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lit.Cologne 2025Warum sich Schauspieler Hans Sigl als Feminist sieht – und Blumenschenken trotzdem dazu gehört

Lesezeit 6 Minuten
Schauspieler Hans Sigl

Schauspieler Hans Sigl liest bei der lit.Cologne-Gala 2025 über Dankbarkeit.

Bevor Bergdoktor-Star Hans Sigl beim Kölner Literaturfest über Dankbarkeit liest, spricht er mit uns über Boomer, Wokeness und was seine Erfolgsserie mit Kevin Costner zu tun hat.  

Herr Sigl, bei der lit.Cologne-Gala zum 25. Jubiläum des Literaturfests treten Sie unter dem Titel „Vielen Dank für die Blumen“ in der Kölner Philharmonie auf – wann haben Sie das letzte Mal selbst Blumen geschenkt bekommen?

Eigentlich erst vor kurzem bei einer Veranstaltung. Aber Sie wissen ja, wie das ist auf der Bühne. Männer kriegen eher Wein geschenkt, die Frauen die Blumen. Ich tausche dann gerne. Aber ich bin ein großer Blumenschenker. Meine Frau und ich haben da ein schönes Ritual, eigentlich kaufe ich jede Woche einen Strauß im Blumenladen, stecke den auch gerne selbst zusammen. Zu Blumen habe ich also schon eine gewisse Affinität.

Nun geht es bei der Lesung mit Olli Dittrich, Sibel Kekilli und Kat Frankie weniger ums Blumenschenken und mehr um die Geste der Dankbarkeit.

Ja, ein großartiges Thema, was man nicht groß genug erzählen kann. Grundsätzlich bin ich erst einmal dankbar, dass ich dabei sein darf. Es ist meine Premiere, die Veranstaltung kennt man natürlich vom Hörensagen und aus der Presse. Ich freue mich sehr darauf, unter anderem einen Text von Oliver Sacks mit dem Titel „Dankbarkeit“ zu lesen, auch, weil ich den Autor sehr mag.

Ich glaube, persönliche Dankbarkeit wird aufgrund des Stresses im Alltag oft vergessen oder nicht beachtet. Es gibt viele Kleinigkeiten, die man als gegeben hinnimmt.
Hans Sigl

Warum sind Sie – so scheint es – so ein Fan von Dankbarkeit?

Ich zitiere immer gerne einen indischen Yoga-Guru, der sagt: „Wenn man morgens aufwacht, ist das größte Geschenk, dass man überhaupt aufwacht.“ Und dafür kann man grundsätzlich mal dankbar sein. Alles, was danach kommt, ist die Kür. Ich glaube, persönliche Dankbarkeit wird aufgrund des Stresses im Alltag oft vergessen oder nicht beachtet. Es gibt viele Kleinigkeiten, die man als gegeben hinnimmt. Wenn man sich da mal die Weltlage anschaut: Wir haben ein Dach über dem Kopf, haben Essen und Wasser aus dem Hahn, leben vor allem noch in Frieden, aber gehen manchmal zu ungestüm mit allem um. Das steigert sich bis nach ganz oben, in die Politik. Auch die Damen und Herren dort können dankbar sein, in einer Demokratie, in einer freien Gesellschaft Pläne machen zu dürfen, das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Also diese Dankbarkeit ist ein Thema, über das man sich auf ganz verschiedenen Ebenen bewusst sein sollte.

Schauspieler Hans Sigl (56) beschreibt sich selbst als Feminist

Sie halten mit Ihrer politischen Meinung nicht hinter dem Berg. Gerade haben Sie bei Instagram ein Bild gepostet. Sie schreiben, Sie seien Feminist. Ist das als Mann in Ihrem Alter nicht eine ungewöhnliche Einstellung?

In meinem Alter? Das müssen Sie erklären.

An Ihre Generation – Sie sind Mitte 50, um nicht schon „Boomer“ zu sagen – richtet sich gerne der Vorwurf, sich nicht mit feministischen Themen auseinanderzusetzen, oder sehen Sie das anders?

Da widerspreche ich Ihnen nicht. Das erlebe ich auch immer wieder, weil einige Männer meines Alters diese Bezeichnung vielleicht nicht als relevant ansehen und immer noch auf einem rückständigen Standpunkt harren. Das finde ich bedauernswert. Deswegen: Umso mehr nach vorne gehen! Ich bin Zeit meines Lebens mit diesen feministischen Gedanken aufgewachsen, das Bewusstsein war für mich immer völlig klar. Ich finde es schade bis hin zu bedauerlich, dass man diese Debatte überhaupt noch braucht in unserer Gesellschaft. Das ist ein Armutszeugnis. Deshalb bezeichne ich mich als Feminist, denn da ist noch ganz viel Nach- und Aufholbedarf. Es ist traurig, dass man den Weltfrauentag begehen muss, um darauf aufmerksam zu machen, was alles in Schieflage ist. Das fängt bei Equal Pay Day an und geht hin bis zu Femiziden.

Wie definieren Sie denn Feminismus für sich?

Es gibt auch hier ein Zitat: „Der Feminismus hat dann sein Ziel erreicht, wenn so viele unfähige Frauen in Führungspositionen sind wie unfähige Männer.“ Das gefällt mir eigentlich am besten, es verbindet das Ganze mit Humor. Wenn jedoch weiterhin eine Schieflage herrscht, muss man sich das Thema auch als Mann weiterhin auf die Fahne schreiben.

Gerade sind Sie in der „NDR-Talkshow“ für Ihre bekannteste Figur, Bergdoktor Martin Gruber, in die Bresche gesprungen. Bettina Tietjen fragte Sie, wie viele Frauen der Bergdoktor in mittlerweile 18 Staffeln wohl „verschlissen“ habe. Das passte Ihnen nicht. Wie würden Sie Martin Grubers Umgang mit Frauen denn eher beschreiben?

Also erstmal muss ich sagen, dass das von Bettina überhaupt nicht diffamierend gemeint war. Aber ich finde das Wording entscheidend, das ist noch so ein Überbleibsel. Frauen werden nicht verschlissen, Punkt. Man kann natürlich darüber streiten, ob die Erzählweise des Bergdoktors einem unsteten Charakter zuspricht oder nicht. Ich habe aber das Gefühl, dass wir Martin Gruber in keinem Fall als unachtsamen Mann gezeigt haben, der leichtfertig mit Beziehungen und seinem Gefühlshaushalt umgeht. Dass man dramaturgisch gesehen einer solchen Figur Ups und Downs geben muss, davon lebt natürlich die Spannung von so einer Serie.

Das ist ein Armutszeugnis. Deshalb bezeichne ich mich als Feminist, denn da ist noch ganz viel Nach- und Aufholbedarf.
Hans Sigl

Ist Martin Gruber auch Feminist?

Kann ich mir auf alle Fälle vorstellen, wurde so aber noch nie thematisiert. Die Grundprämisse der Figur ist Empathie. Da gibt es für ihn keinen Unterschied, ob Frau oder Mann. Unser Bestreben war außerdem immer, starke Frauen zu erzählen – auch wenn mir das vom Wording auch nicht sonderlich gut gefällt. Wenn man zurückblickt auf eine andere erfolgreiche Serie, „Die Schwarzwaldklinik“ – 80er Jahre, good old Boomer-Time – war uns von Anfang an wichtig, dass wir in diesem Rollenbild anders und moderner agieren.

Yellowstone-Vergleich: „Bei uns werden Menschen geheilt und nicht ermordet“

Kritiker werfen den öffentlich-rechtlichen Medien („Der Bergdoktor“ läuft im ZDF, Anm. d. Red.) zuweilen eine bestimmte Wokeness vor. Mit einer Patchworkfamilie und zwei Vätern, einem männlichen Arztassistenten, Themen wie Transgender oder Homosexualität könnte man da auch den Bergdoktor einordnen. Ist es nicht zu viel des Guten?

Es ist der Diskurs, den unsere Gesellschaft braucht und deswegen bin ich sehr dafür, dass diese Themen weiter befördert werden. Natürlich muss es thematisch passen und nicht zu sehr „on the nose“ sein. Man muss da einfach ein bisschen cooler sein. Wenn jemand Angst hat, dass ihm oder ihr die gute alte Zeit davonläuft, dann ist es so. Wenn ich mit der Zeit gehe, gehe ich mit der Zeit.

Neben Kritik – ob zu woke oder zu öde – gibt es ein Millionenpublikum, das den Bergdoktor seit 18 Staffeln verfolgt. Können Sie sich das erklären?

Wir haben das unfassbare Glück, die Geschichte um diesen Martin Gruber seit so langer Zeit erzählen zu können. Es ist für den Zuschauer ein „gelerntes“ Format, so heißt das in der Fachsprache. Wir haben ein schönes Familienkonstrukt, das gut gebaut war: zwei Väter mit einer Tochter, alles vor einer unfassbaren Kulisse. Ich habe gerade „Yellowstone“ (amerikanische Dramaserie mit Kevin Costner um eine Familie und ihre Ranch in Montana, Anm. d. Red.) durchgeguckt und habe festgestellt: Das funktioniert nach dem gleichen Prinzip – bei uns eben im Kleinen. Da ist ein Typ, der versucht, seine Familie zu beschützen. Das tut Martin Gruber seit 18 Jahren. Nur bei uns werden Menschen geheilt und nicht ermordet – das Alleinstellungsmerkmal ist da weniger Brutalität und mehr Zuversicht.


Hans Sigl tritt bei der lit.Cologne Gala „Vielen Dank für die Blumen!“ gemeinsam mit Kat Frankie, Olli Dittrich und Sibel Kekilli am 20. März, 20 Uhr, in der Philharmonie auf. Rest- und Stehplatzkarten gibt es an der Abendkasse.

Wir verlosen für die Gala und den anschließenden Empfang 5 x 2 Tickets. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie bitte eine Mail mit dem Betreff „lit.Cologne Gala“ und Ihrem vollständigen Namen bis 19. März, 12 Uhr, an: ksta-kultur@kstamedien.de