Seit über einem Jahr herrscht Krieg im Sudan. In Köln fordern Menschen sudanesischer und deutscher Herkunft zusammen ein Ende der Kämpfe.
Tägliche Anrufe in die HeimatWie sich Kölner und Sudanesen zusammen gegen den Krieg im Sudan stellen
Der Ebertplatz vor einigen Tagen: Zwischen aufgespannten Bannern haben sich etwa 150 Menschen zu einer Kundgebung gegen den Krieg im Sudan versammelt. Viele haben Plakate mitgebracht. „10 Millionen vertrieben, 25 Millionen vom Verhungern bedroht“ ist auf einem zu lesen.
Auch Menschen in Köln sind vom Konflikt betroffen
Organisiert hat die Kundgebung die „Sudan AG Rheinland“, einem Zusammenschluss sudanesischer und nicht-sudanesischer Aktivistinnen und Aktivisten in Köln. Einer davon ist Osman Abu Kashif. Geboren ist er 1970 im Sudan. 1991 kam er als Student nach Deutschland, nachdem sich der Diktator Umar al-Baschir an die Macht geputscht hatte. Heute lebt er mit seiner Frau und zwei Töchtern in Köln und arbeitet hier als Intensivpfleger. Die Verbindung zum Sudan hat er nie abreißen lassen: „Ich war meistens alle drei Jahre zu Besuch. Außerdem habe ich Geld zu meiner Familie geschickt.“
Als im April 2023 der Krieg ausbrach, in dem Armee und Miliz gegeneinander kämpfen, musste Abu Kashifs Familie wie Millionen andere Sudanesen fliehen: „Fast alle meine Angehörigen haben in Khartum gelebt. Heute lebt dort keiner mehr. Sie haben alles Hab und Gut verloren.“ Ein Teil seiner Familie hat es über die Grenze in eines der Nachbarländer geschafft, andere sind im Sudan auf der Flucht.
Alles zum Thema Ebertplatz
- Kampf um Wertschätzung Freie Kulturszene in Köln ist Arm, sexy und „existenziell bedroht“
- Rettung für die Bastei? Geschäftsmann mit berühmten Kölner Namen will marodes Gebäude retten
- Rollschuhbahn am Ebertplatz Zwei Jugendliche nach Streit mit Messern in Kölner Innenstadt verletzt
- Kölner Tanz- und Theaterpreise Intensiv, nah dran und gelegentlich drastisch
- Bereiche „zu groß bemessen“ Gericht untersagt Kölner Polizei Videoüberwachung in Seitenstraßen
- Retro-Rollschuhbahn ist neu Stadt Köln präsentiert Winterprogramm auf dem Ebertplatz
- Smartphone geraubt Polizei nimmt drei Tatverdächtige am Eigelstein fest
Jeden Tag ist er mit ihnen in Kontakt. Dafür hat er sich extra eine zweite SIM-Karte angeschafft: „Es gibt kaum noch Internet im Sudan. Deshalb telefoniere ich vor allem mit meinen Angehörigen. Das wäre mit einer deutsche SIM aber viel zu teuer. Deshalb habe ich jetzt noch eine andere, mit der ich ins Ausland telefoniere.“
Die „Sudan AG Rheinland“: Zusammen für Frieden
Die Idee, auch öffentlich gegen den Krieg zu demonstrieren, hatte Abu Kashif früh. Doch es fehlten die Mitstreiter. Es leben nicht viele Sudanesen in Köln. Die wenigsten seien untereinander gut vernetzt: „Wir sind gerade erst dabei, einen sudanesischen Kulturverein zu gründen, um uns besser zu organisieren.“
Den Anstoß für die Gründung der „Sudan AG Rheinland“ habe schließlich eine Veranstaltung im vergangenen November mit Sudanesen aus Berlin gegeben. Seitdem hat die AG selbst Veranstaltungen in Köln und Duisburg organisiert. Termine in Bonn, Bochum und Aachen stehen in den nächsten Wochen an. Auch weitere öffentliche Protestaktionen sind geplant.
Rund die Hälfte der Mitglieder der Gruppe kommen wie Abu Kashif selbst aus dem Sudan. Die andere Hälfte sind Kölner ohne sudanesische Wurzeln: „Unsere deutschen Freundinnen und Freunde sind mit uns aktiv, weil ihnen nicht egal ist, was mit den Menschen im Sudan passiert. Für sie gilt, wie für uns auch: Solidarität statt Wegschauen.“
Die Hoffnung auf einen anderen Sudan nicht aufgeben
Abu Kashif ist es wichtig, dass sich noch mehr Menschen in Deutschland über die Situation im Sudan informieren und sich für die Menschen dort einsetzen: „2015 hat die Bundesrepublik mit den anderen EU-Staaten Geld und Waffen in den Sudan geschickt, um Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. Diese Mittel werden nun im Krieg eingesetzt.“ Jetzt reagiert die Bundesregierung seiner Meinung nach zu abwartend: „Die Menschen hier in Deutschland müssen Druck auf ihre Regierung aufbauen, um dafür zu sorgen, dass diese Politik endet.“
Denn Abu Kashif die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben. Mut macht ihm die Revolution von 2019: „Nach fast 30 Jahren Diktatur haben sich die Menschen erhoben und al-Baschir gestürzt. Die Jugend und die Frauen im Sudan haben gezeigt, wie unglaublich mutig sie sind.“ Mit diesen Menschen, glaubt Abu Kashif, ist ein ganz anderer Sudan möglich: mit einer demokratischen Regierung, mit einer Wirtschaft, die allen dient und „nicht nur sudanesischen Eliten und globalen Konzernen“.
Auf der Kundgebung bringt eine der Rednerinnen diese Perspektive auf den Punkt: „Wir wollen Frieden im Sudan. Aber wir wollen auch Freiheit und Gerechtigkeit. Denn nur dann wird der Frieden Bestand haben.“