Während die Arbeiten am Erweiterungsbau des Kölner Wallraf-Richartz-Museums beginnen, bringt die Familie Corboud zwei ehemalige Wallraf-Leihgaben bei Lempertz zur Auktion.
Affront oder gerechte Strafe?In Köln sollten zwei ehemalige Corboud-Leihgaben versteigert werden
Wer in den letzten Jahren in den Verkaufskatalogen des Kölner Auktionshauses Lempertz blätterte, stieß immer wieder auf Werke, die man lange zur „ewigen Leihgabe“ der Sammler Gérard und Marisol Corboud im städtischen Wallraf-Richartz-Museum gerechnet hatte. So fiel am 1. Juni 2022 bei Lempertz der Hammer über einer Landschaft von Jean Metzinger und am 2. Dezember des gleichen Jahres über einer Straßenszene von Georges Seurat, jeweils mit gleichlautendem Hinweis auf den Besitzer: „Sammlung Corboud, Dauerleihgabe im Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud“.
An diesem Dienstag ging der Ausverkauf der „ewigen Leihgabe“ scheinbar weiter: Lempertz bot in seiner Abendauktion eine Flusslandschaft von Pierre Bonnard an sowie eine Promenade mit Reiter und Pferdedroschke von Henri Toulouse-Lautrec. Beim zweiten Gemälde ähnelt der Verkäufer passenderweise einer Promenadenmischung: „Sammlung Corboud, Dauerleihgabe im Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud, Köln (Leihgabe der Fondation Surpierre)“. Das Entscheidende steht in Klammern: Das Bild stammt aus jenem Teil der Sammlung Corboud, der als Fondation Surpierre zwar bis ins Jahr 2019 Teil der Wallraf-Sammlung, aber niemals Teil der Schenkung war.
Beide Bilder stammen aus jenem Teil der Sammlung Corboud, der niemals Teil der Schenkung war
Allerdings erfuhr die Öffentlichkeit von dieser Aufteilung zwischen den Stiftungen erst mit Verspätung, denn auch das Wallraf hatte – vermutlich aus Vorfreude auf eine erhoffte Schenkung – mehrere Arbeiten der Fondation Surpierre als eigene geführt. 2013 versteigerte die Familie Corboud ein Van-Gogh-Gemälde, das zwölf Jahre fälschlicherweise zum Wallraf-Besitz gezählt wurde; vor fünf Jahren zog Marisol Corboud die verbliebenen Surpierre-Leihgaben aus Protest gegen die schier endlosen Verzögerungen beim geplanten Wallraf-Erweiterungsbau ab.
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Am Erweiterungsbau wird seit dieser Woche tatsächlich gearbeitet, was für die Erben des 2017 verstorbenen Gérard Corboud aber offensichtlich kein Anlass war, die beiden Werke aus der Lempertz-Versteigerung zurückzuziehen. Man kann das als gerechte Strafe dafür deuten, dass der Erweiterungsbau, der auch (aber nicht nur) dazu dienen soll, die 170 impressionistischen Werke der Fondation Corboud in angemessener Weise zu präsentieren, den Corbouds bereits 2001 versprochen worden war. Oder auch als Hinweis darauf, dass die Stadt die Sammlung Surpierre endgültig abschreiben muss.
Es wäre das erste Mal, dass sich die schlauen Kölner von einem Sammler übervorteilen ließen
In der „Zeit“ nahm Stefan Koldehoff die aktuelle Lempertz-Versteigerung zum Anlass, die „ewige Leihgabe“ der Fondation Corboud zum Danaergeschenk, also zu einer unheilvollen Gabe zu erklären. Es wäre das erste Mal, dass sich die schlauen Kölner von einem Sammler übervorteilen ließen, statt von ihm über Gebühr zu profitieren (auch die an Bedingungen geknüpften Schenkungen Peter Ludwigs haben sich längst als Segnungen erwiesen).
Zwar stürzte die Fondation Corboud das Wallraf in arge Raumnot, weil laut Schenkungsvertrag ein Drittel ihrer Werke in den Schausälen präsent sein müssen; allerdings könnte man darin auch ein Luxusproblem sehen. Dass die „ewige Leihgabe“ mehr Masse als Klasse bietet, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber immerhin machten sich Auguste Renoir, Claude Monet oder auch Paul Signac die Mühe, diese Bilder zu malen, und vor allem wird auch schiere Masse ab einem gewissen Punkt zu einer Qualität. Ohne die Fondation Corboud besäße das Wallraf zwar einige Spitzenwerke des Impressionismus, aber keine impressionistische Sammlung; und ohne diese wären Ausstellungen wie derzeit „1863, Paris, 1874“ nicht einmal denkbar.
Allein für die Fondation Corboud wäre der Erweiterungsbau des Wallraf in mehr als einer Hinsicht überdimensioniert. Er soll aber weitere Funktionen erfüllen und etwa eine angemessene Fläche für Sonderausstellungen eröffnen. Auch scheint Oswald Mathias Ungers, ansonsten verdienstvoller Architekt des Wallrafs, Museumsbedienstete für Artverwandte des Maulwurfs gehalten zu haben; der Bürotrakt gleicht mitunter einem Höhlenbau. Über das Für und Wider des Corboud’schen Geschenks sollte die Stadt daher noch einmal nachdenken, wenn die Wallraf-Erweiterung steht. Die beiden auf jeweils 150.000 bis 200.000 Euro geschätzten Werke aus der Sammlung Corboud fanden bei Lempertz am Dienstagabend übrigens keine Abnehmer. So bleibt wohl nicht einmal die Verkaufsgebühr in Köln.