50 Jahre „Blue“Wie Joni Mitchells Meisterwerk die 1970er einläutete

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Joni Mitchell

Los Angeles – Ob es am nachtblauen Cover liegt, aus dem sich Joni Mitchells Züge schälen, als könnten sie in jedem Moment wieder vom Dunkel verschluckt werden? Oder schlicht am Titel, „Blue“, im Sinne von einsam und traurig?

Jedenfalls ist Joni Mitchells Meisterwerk, heute vor genau 50 Jahren erschienen, nicht halb so depressiv wie sein Ruf. „I am on a lonely road and I am traveling“, singt die damals 27-Jährige gleich in der ersten Zeile des ersten Songs.

Ihre Männer hat sie hinter sich gelassen und auch deren Hippie-Träume, und klar, sie trauert ihnen hinterher und ebenso –  im herzbrechenden Song „Little Green“ –  der Tochter, die sie mit Anfang 20 zur Adoption freigegeben hat. Die einsame Straße ist Mitchells Entscheidung für die Kunst.

Von Insel zu Insel

Bekanntlich flieht die Sängerin –  in Los Angeles hatte sie sich längst als First Lady des Laurel Canyons etabliert – im Frühjahr 1970 Ruhm und Häuslichkeit, um ruhelos durch Europa zu reisen, von Insel zu Insel zu hüpfen, von Kreta nach Formentera, vielleicht war es auch andersherum.

Zu oft ist „Blue“ auf die berühmten Männer hin abgeklopft worden, die sich zwischen seinen melancholischen Zeilen verbergen, so sie nicht ganz offen zu Tage treten.

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Zu selten  erfasste man dagegen die flirrende Rastlosigkeit  des Albums, deren klangliche Entsprechung das Zusammenspiel von Mitchells appalachischer Zither und James Taylors trocken klirrender Akustikgitarre bildet: Offene Akkorde, unberechenbare Melodiebögen. 

„Blue“ ist mit seiner spartanischen Instrumentierung vielleicht das beste Folk-Album überhaupt und der einzige Grund, diese Aussage zu relativieren, ist der, dass es sich schon denkbar weit von den einfachen Strukturen traditionellen Liedguts entfernt hat.

Aus der Traum vom Frieden

Was auf hier im bekenntnishaften Singer-Songwriter-Idiom betrauert und hinterfragt wird, ist das Umwälzungsprojekt der 1960er Jahre: „Sie werden dem Frieden keine Chance geben/Das war nur ein Traum, den einige von uns hatten“, singt Mitchell in „California“.

Der moralische Kater nach den romantischen Utopien des vergangenen Jahrzehnts, heißt es im finalen Stück „The Last Time I Saw Richard“, sei aber nur eine Phase von „dark cafe days“, ein Kokon, in dem der Sängerin neue  Flügel wachsen.

Auf den folgenden Alben wendet sich Joni Mitchell mehr und mehr dem Jazz zu, geht es immer weiter ins Offene. Doch „Blue“ bleibt in seiner perfekten Unruhe unerreicht.

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