Die Staatskapelle Berlin gastierte mit Abschiedswerken von Kaija Saariaho und Gustav Mahler in der Kölner Philharmonie.
Kölner PhilharmonieSo spielte Verneri Pohjola das letzte Werk Kaija Saariahos
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Verneri Pohjola spielte den Solopart im „Hush“-Konzert der finnischen Komponistin Kaija Saariaho in der Kölner Philharmonie
Copyright: Teemu Kuusimurto
Ein dumpfer Paukenschlag setzt gleich zu Anfang ein tönendes Todessymbol. Der Impuls klingt auf dem gedämpften Fell nicht weiter, sondern zieht nahtlos weiter in zarte Violinen und mit Bögen gestrichene Schlaginstrumente, als erfahre er in verwandelter Substanz eine Auferstehung. Mit tonlosen Blasgeräuschen und einem lang aufsteigenden Glissando kommt schließlich die Solotrompete hinzu. Auch ihre Spitzentöne wandern in großem Bogen als Klangfarbenmelodie durch das Orchester, um am Satzende wieder den Solisten zu erreichen.
Die finnische Komponistin Kaija Saariaho (1952–2023) schrieb ihr Konzert „Hush“ für Trompete und Orchester im Wissen um ihren baldigen Tod. Der englische Titel ihres letzten Werks bedeutet Stille oder Schweigen. Die posthume Uraufführung in Helsinki letzten Jahres spielte Trompeter Verneri Pohjola unter Leitung von Susanna Mälkki. Beide Finnen präsentierten das Stück nun mit der Staatskapelle Berlin erstmals in der Kölner Philharmonie.
Eric Cutler sang überragend, changierte zwischen überschäumender Lust und Resignation
Wie der erste Satz verebbt der bewegte zweite mit mattem Verhauchen von Trompete und nun auch großem Tamtam. Seit dem „Abschied“ von Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ steht dieses Instrument für Tod und Transzendenz. Der dritte Satz erstarrt immer wieder zu mechanischen Repetitionen, aus denen sich der Solist mit Instrument und eigener Singstimme wild fauchend, schreiend, stöhnend zu befreien versucht. Im Finale flattert die Solotrompete dann in hohen Trillern verloren wie ein Schmetterling über winterlich erstarrten Orchesterflächen.
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Bei der Aufführung von Mahlers „Lied von der Erde“ im zweiten Konzertteil stimmte die Molekular-Chemie zunächst nicht. Manche Einsätze zeigten dynamische Unwucht, waren nicht punktgenau und die häufigen Agogik- und Tempowechsel wurden vom Orchester nicht einheitlich mitvollzogen. Statt Konzentration und Intensität verbreiteten sich Unruhe, Klappern, Hektik. Eric Cutler sang gleichwohl überragend. Im „Trinklied vom Jammer der Erde“ und „Der Trunkene im Frühling“ changierte der US-amerikanische Tenor ausdrucksstark zwischen wild überschäumender Lust und depressiver Resignation. Wiebke Lehmkuhls mattgold schimmernder Alt durchstrahlte die Mittelsätze sowie vor allem den Schluss- und eigentlichen Hauptsatz „Abschied“, der fast genauso lang ist wie die fünf vorherigen Sätze zusammen.
Nach den heiter plaudernden Chinoiserien über Pavillons, Blumen, goldene Sonne, junge Mädchen, schöne Knaben ist nun alles Spielen und Tändeln abrupt vorbei. Schwere Tamtam- und Bassschläge stellen das gleich zu Beginn unmissverständlich klar. Die zuvor lange ausgesparten Posaunen setzen zunächst wie das zum Jüngsten Gericht blasende tuba mirum der Totenmesse ein. Doch am Ende betten sie das vielmalig in lang gestreckten Seufzersekunden ausschwingende „Ewig, ewig“ der Altistin in einen umso weicheren Akkordteppich: Sinnbild der existentiellen Fügung des Menschen in den natürlichen Kreislauf von Leben und Tod.