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Actout-ManifestWarum sich 185 Schauspielerinnen und Schauspieler gemeinsam outen

Lesezeit 4 Minuten

185 Schauspieler und Schauspielerinnen haben sich im Magazin der „Süddeutsche Zeitung“ geoutet 

München – „Wir sind hier und wir sind viele!“, so hebt das Manifest #actout an, das 185 Schauspielerinnen und Schauspieler unterzeichnet haben, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär oder trans identifizieren. Sie sind es leid, ihre vom heterosexuellen Standard abweichende sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität geheim zu halten.

Nun zeigen sie ihre Gesichter auf dem Cover des „Süddeutsche Zeitung Magazin“, und nicht von ungefähr erinnert die Optik an den berühmten Titel des „Stern“ aus dem Jahr 1971, auf dem prominente und nichtprominente Frauen bekannten „Wir haben abgetrieben!“ und damit ein überfälliges gesellschaftliches Tabu brachen.

Aber verfängt der Vergleich denn überhaupt? Wird man in Deutschland, zumal als Film-, Fernseh- oder Theaterdarsteller wirklich noch diskriminiert, wenn man zum Beispiel offen schwul oder lesbisch lebt? Das mag ja im Fußball bedauernswerterweise zutreffen, aber es gilt doch schon nicht mehr für Politik und Wirtschaft; wie kann Queerness da ausgerechnet an den Bühnen ein Problem sein, die sich doch als Labor der offenen und diversen Gesellschaft begreifen?

Von wegen weltoffen

Liest man die Statements und Interview-Aussagen der Unterzeichnenden im „SZ Magazin“ wird schnell deutlich, warum ausgerechnet die Darstellenden Künste ein Sexismus- und Homophobie-Problem haben. Die angebliche Weltoffenheit der Theater, sagt dort etwa die Schauspielerin Eva Meckbach, spiegele sich aber meist nicht in den Besetzungen wider und auch nicht in den Leitungsebenen der Häuser.

Weshalb es bei #actout gerade nicht um das Coming-out im privaten Umfeld geht. Dazu braucht man keine 184 Kolleginnen und Kollegen. Dämonisiert werde im Schauspielberuf dagegen das Coming-out vor dem Publikum, vor der Öffentlichkeit, sagt Karin Hanczewski (Kriminaloberkommissarin Gorniak im Dresden-„Tatort“), die das Manifest zusammen mit Godehard Giese („Babylon Berlin“) initiiert hat: „Wir haben mit zum Teil sehr bekannten Schauspielerinnen gesprochen, die sich nicht getraut haben, obwohl sie unsere Forderungen teilen.“

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Und Mehmet Ateşçi, Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, erzählt: „Ich hatte sogar mal eine längere Affäre mit einem heute sehr bekannten Schauspieler, der immer im Moment, wo eine dritte Person dazukam, die auch eine Öffentlichkeit hat, anfing, mit einer Frau zu flirten oder begehrend über Frauen zu reden, damit man bloß nicht gesehen wird oder in die Richtung rutscht.“

Befürchtet werden berufliche Konsequenzen, vor allem die, als LGBT-Person für bestimmte Rollen nicht mehr besetzt zu werden. Immer noch würden viele Caster, Agentinnen, Regisseure oder Produzentinnen davon ausgehen, dass etwa eine offen lesbisch lebende Schauspielerin nicht mehr glaubhaft eine Ehefrau und Mutter von drei Kindern darstellen könne.

Glaubwürdig gemordet

Das ist selbstredend absurd, schließlich meint „schauspielen“ ja gerade das „als ob“ und nicht, sich einfach selbst zu spielen. „Wir müssen nicht sein, was wir spielen. Wir spielen, als wären wir es – das ist unser Beruf“, heißt es im Manifest. Man spiele ja auch glaubwürdig Mörder und Mörderinnen, ohne gemordet zu haben. Oder rette vor der Kamera Leben, ohne Medizin studiert zu haben.

Doch in der bundesdeutschen Realität gilt dieses „als ob“ eben nur für solche, deren Auftreten und Aussehen als „normal“ gelesen wird, also für weiße heterosexuelle Männer und Frauen. Wehe, wenn man dann gleich zwei Minderheiten angehört. Wegen seiner türkischen Wurzeln müsse er seine Homosexualität auf der Bühne immer als Problem spielen, klagt Mehmet Ateşçi. Den TV-Castern wiederum sei er für einen Türken zu intellektuell – oder schlicht zu deutsch.

Druck der Normalität

Als Frau, sagt Karin Hanczewski, werde „einem in der Branche oft das Gefühl gegeben, dass es vor allem darum geht, „fuckable“ sein zu müssen“. Als geoutete Lesbe gehöre man dann automatisch nicht mehr dazu. Diejenigen, die hier den Normierungsdruck ausüben und queeren Schauspielern und Schauspielerinnen entweder Rollen verweigern oder nur als Rollenklischees besetzen, verweisen auf die Erwartungen eines mehrheitlich nicht-queeren und auch nicht migrantischen Publikums.

Mit diesem Scheinargument, erzählt Tucké Royale im „SZ Magazin“ – der Autor und Performer mit dem herausfordernden Künstlernamen arbeitet vor allem am Gorki-Theater –, hatte man ihn bereits auf der Schauspielschule abgelehnt.

Es hat sich auch nicht bewahrheitet: „Mit dem Publikum hatte ich eigentlich nie Schwierigkeiten, das war super. Aber es brauchte sehr viel, damit ich das Publikum überhaupt erst mal treffen durfte.“