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Hausgemeinschaft gegen EigentümerWie sich fünf Kölner Mieter seit eineinhalb Jahren gegen Schikanen wehren

Lesezeit 4 Minuten
13.12.2024 Köln. Mieter aus Nippes schauen in die Kamera: Sie wehren sich gegen Kündigungen durch den Eigentümer des Hauses

Die Hausgemeinschaft in Nippes wehrt sich gegen Kündigungen und Räumungsklagen. Bislang äußert erfolgreich.

Die Nippeser Hausgemeinschaft ist durch einen Streit mit einem Eigentümer zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden.

Es ging los mit einer Abmahnung wegen Schuhen im Flur. Es folgten Kündigungen, Mieterhöhungen, Räumungsklagen. „Das war kein besonders freundliches Kennenlernen unseres Vermieters“, sagt Clemens Erbach. Gemeinsam mit vier anderen Mieterinnen und Mietern eines Mehrfamilienhauses in Nippes sitzt Erbach am Esstisch seiner Wohnung und lässt die vergangenen knapp zwei Jahre Revue passieren.

Clemens Erbach hat inzwischen sechs Kündigungen erhalten, von denen keine wirksam war, und jüngst den Spieß umgedreht. Er hat den Eigentümer verklagt, Balkon und Garten so wiederherzustellen, dass sie nutzbar sind. Die Balkone in dem Haus in bevorzugter Lage in Nippes sind seit zwei Jahren entkernt, im verwilderten Garten lagert Müll. „Eine solche Klage ist der richtige Weg“, sagt Hans Jörg Depel vom Kölner Mieterverein. „Vermietern wie diesem muss man zeigen, dass man sich wehrt.“ Der Nippeser Fall sei ein besonders krasser Versuch, „Betongold möglichst schnell zu versilbern“.

Wir sind jetzt den zweiten Winter ohne Gasheizung und richtiges Warmwasser. Wir müssen im Abstand von zweieinhalb Stunden duschen
Mieter Halil Sojeva

Halil Sojeva hat die Abmahnungen und Kündigungen nicht gezählt, einmal erhielt er mehrere an einem Tag. Als der Eigentümer Schimmel an der Küchendecke nur überstreichen lassen wollte, schaltete er das Gesundheitsamt ein – der Schimmel sei dann entfernt worden, „aber der Ärger ging erst richtig los“. Als ein Heizkörper defekt gewesen sei, habe der Eigentümer diesen nicht ersetzt oder repariert, „er hat uns stattdessen Heizplatten, die mit Strom betrieben werden, an den Decken installieren lassen und argumentiert, dass das ökologischer sei“, sagt Sojeva. Eine Therme für warmes Wasser sei durch einen 100-Liter-Boiler ersetzt worden. „Seitdem müssen wir im Abstand von zweieinhalb Stunden duschen – zwischenzeitlich haben wir auch Camping-Duschbeutel benutzt.“

Der Mieterverein habe dem Eigentümer, der für die Immobilienverwaltung eines öffentlichen Trägers arbeitet, eine Frist gesetzt, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Bislang habe er nicht reagiert. „Wir sind jetzt den zweiten Winter ohne Gasheizung und richtiges Warmwasser“, sagt Sojeva. Die Einschätzung, der Vermieter wolle „die Hausgemeinschaft terrorisieren, um uns rauszubekommen“, habe sich bestätigt. „Wir sind fix und fertig und haben auch schon überlegt, umzuziehen. Es ist nur für eine Familie mit drei Kindern fast unmöglich, in dieser Lage eine bezahlbare Wohnung zu finden.“

Die Mietminderungen seien in allen Fällen gerechtfertigt, sagt Hans Jörg Depel. „Wir erleben hier den Versuch, ein Haus ohne Rücksicht auf die Mieter zu entmieten.“ Der Eigentümer sei verpflichtet, die Balkone und den Garten wieder nutzbar zu machen – und die Wohnung der Sojevas „in den Soll-Zustand zurückzuversetzen“. „Gerade beim Warmwasser und Heizplatten statt Gasheizung handelt es sich um einen erheblichen Mangel. Mit dem Heizen im Winter ist nicht zu spaßen.“ Eine Gasheizung durch Stromplatten zu ersetzen, sei „geradezu grotesk“. „Sie können in einen Porsche auch nicht einfach einen VW Motor einsetzen und sagen, das sei eine Verbesserung.“

Bei Halil Sojeva und seiner Frau Bessa hat der fortwährende Mietstreit Spuren hinterlassen. „Es vergeht kein Tag, an dem uns das nicht belastet“, sagt Bessa Sojeva. Vertreiben lassen wollen sie sich indes nicht – da sind sie sich mit Clemens Erbach sowie Renate Gerstmann und Uwe van Krüchten, die mit am Tisch sitzen, einig. Die 79-jährige Renate Gerstmann lebt seit 56 Jahren im Haus, wie Sojeva und von Krüchten hat sie die Miete gemindert und eine Kündigung erhalten – zum 1. Mai 2025. Wegen vorgeblichen Mietrückstands. „Die Lage ist relativ entspannt. Die Kündigungsklagen laufen ins Leere, da die Mietminderungen wegen der entkernten Balkone und des nicht nutzbaren Gartens gerechtfertigt sind“, sagt Uwe van Krüchten, der Anwalt ist und auch Renate Gerstmann berät. „Wann ich hier ausziehe, entscheide ich selbst“, sagt Renate Gerstmann.

Entmietung in Nippes: Wer den längeren Atem hat, ist ungewiss

Zwei Mieterinnen sind seit Sommer 2023 ausgezogen: Die eine war schwer krank und hat einen Platz in einer Pflegeeinrichtung gefunden, die andere hatte etwas anderes gefunden und Sorge, irgendwann mit leeren Händen dazustehen. In die beiden Wohnungen sind Wohngemeinschaften eingezogen – zu erheblich höheren Mieten.

Die alte Hausgemeinschaft hat der fortwährende Streit mit dem Eigentümer zusammengeschweißt, sie hält zusammen wie ein gallisches Dorf. Nach dem ersten Artikel im „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben sie ihre Geschichte auch in der Sendung „Stern TV“ erzählt. Der Eigentümer verliert durch die fortwährenden Mietminderungen viel Geld. Wer den längeren Atem hat, ist längst nicht entschieden.