmannschaft. Bei diesen Spielen gehen wir davon aus, dass die Public Viewing-Flächen besonders stark frequentiert sein werden.“ Zu den B-Spieltagen zählen für Köln auch alle Partien, die in NRW stattfinden, also in Düsseldorf, Gelsenkirchen oder Dortmund. Der Rest fällt in die C-Kategorie.
Entsprechend fällt das Einsatzbesteck für die fünf Gebiete aus, die unter besonderer Beobachtung stehen. Das sind neben dem Rhein-Energie-Stadion und dem Hauptbahnhof die Public Viewing-Flächen am Heumarkt, im Tanzbrunnen und am Konrad-Adenauer-Ufer in Höhe der Bastei. Jeder dieser Orte verfügt über eine eigene Brandsicherheitswache.
Die Koordination des Katastrophenschutzes übernimmt die Berufsfeuerwehr, deren Personalstärke an den Spieltagen von 250 auf 381 aufgestockt wird und die die Regelversorgung sicherstellt. „Bei A-Spieltagen kommen noch einmal mehr als 1000 Einsatzkräfte dazu“, sagt der Chef der Berufsfeuerwehr. Darunter sogenannte First Responder-Kräfte, die besonders schnell an einem Einsatzort sein müssen, der Sanitätsdienst und weitere Kräfte in sogenannten Bereitstellungsräumen. „Sie werden entweder als kompletter Verband oder mit Einzelfahrzeugen ins Stadtgebiet gezogen, wenn wir sie brauchen.“
Diese Sitzbereitschaft wird von der Bezirksregierung Köln organisiert und von Kräften der Freiwilligen Feuerwehr und Hilfsorganisationen wie dem Technischem Hilfswerk (THW), dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) oder dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) aus dem Umland gestellt. „Weil sie sich als Ortsfremde im Stadtgebiet nicht auskennen, ordnen wir ihnen einen Guide zu, damit wir uns schnell bewegen“, so Miller. „Zusätzlich bekommen diese Einsatzkräfte einen Koffer. Darin sind neben den Funkgeräten, damit sie in unserer Leitstelle ins IT-System kommen, auch alle Unterlagen zu den Vorplanungen, Einsatz- und Führungsstruktur.“ Zum vollen Besteck bei den A-Spieltagen gehören auch der Krisenstab und der Stab der Feuerwehreinsatzleitung. „An diesen Tagen sind wir voll besetzt.“
Miller: „Sollte sich eine Schadenslage in der Innenstadt entwickeln, können wir auf dienstfreies Personal zurückgreifen“
Bei den B- und C-Spieltagen sieht das anders aus. Dann sinkt die Zahl der zusätzlichen Einsatzkräfte von 1411 auf 518 beziehungsweise 446. „Wir sind aber zu jeder Zeit fähig, die Einsatzkräfte innerhalb kürzester Zeit deutlich zu verstärken. Sollte sich eine Schadenslage in der Innenstadt entwickeln, können wir schnell auf dienstfreies Personal zurückgreifen“, so der Feuerwehrchef.
Als größte Stadt in NRW muss Köln weitere Aufgaben übernehmen. Es geht nicht nur darum, bei Schadenslagen im Land die telefonische Erreichbarkeit der Auskunftsnummern zu garantieren. Auch die Spezialeinheiten der Berufsfeuerwehr, die es nur in den großen Städten gibt, müssen bei Bedarf die anderen Spielorte unterstützen. Das gilt für die Analytical Task Force, von der es eine zweite Einheit in Dortmund gibt, eine Dekontaminationseinheit und die Höhenretter.
Das ist die Theorie. „Wir haben natürlich auch Übungen angesetzt, um unser neues Konzept für das Szenario mit einem Massenanfall an Verletzten zu trainieren. Dazu haben wir zusammen mit der KVB Großübungen gemacht. Da haben wir wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die in die Euro-Einsatzplanung eingeflossen sind“, so Miller. Auch an Weiberfastnacht habe man ein neues Führungskonzept erprobt. „Auch mit sehr guten Rückmeldungen. Auf dieser Basis machen wir jetzt weiter.“
Das Verhältnis hauptberuflicher und ehrenamtlicher Einsatzkräfte liegt nach Millers Schätzungen bei einem Drittel zu zwei Dritteln. Ohne Ehrenamtler sei ein Sicherheitsniveau in diesem Umfang nicht zu gewährleisten. Da ist man sich im Arbeitskreis EM 2024 einig. „Deshalb danken wir allen ehrenamtlich tätigen Einsatzkräften, die uns vor und während der EM unterstützen.“