Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt die Impressionismus-Sammlung des Schweizer Museums Langmatt.
„Schweizer Schätze“ in KölnAls man mit den Impressionisten noch erschrecken konnte

Eugène Boudins „Trouville, Strandszene“ (1880) aus dem Museum Langmatt, jetzt im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt.
Copyright: Jean-Pierre Kuhn, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich
Auch Sammlungen haben ihre Schicksale. Hätte Jenny Brown ihrem Sohn nicht strikt verboten, seine große Liebe zu heiraten, wäre ihre Ehe vielleicht nicht enkellos geblieben und besagter Sohn (er überlebte seine beiden homosexuellen Brüder) hätte sein Erbe vermutlich nicht der Stadt Baden im Schweizer Kanton Aargau vermacht. John Brown wartete den Tod der Mutter ab (sie starb 1968 im Alter von 96 Jahren), bevor er seine lebenslange Liebe ehelichte – sieben Jahre später musste er sie beerdigen. In seiner Stiftung hielt er das mütterliche Erbe gleichwohl in Ehren und verfügte, dass die elterliche Villa mitsamt der Impressionisten-Sammlung bewahrt und öffentlich zugänglich gemacht werden soll.
1990 wurde das Museum Langmatt eröffnet, benannt nach der langen Wiese, auf der das Sammlerehepaar Jenny und Sidney Brown ihre Villa errichten ließ. Allerdings blieb das Haus lange ein gut gehütetes Geheimnis. Im Jahr 2015 kamen 6500 Besucher, 2023 waren es immerhin schon 25.000 – das Kölner Wallraf-Richartz-Museum dürfte beim Langmatt-Gastspiel „Schweizer Schätze“ in seinem Haus mit deutlich höheren Zahlen kalkulieren.
Das Museum Langmatt wird derzeit generalsaniert
Selbst in der Schweiz sprudelt das Geld offenbar nicht mehr so wie früher. Das Museum Langmatt wird derzeit generalsaniert, und die Einnahmen aus seiner Gastspiel-Tournee, die es auch noch nach Wien führen wird, können sie in Baden mutmaßlich gut gebrauchen. Um die Insolvenz der Stiftung hinter dem Museum abzuwenden, wurden 2023 drei Cézanne-Stillleben für 40 Millionen Schweizer Franken versteigert. Kritiker des Verkaufs hatten der Stiftung nahegelegt, sich selbst aufzulösen und die Sammlung einem Museum zu schenken; so bliebe diese als Ganzes erhalten und öffentlich zugänglich. Die Stiftung hielt es hingegen mit einer anderen Vorgabe John Browns, nach der Sammlung und Wohnhaus eine Einheit bilden und nicht auseinandergerissen werden sollen.
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Vermutlich hat die Schweizer Verkaufsdiskussion geholfen, mehr Besucher ins Museum Langmatt zu locken – in Köln soll es im Zusammenspiel mit den Impressionisten der Wallraf-Sammlung und der Fondation Corboud für einen letzten Publikumsandrang vor der ebenfalls sanierungsbedingten Schließung sorgen. Barbara Schaefer konnte die Bestände des eigenen Hauses mit mehr als 60 Schweizer Leihgaben (darunter allerdings ein gutes Dutzend venezianische Veduten) auffüllen – wobei die meisten Gäste eher schöne Ergänzungen sind als Arbeiten, für die allein man größere Reisestrapazen auf sich nehmen würde.

Pierre-Auguste Renoirs „Das Boot“ (um 1878) aus dem Museum Langmatt
Copyright: Jean-Pierre Kuhn, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich
Ein besonderes Faible hatte das Ehepaar Brown für Auguste Renoir. Mehr als 20 Gemälde bilden den Kern der Sammlung, darunter rosige Kinderporträts, hingehauchte Akte und andere Lieb- und Niedlichkeiten, für die der Vielmaler Renoir ebenso berühmt wie berüchtigt ist. Auf dem Gipfel seiner Kunst konnte Renoir den reinsten Kitsch in eine höhere Wahrheit verwandeln, wie in Köln etwa eine Bootsfahrt im Farbenwald belegt. Ansonsten bezaubern unter den „Schweizer Schätzen“ aber vor allem ein Haufen toter Fische und zwei Porträts aus Renoirs akademischer „Ingrés-Phase“ mit scharfen Konturen und festem Fleisch.
Der erste Ausstellungssaal gehört noch nicht den berühmten Gästen, sondern einem anonymen Maler venezianischer Stadtlandschaften, dessen Werke die Browns in den 1920er Jahren auf einen Schlag erwarben (vermutlich handelt es sich um Apollonio Facchinetti). Mit diesem unbekannten „Meister“ lässt Schaefer eine chronologisch geordnete Reise durch die Licht- und Stimmungsmalerei der Jahrhunderte beginnen, die wie selbstverständlich im Impressionismus mündet. Bei Facchinetti badet Venedig in weichem Licht, das mathematische Raster ist weniger rigide über die Architektur gelegt als auf einem aus der Wallraf-Sammlung stammenden Vergleichswerk von Bernardo Bellotto. Ganz nebenbei zeigt dieses Vorspiel die erstaunliche Qualität eines auf dem Touristenmarkt tätigen Kunstgewerblers.
Auf die Veduten folgen mit Werken von Camille Corot und Eugène Boudin zwei direkte Vorläufer der Impressionisten, mit einigen herrlichen Strandskizzen Boudins und seinen „Wäscherinnen am Ufer der Touques“, die Jenny und Sidney Brown während ihrer Hochzeitsreise kauften. Nach einem Seitenblick auf Camille Pissarro wenden wir uns dem ländlichen Frankreich und der Flussmalerei der Impressionisten zu, blicken auf Edgar Degas, die Lichterstadt Paris oder Odilon Redon. Mitunter muss man in diesen Abteilungen die Schweizer Leihgaben lange suchen. Von Redon hängt lediglich eine „Erinnerung an Venedig“ an der Wand; aber dieser feuchte Farbentraum vom Meer ist das Eintrittsgeld bereits wert.
Ein Mühlenbild Van Goghs ist mit einem Fragezeichen versehen
Lediglich in den beiden abschließenden großen Sälen scheinen die Schweizer Leihgaben in der Überzahl zu sein. Ein eher unscheinbares Mühlenbild Vincent van Goghs ist mit einem Fragezeichen versehen, seine Echtheit wurde zuletzt angezweifelt und wird untersucht. Es wäre immerhin eine frühe Fälschung, die Browns erwarben das Gemälde um 1918. Von Paul Cézannes berühmten „Großen Badenden“ gibt es eine kleine, aber schon weit gediehene und vor allem schöne Vorstudie zu sehen, von Claude Monet die blassblau-klirrende Winterlandschaft „Eisschollen im Dämmerlicht“. Einige Meisterwerke finden sich auf den Bildtapeten wieder, die zeigen, wie die Browns mit ihren Schätzen lebten.
Der Ausstellungstitel fordert die Frage nach der Herkunft der Kunstschätze geradezu heraus, auch wenn die Browns ihr Geld nicht mit Rüstungsgeschäften machten wie Emil Bührle, dessen umstrittene Sammlung 2016 im Wallraf zu sehen war. Der Kanonenbaron hatte seine Millionen in moderne Kunst investiert, die nicht selten zuvor jüdischen Sammlern abgepresst oder geraubt worden waren. Auch die Stiftung Langmatt hatte sich lange darauf verlassen, dass die Browns den Großteil ihrer Sammlung vor 1920 erworben hatten. Als der Verkauf der Cézannes anstand, kam die Stiftung aber nicht mehr darum herum, die immerhin 13 Gemälde, die das Ehepaar als späte Ergänzungen zwischen 1933 und 1940 kaufte, auf ihre Herkunft untersuchen zu lassen. Werke mit ungeklärter Provenienz lassen sich am Kunstmarkt kaum oder nur mit hohen Abschlägen versilbern.
Bei zwei Werken der Sammlung bestätigte sich der Verdacht auf NS-Raubkunst, eines davon, Cézannes „Früchte und Ingwertopf“, sollte bei der Auktion den Löwenanteil erlösen. Mit den Erben einigte sich die Langmatt-Stiftung darauf, die Einnahmen aus der Versteigerung zu teilen. Eine ähnliche Lösung fand man mit den Nachkommen des zur Flucht gezwungenen Sammlers Richard Semmel, dessen Gemälde „Fischerfrauen am Strand von Berck“ von Eugène Boudin die Browns 1936 bei einer Genfer Galerie erworben hatten. Offenbar kaufte die Stiftung den Erben ihren Anteil ab, denn die „Fischerfrauen“ blieben in ihrem Besitz und sind jetzt in Köln zu sehen. Allerdings lässt das Beispiel auch vermuten, dass die Stiftung Langmatt in besseren Tagen noch kein allzu großes Interesse an einer Feststellung der Provenienz entwickelt hatte. Nach dem Boudin-Gemälde wurde bereits seit 2017 öffentlich auf der einschlägigen Website „Lost-Art“ gesucht.
Das Verdienst des Sammlerpaars schmälert das alles nicht. Jenny und Sidney Brown waren 1908 die ersten Schweizer, die sich trauten, ihr Geld für impressionistische Gemälde auszugeben. Allerdings wagten sie zunächst nicht, ihre Renoirs und Cézannes dort aufzuhängen, wo Besucher sie zu Gesicht bekamen. Das hatte sich bereits zu ihren Lebzeiten gründlich geändert. Heute sitzen wir alle in ihrem Wohnzimmer und dürfen uns wie erbetene Gäste fühlen.
„Schweizer Schätze - Impressionistische Meisterwerke aus dem Museum Langmatt“, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 28. März bis 27. Juli 2025. Der Katalog kostet 38 Euro.