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Wulf Herzogenrath zur Wallraf-Sanierung„Eine halbe Lösung bringt immer Enttäuschungen mit sich“

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf das Wallraf-Richartz-Museum vor blau-weißem Himmel.

Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln muss möglicherweise schließen.

Der langjährige Museumsdirektor Wulf Herzogenrath über die Kunst, ein Museum zu sanieren, und die mögliche Schließung des Kölner Wallrafs.

Herr Herzogenrath, unter Ihrer Direktion wurde die Bremer Kunsthalle zwischen 2009 und 2011 generalsaniert und um zwei moderne Flügel ergänzt – ganz ähnlich, wie jetzt das Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Wie sind Sie damals die Sache angegangen?

Wir haben damals festgestellt, dass eine befristete Totalschließung des Museums die sinnvollere Lösung ist und versucht, unsere Sammlung bestmöglich zu platzieren. Unter dem Titel „Noble Gäste“ konnten wir unsere Meisterwerke während der Sanierung an Museen in ganz Deutschland verleihen, was diese Museen sehr erfreute und eine schöne Werbung für die Kunsthalle war.

Auf die „noblen Gäste“ komme ich gleich zurück. Zunächst möchte ich von Ihnen wissen, warum Sie sich gegen eine Sanierung bei laufendem Betrieb entschieden haben. Was gab den Ausschlag?

Nach unseren Recherchen führt eine Teilschließung zu einer großen Verzögerung der Baumaßnahme. Außerdem besteht die Gefahr, dass der durch alle Ritzen dringende Baustaub durch das gesamte Gebäude wandert. Wir fanden daher, dass die Totalschließung die konsequentere Lösung ist. Eine halbe Lösung bringt immer Enttäuschungen mit sich, weil die Besucher nicht alles sehen können.

Ein Museum in einen geschlossenen und einen zugänglichen Teil zu trennen, ist schwierig
Wulf Herzogenrath

War es kompliziert, Abnehmer für die „Noblen Gäste“ zu finden?

Es war rasch klar, dass die Museumskollegen mit großer Freude darauf eingehen. Zumal es bei den „Noblen Gästen“ darum ging, die Stärken des jeweiligen Hauses durch unsere Leihgaben zu betonen: Das Kölner Museum Ludwig etwa übernahm gerne unsere Max-Beckmann-Sammlung. Zu der Zeit war Kasper König dort Direktor, der sich mit einem Kniefall vor den Bildern bedankte. Zugleich konnten wir unsere Leihgaben als etwas Besonderes präsentieren. Insgesamt nahmen 22 Partnermuseen teil, dazu erschien ein gemeinsamer Katalog für alle neuen Orte der Sammlung, der deren Qualitäten repräsentierte.

Wie reagierte das Bremer Publikum auf die Schließung? Es hatte nichts davon, dass die Beckmanns in Köln gezeigt wurden.

Die Bremer waren zufrieden, weil die Schließung auf zwei Jahre begrenzt werden konnte. Ein Museum in einen geschlossenen und einen zugänglichen Teil zu trennen, ist schwierig. Damit haben Bauherren sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, gerade bei der Dauer der Arbeiten. Die lokale Verankerung eines Museums ist wichtig. Aber man sollte den Werbeeffekt eines solchen Leihprojekts nicht unterschätzen.

Sie haben auch an Bremer Museen verliehen. Hat das geholfen?

Wir haben vor allem bestimmte Aktivitäten wie den Bremer Kunstpreis bei lokalen Kollegen gemacht und sind bewusst mit der Sammlung in die Breite der deutschen Museumslandschaft gegangen. Mit Max Slevogt nach Kaiserslautern, mit Dürer in die Alte Pinakothek – kreuz und quer, sozusagen. Reinhold Baumstark, Generaldirektor der Bayrischen Staatsgemäldesammlungen, taufte die „Noblen Gäste“ in eine „noble Geste“ um. Selbst für die Alte Pinakothek in München war es offenbar eine Freude und Ehre, für zwei Jahre ein weiteres Dürer-Bild zeigen zu können.

Der Kurator der Ausstellung «Die Akademie der Künste, Berlin - Zu Gast in den Kunstsammlungen Chemnitz», Wulf Herzogenrath, steht am 22.09.2016 in Chemnitz (Sachsen) in der Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz.

Der Kölner Kurator Wulf Herzogenrath mit Doppelgänger im Spiegel

Wäre eine solche „noble Geste“ eine Option für das Kölner Wallraf-Richartz-Museum, das, wie Sie damals in Bremen, einer möglichen befristeten Schließung entgegensieht?

Zeitlich wäre das wohl möglich. Es ging jeweils lediglich um wenige Leihgaben, daraus folgt bei den Leihnehmern weder ein großer Raum- noch Finanzbedarf. Das ist eher eine Frage der Koordination und des personellen Einsatzes, um die richtigen Werke an die richtigen Orte zu bringen.

Andere Museen schicken ihre Sammlungen auf Reisen, während das eigene Haus geschlossen ist. Ich vermute, dafür wäre die Zeit für das Wallraf, das wohl im Sommer 2026 schließen muss, zu knapp.

Das wäre nur sinnvoll, wenn es darum geht, mit den Leihgaben gutes Geld zu verdienen. So etwas muss deutlich länger vorbereitet werden. Immerhin hat man danach bei den abnehmenden Kollegen deutlich bessere Karten bei eigenen Leihanfragen.

Die westliche Kunstgeschichte der vergangenen 500 Jahre auf zwei Museen zu verteilen, ist eine echte Kölner Besonderheit
Wulf Herzogenrath

Was halten Sie von einer Rückkehr des Wallraf ins Kölner Doppelmuseum, dieses Mal allerdings nur als Gast des Museums Ludwig?

Die Kunstgeschichte der vergangenen 500 Jahre auf zwei Museen zu verteilen, ist eine echte Kölner Besonderheit. Würde man das rückgängig machen, könnte es bessere Sichtweisen auf die alte wie auch auf die neue Kunst erschließen. Wir versuchen etwas ähnliches gerade mit der Wallraf-Ausstellung „Museum der Museen“, wo wir moderne Museumskonzepte, etwa von John Cage oder Daniel Spoerri, als Fortsetzung der alten Wunderkammern zeigen. Diese Zusammenführung verschiedener Sammlung über die eher künstliche Jahreszahl von 1900 hinaus kommt auch beim Publikum gut an. Es wird der Kunstgeschichte nicht gerecht, sie in Scheiben von Epochen und Jahrhunderten zu schneiden.

Sie haben die Ausstellung gemeinsam mit Anne Buschhoff vom Wallraf kuratiert. Waren Sie überrascht, dass für dieses erst 2001 eröffnete Haus bereits eine Generalsanierung ansteht?

Dazu kann ich wenig sagen, weil ich das Haus zu wenig kenne. Mich wundert allerdings, dass man nicht erst den Neubau fertigstellt und die Sanierung des Hauptgebäudes als zweiten Schritt angeht. Aber das werden die Fachleute geprüft haben.


Wulf Herzogenrath, geb. 1944, leitete zwischen 1973 und 1989 den Kölnischen Kunstverein, von 1994 bis 2011 war er Direktor der Kunsthalle Bremen. Unter seiner Leitung wurde das Bremer Museum generalsaniert und um moderne Anbauten erweitert. Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ist bis 9. Februar 2025 die von ihm gemeinsam mit Anne Buschhoff kuratierte Ausstellung „Museum der Museen“ zu sehen.