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Acht BrückenIst diese Ausgabe die letzte des Kölner Musikfestivals?

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Der Klangkünstler KMRU.

Der Klangkünstler KMRU tritt beim Kölner Acht-Brücken-Festival auf

Louwrens Langevoort stellt das Programm des bedrohten Klassikfestivals vor und skizziert seinen Plan B, falls die Stadt Köln die Mittel streicht.

„Licht!“ ist das Rahmenmotiv des diesjährigen Kölner Acht-Brücken-Festivals, das vom 9. bis zum 18. Mai an unterschiedlichen Spielorten der City (zwischen Philharmonie, Wolkenburg und Lagerstätte für Hochwasserschutzelemente) stattfindet und mit 50 Programmen neuer Musik bestückt ist. Darunter befinden sich 16 Uraufführungen und deutsche Erstaufführungen. Bei der Vorstellung des Programms durch Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort in Anwesenheit von Vertretern der Kunststiftung NRW als Förderin und des WDR als Kooperationspartner wuchs dem „Licht“ erwartbar eine metaphorische Qualität zu: Wenn es ganz schlecht läuft und der Rat angesichts der desaströsen Haushaltslage im Zuge seiner Februar-Beratungen den städtischen Zuschuss streicht, wird über das renommierte Festival für neue Musik nicht Licht, sondern Finsternis hereinbrechen. Dann wird die jetzt anstehende 15. Ausgabe die letzte gewesen sein – jedenfalls in der gewohnten Veranstaltungsform.

Gibt es für den Fall der Fälle einen Plan B? Ja, den gibt es – so Langevoort. Man werde sich dann bemühen, Acht Brücken auf die Beine eines privaten Sponsorings zu stellen und mit notwendig abgespecktem Umfang weiterlaufen zu lassen. Dazu möge es aber bitte, bitte – das war die eindringliche Forderung an den Rat – nicht kommen. In diesem Zusammenhang verwies der Intendant auf ein Gutachten der Kultur-Strategieberatung actori, demzufolge das Kosten/Nutzen-Verhältnis im Fall von Acht Brücken außerordentlich günstig ist.

Vom Licht-Motto führt ein Weg zur diesjährigen Porträtkünstlerin, der finnischen Komponistin Kaija Saariaho

Vom Licht-Motto führt, wie Langevoort ausführte, schnurstracks ein Weg zur diesjährigen Porträtkünstlerin, der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, in deren Oeuvre die Verbindung von Klang und Licht eine herausragende Rolle spielt. Den internationalen Durchbruch zum Beispiel brachte ihr „Lichtbogen“ für Ensemble und Live-Elektronik, bei dessen Komposition Saariaho die Erscheinung der Nordlichter im Kopf hatte. Das Ensemble intercontemporain führt bei Acht Brücken (15. Mai) das Stück ebenso auf wie eines ihrer letzten Werke, „Semafor“, das sie dem finnischen Maler Ernst Mether-Borgstrom widmete. Auf dem Programm steht ferner ein Werk des Ensemblegründers Pierre Boulez, dessen 100. Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr feiert.

Kaija Saariaho lehnt mit verschränkten Armen an einem Baum.

Die finnische Komponistin Kaija Saariaho wird bei den Acht Brücken posthum geehrt.

Saariaho, in Finnland geboren, studierte zunächst an der Sibelius-Akademie in Helsinki, bevor sie 1983 an die Musikhochschule in Freiburg wechselte und 1982 ans Ircam in Paris, wohin sie auch ihren Lebensmittelpunkt bis zu ihrem Tod verlegte. Dort starb sie 2023 70-jährig an einem Hirntumor. Damals liefen bereits die Vorbereitungen für Acht Brücken 2025 im Sinne eines Porträtreigens für eine Lebende. Nun wird es – leider, leider, wie Langevoort betonte – eine Gedenkveranstaltung.

Bei Acht Brücken geht es indes nicht nur mit Bezug auf Saariaho um das Thema Licht und dessen Verbindung zum Klang. Brendan Champeaux erkundet in seinem neuen Werk „Blinds“ die besondere Bedeutung von Klang in Dunkelheit, während sich Unai Erkola Etxabe in „what shines beneath“ auf biolumineszente Lebewesen in der Tiefsee bezieht. Beide Werke sind Kompositionsaufträge aus dem internationalen Acht Brücken-Kompositionswettbewerb 2024.

Acht Brücken ist bekannt dafür, dass sich hier viele Große der Kölner wie der internationalen Neue Musik-Szene ein Stelldichein geben

Dunkelheit als Pendant zum Licht: Der Klangkünstler KMRU lädt bei seinem Projekt „Natur“ dazu ein zu überdenken, was Technologie eigentlich ist und wie sie unsere Wahrnehmung der Realität verändert. Seinen Auftritt im Filmforum gestaltet er in einer dunklen, fast nachtgleichen Hörsituation. Eivind Buene möchte in seinem dreiteiligen Stück „Lessons in Darkness“ das Publikum dazu anregen, dem Nachtdunkel zuzuhören, und Georges Aperghis widmete seiner verstorbenen Frau ein „Selfie in the Dark“.

Acht Brücken ist bekannt dafür, dass sich hier viele Große der Kölner wie der internationalen Neue Musik-Szene ein Stelldichein geben. Vom Pariser Ensemble intercontemporain war bereits die Rede, zu hören sind weiterhin (um nur einige zu nennen): das WDR Sinfonieorchester unter Christian Carlsen unter anderem mit Saariahos Klarinettenkonzert (Solistin: Boglárka Pecze), das SWR Symphonieorchester und die Geigerin Carolin Widmann unter Bas Wiegers (mit Saariaho, Lutoslawski und Debussy), das Ensemble Recherche Freiburg und der Helsinki Chamber Choir unter Niels Schweckendiek, das Ensemble Musikfabrik unter Emilio Pomàrico, das SWR Vokalensemble und das Ensemble Modern unter Ustina Dubitsky, das Kuss-Quartett und das Asasello-Quartett. Vokalsolisten der Kölner Oper und das Gürzenich-Orchester wiederum unter Carlsen werden (im Rahmen eines Kooperationsprojekts) am 18. Mai im Staatenhaus Saariahos Oratorium „La Passion de Simone“ aufführen.

Wie stets gibt es zahlreiche Sonder- (der ganztätige kostenfreie „Freihafen“ am 17. Mai) und Begleitveranstaltungen: Filmporträt, Stummfilme mit neuer Musik, Ausstellung, Kinderprogramm sowie die interaktive „Applausdusche“ von Manos Tsangaris. Fortgesetzt wird die Aktion „Wahlpreise“: Besucher und Besucherinnen entscheiden selbst, wie viel sie für jedes Konzert bezahlen können. Die Wahlpreise gelten auch für den bewährten Festivalpass mit bis zu 16 Festivalkonzerten.