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Wallraf muss schließenKommt jetzt das Kölner Doppelmuseum zurück?

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf die Fassade des Wallraff-Richartz-Museums in Köln

Das Kölner Wallraff-Richartz-Museum von O.M. Ungers

Während der Sanierung muss das Kölner Wallraf-Richartz-Museum wohl schließen. Wo könnte die Sammlung stattdessen gezeigt werden?

In der Kölner Kultur will die Liste der schlechten Nachrichten offenbar nicht abreißen. Die jüngste Hiobsbotschaft: Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud muss für die Dauer der anstehenden Sanierung, also voraussichtlich zwischen August 2026 und März 2028, komplett geschlossen werden (wir berichteten). Zuvor hatte es geheißen, der Museumsbetrieb könne, wenn auch eingeschränkt, während der Baumaßnahmen weitergehen. Lediglich auf Sonderausstellungen wollte das Wallraf ursprünglich verzichten, nicht zuletzt wohl, weil unter den erschwerten Bedingungen einer Sanierung keine Leihgaben zu wirtschaftlichen Bedingungen zu erhalten gewesen wären. Die Sammlungspräsentation mit ihren weltbedeutenden Werken aus dem Mittelalter, des Barock und des Impressionismus, sollte hingegen zugänglich bleiben.

Daraus wird jetzt offenbar nichts. Zudem kündigt das Wallraf für das Jahr 2025 bislang lediglich eine Sonderausstellung an, „Schweizer Schätze“ vom 28. März bis 27. Juli 2025, ironischerweise ein Gastspiel der Sammlung Langmatt aus Baden im Schweizer Kanton Aargau, das allein deswegen möglich wird, weil die Heimat der Sammlung wegen einer Generalsanierung bis Frühling 2026 geschlossen bleiben muss. Ein vergleichbares Schicksal trifft nun auch das Wallraf, wobei nach aktuellem Stand, so jedenfalls Wallraf-Direktor Marcus Dekiert, die Kölner Kunstschätze weder auf Reisen gehen sollen noch sonst in irgendeiner Form zu sehen sein werden.

Muss die Sammlung des Wallrafs für mindestens 18 Monate aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Offiziell steht die Entscheidung darüber laut Stadtsprecher Alexander Vogel noch aus. Anfang Januar soll es ein Gespräch von Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Baudezernent Markus Greitemann, Kulturdezernent Stefan Charles, Projektmanager Jürgen Marc Volm, Wallraf-Stifteratsschef Peter Jungen und Dekiert geben, um eine Sanierung bei laufendem Betrieb oder die Möglichkeiten eines Interims zu prüfen. Allerdings dürfte es schwierig werden, eine weitere Zwischenlösung für ein Kölner Museum zu finden – das Wallraf wäre nach dem Römisch-Germanischen-Museum und dem Stadtmuseum das dritte städtische Museum, das wegen der Sanierung des Stammhauses notdürftigen Unterschlupf in einem Interim suchen müsste.

Soll die Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums nicht für mindestens 18 Monate aus der Öffentlichkeit verschwinden, bleibt vermutlich lediglich eine Möglichkeit: die Wiederbelebung des Kölner Doppelmuseums aus Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig. Es bestand in den Jahren 1986 bis 2000 und vereinte die wichtigsten Werke beider Häuser in einem gemeinsamen Rundgang durch die Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Im Jahr 2001 zog das Wallraf in seine aktuelle Heimat, einen Neubau des Kölner Architekten O. M. Ungers am Rathaus.

Ob diese Möglichkeit praktikabel wäre, müssen die Experten bewerten und entscheiden; ob sie gewünscht ist, die Kölner Politik. In den Jahren nach 1986 funktionierte das Doppelmuseum hervorragend, und es ließe sich heute mutmaßlich wieder gut vermarkten. Es gibt weltweit nicht viele Museen, in denen sich die Entwicklungslinien der westlichen Kunstgeschichte in vergleichbarer Dichte und derart hoher Qualität verfolgen ließen, wie damals in der Zweckgemeinschaft aus dem alten Wallraf und dem neu gegründeten Museum Ludwig.

Hinter dem Museum Ludwig ist in Köln (Nordrhein-Westfalen) der Dom zu sehen.

Der Eingang zum Kölner Museum Ludwig

Das Doppelmuseum von 1986 war so wenig eine Liebesheirat, wie die mögliche Wiederbelebung eine solche wäre. 1969 hatten Peter und Irene Ludwig im damaligen Wallraf-Richartz-Museum (dem heutigen Museum für Angewandte Kunst) ihre private Sammlung zeitgenössischer Kunst präsentiert und vor allem mit den erstmals derart prominent gezeigten Pop-Art-Werken die Kunstwelt elektrisiert. 1974 schenkte das Ehepaar Ludwig der Stadt Köln 350 Arbeiten und erhielt dafür die Zusage, dass diese in einem nach den Stiftern benannten Museum präsentiert würden. Das Wallraf-Richartz-Museum umzubenennen, war undenkbar, und für ein eigenständiges Museum erschien die (später durch weitere Schenkungen erweiterte) Ludwig-Sammlung noch zu klein. So wurde die Idee eines Doppelmuseums geboren, das sowohl das Wallraf als auch das Museum Ludwig in sich aufnahm.

Das Arrangement war politisch hochumstritten, das von den Kölner Architekten Peter Busmann und Godfrid Haberer konzipierte Doppelmuseum am Dom jedoch überaus erfolgreich. Das Ehepaar Ludwig bot daraufhin an, der Stadt Köln 90 Werke ihrer Picasso-Sammlung zu überlassen, sofern die Zweckgemeinschaft mit dem Wallraf aufgelöst und das Doppelmuseum als Museum Ludwig weitergeführt würde. Auch dieses Angebot war umstritten, doch die Stadt wollte dem Köder nicht widerstehen. Bereits 2001 zog das Wallraf in den Ungers-Bau.

Das Doppelmuseum von 1986 war so wenig eine Liebesheirat, wie die Wiederbelebung eine solche wäre

Im Jahr der Trennung schien das Kölner Museumsglück perfekt zu sein. Gerhard Richter sagte dieser Zeitung, es sei nie gerne ins Museum Ludwig gegangen (er setzte es sogar in Anführungsstriche) und sei daher „beglückt, dass ich die vielen schönen Bilder ab jetzt in einer angemessenen Umgebung ungestört sehen kann“. Obendrein sei das neue Museum ein wunderbarer Ungers-Bau geworden. „Köln hat sich und seinen Besuchern das schönste Geschenk seit langem gemacht“, so Richters Fazit.

Gerade im Wallraf sieht man das eigene Gebäude heute etwas nüchterner. Ein Erweiterungsbau des Schweizer Architekturbüros Christ & Gantenbein soll die Ausstellungsfläche vergrößern und einige funktionale Defizite des Ungers-Baus mildern; nach langer Anlaufzeit ist das Projekt mittlerweile auf einem guten Weg.

Wie könnte das wiederbelebte Doppelmuseum aussehen? Das Wallraf wäre nur Untermieter und müsste sich in seinen Ansprüchen bescheiden; dass etwa das Museum Ludwig seine Sonderausstellungsflächen hergäbe, ist kaum vorstellbar und würde dem Haus über Gebühr schaden. Am ehesten könnte das Ludwig mutmaßlich das Untergeschoss opfern, in dem derzeit die Sammlung zeitgenössischer Kunst zu sehen ist. Hier könnten Mittelalter, Barock und Impressionismus aus dem Wallraf ein Asyl finden, und das Ludwig könnte weiterhin seinen Kernbestand präsentieren: Expressionismus, Picasso, Pop Art, Nachkriegskunst – und die Gegenwart weitgehend auf die Sonderausstellungen auslagern. Eine schmerzliche Lösung wäre auch dies. Aber die Alternative hieße wohl, die Wallraf-Sammlung für mindestens 18 Monate wegzuschließen.

Marcus Dekiert und Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. (mit mhe)