Beate Müller-Watrin führt seit den 80er Jahren Frauengruppen durchs Museum – und bemüht sich darum, besonders Künstlerinnen zu fördern.
Treue Gäste seit den 80er JahrenKölnerin feiert ihr 50. Jubiläum als Museumsführerin
„Wie ein Wohnzimmer“, so fühlt sich das Museum Ludwig in Köln für Beate Müller-Watrin an. Hier, in der größten Pop-Art Sammlung Europas, hat die 81-Jährige Ende der 70er Jahre als eine der ersten Frauen durch die damals neue Pop-Art geführt. In keinem anderen Museum habe sie seitdem mehr Touren gegeben als hier. Zum Interview anlässlich ihres 50. Jubiläums als Museumsführerin will sie sich deshalb ebendort treffen, wo sie so lange „praktisch gelebt“ hat.
Müller-Watrin begann ihre Karriere 1974 als freie Mitarbeiterin im Museumsdienst der Stadt Köln. Ihre erste Führung gab sie in der Ausstellung „Kleider machen Leute“ im Kölnischen Stadtmuseum. Es folgten viele weitere Kölner Museen: das Museum Ludwig, das Wallraf-Richartz Museum, das Römisch-Germanische Museum und andere. Über die Jahre hinweg hat Müller-Watrin insbesondere durch Sonderausstellungen geführt, angefangen bei Andy Warhol und dem Blauen Reiter bis hin zu Gabriele Münter und der amerikanischen Künstlerin Roni Horn. Nebenbei gab sie Mal- und Siebdruckkurse.
Das Publikum hat sich verändert
Das Publikum der Museumsführerin war immer gemischt: Vorschulkinder, Senioren, Menschen mit Behinderung. „Ich habe eine Vielfalt von Menschen erlebt und gelernt, mich flexibel auf sie einzustellen“, sagt Müller-Watrin heute und lächelt. Dabei hätten sie und die anderen Mitarbeitenden des Museumsdienstes zum Beispiel durch ihre Kurse für Kinder immer versucht, das Museum zu einem Ort für alle Menschen zu machen. Es sollten nicht nur Besucher aus privilegiertem Hause kommen. „Früher war es etwas Elitäres, ins Museum zu gehen“, erklärt Müller-Watrin.
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Das habe sich mit der Zeit geändert, heute sei das Publikum breiter aufgestellt. „Es ist selbstverständlicher geworden, die Freizeit im Museum zu verbringen“, sagt die Museumsführerin. Der Andrang auf Ausstellungen zu klassischer und moderner Kunst sei trotz teurerer Tickets mit den Jahren immer größer geworden.
Die Gäste sind ihr seit den 80er Jahren treu geblieben
Seit den 80er Jahren bietet Müller-Watrin zusätzlich zu ihren regulären Führungen auch solche für Frauengruppen der Kölner Melanchthon-Akademie für Erwachsenenbildung an. Diese Gruppen organisieren neben Kursen zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen Freizeitaktivitäten wie gemeinsame Museumsbesuche. Einige Gruppenmitglieder sind Müller-Watrin seit den 80er Jahren treu geblieben und kommen noch heute zu ihren Führungen, die sie seit ihrer Pensionierung vor 10 Jahren privat gibt.
Mitglied in einer dieser Frauengruppen ist Susanne Helm, die auch zum Interview ins Museum Ludwig gekommen ist. Sie nahm vor acht Jahren über die Frauengruppe an ihrer ersten Museumsführung mit Müller-Watrin teil. „Damals hatte ich keine Ahnung von Kunst.“ Aber Müller-Watrin führe mit einer solchen Leidenschaft durch die Ausstellungen, „dass der Funke auf mich übersprang“, sagt Helm und lacht. „Und ich glaube, das ging ganz vielen Teilnehmerinnen so.“
Für Künstlerinnen ist der Karriereaufstieg oft schwer
Frauen in der Kunst zu fördern, war Müller-Watrin durch ihre gesamte Karriere hinweg wichtig. Sie weiß, was es heißt, sich durchbeißen zu müssen. Auf die Kunsthochschule ging die Museumsführerin erst in den 80er Jahren, nachdem sie selbst von einer politischen Frauengruppe darin bestärkt worden war, ihre Träume zu verwirklichen. Zu dem Zeitpunkt hatte Müller-Watrin bereits zwei Kinder und kämpfte dafür, dass Frauen nicht in die alleinige Rolle der Hausfrau verfielen.
Das Wissen für ihre Führungen eignete sich Müller-Watrin in der Zeit bis zum Kunststudium selbst an – um dann auf der Kunstschule gesagt zu bekommen: „Geh zurück an den Kochtopf. Familie und Kunst kann man nicht vereinbaren.“ Doch sie ließ sich nicht beirren, studierte fertig und gab nebenbei weiter ihre Museumsführungen.
Heute will sie im Museum Ludwig Künstlerinnen zeigen, die dort ausstellen. Aber da gibt es leider nicht so viele. Zwar schauen von einigen Leinwänden weibliche Gesichter auf die Besucherinnen und Besucher herab. Gemalt wurden die Bilder aber meist von Männern. Oder von den Frauen berühmter Künstler, die im Schatten ihrer Männer standen und stehen, wie Müller-Watrin erklärt. Sie zeigt auf ein Gemälde von Lee Krasner, der Ehefrau von Jackson Pollock. Krasner, sagt Müller-Watrin, sei nie so berühmt geworden wie Pollock.
Durch die Kunst hat sich Müller-Watrin emanzipiert
Noch immer beobachtet Müller-Watrin auf ihren Touren, dass Künstlerinnen unterrepräsentiert sind, auch wenn es dieses Jahr viele Ausstellungen über Frauen gegeben habe. „Frauengeschichtsschreibung und Frauengeschichte sind lange nicht aufgearbeitet worden“, sagt die Museumsführerin. Sie zuckt mit den Schultern und fasst trocken zusammen: „Das Leben im Patriarchat.“
Sie selbst habe das Gefühl, sich durch die Kunst emanzipiert zu haben, erzählt Müller-Watrin. Früher sei sie viel introvertierter gewesen. Durch die Führungen habe sie gelernt, selbstbewusst vor großen Gruppen zu sprechen. „So habe ich mich geöffnet.“
Nächstes Jahr will die Künstlerin ihre eigenen Werke ausstellen: Neben ihren Führungen malt und zeichnet Müller-Watrin. Sie glaubt: „Meine eigene Kunst und die künstlerische Vermittlung sind meine Lebensaufgabe.“
Die Museumsführerin ist offen für Neues
Ein Lieblingskunstwerk hat Beate Müller-Watrin in den Kölner Museen nicht. „Ich bin immer sehr offen für Neues.“ Am meisten geht sie in der modernen Kunst auf, vielleicht gerade weil die sich mit dem Neuen, manchmal auch Zukünftigen beschäftigt. Das auch persönlich zu tun sei Müller-Watrin in ihrem Alter wichtig, aber früher habe ihr ebenso daran gelegen.
Auf ihr Alter wolle sie nicht reduziert werden. „Ich bin kein Schubladenmensch“, sagt die Museumsführerin. Natürlich habe sie nicht mehr so viel Energie wie früher, aber ihre Leidenschaft für Kunst sei unvermindert. Wenn die Leute betonten, dass Müller-Watrin ihre Führungen immer noch mache, trotz ihres Alters, frage sie zurück: „Warum ‚noch‘? Ich mache sie. Punkt.“