Anne-Sophie Mutter war in Köln mit dem zweiten Violinkonzert von „Star Wars“-Komponist John Williams zu Gast. Unsere Kritik.
Anne-Sophie Mutter spielt John WilliamsEin virtuoser Abend, nur leider ohne Spannung und Dramaturgie
Die Solovioline singt, seufzt, jauchzt, tanzt, schwingt sich auf und ab. Erst ganz am Ende des viersätzigen Drahtseilakts kommt die Virtuosenpartie auf einem weichen Spitzenton zur verdienten Ruhe. John Williams schrieb sein zweites Violinkonzert für die Weltklassegeigerin Anne-Sophie Mutter, die sich schon als Teenager für dessen Filmmusik zum Weltraumepos „Star Wars“ begeisterte. Im Juli 2021 brachte die Widmungsträgerin das Bravourstück mit dem Boston Symphony Orchestra zur Uraufführung. Nun spielte sie die Kölner Erstaufführung mit dem Dallas Symphony Orchestra unter Leitung von dessen Chefdirigent Fabio Luisi.
Schon als Teenager begeistere sich Anne-Sophie Mutter für die Musik zum Weltraumepos „Star Wars“
Gleich zu Anfang darf sich die Sologeige mit improvisatorischer Varianz und Freiheit über sanftes Flokati legen. Das Orchester rollt weiche Klangteppiche für die wahlweise expressiven Kantilenen oder kapriziösen Pirouetten der Prima Donna aus. Der weltbekannte Filmmusikkomponist reiht mehr oder minder charaktervolle Episoden, schafft damit aber keine plastische Form und Dramaturgie. Eben noch mit tänzerischem Schwung aufspielend, versinken Solo und Tutti im nächsten Moment in ein zartes Adagio. Und kaum dass das Orchester ein bisschen Fahrt aufnehmen darf, wird es schon wieder ausgebremst, weil sich die Sologeige erneut mit einer Kadenz ins Rampenlicht drängelt.
Inmitten der von Mutter brillant bewältigten Figurationen sind wiederkehrende Zwiesprachen der Geige und Harfe von überraschender Eigenwilligkeit und formaler Bindekraft. Die Harfe sitzt deswegen direkt vorne beim Dirigenten zwischen Celli und Bratschen. Schon 2017 hatte Williams für Mutter das ebenso virtuose „Markings“ für Sologeige, Streichorchester und Harfe geschrieben. Im dritten Satz „Dactyls“ des Violinkonzerts wird der Dialog von Geige und Harfe nun durch impulsiv dreinfahrende Pauken zum aparten Trio ergänzt. Auch „What Keeps Me Awake“ der 1981 in Puerto-Rico geborenen Angélica Negrón endete zuvor mit einem Solo der Harfe. Das kurze Präludium ließ stets andere Themen zaghaft beginnen, abbrechen, neu ansetzen: ein Stammeln konventioneller Orchestergesten.
Agierten Orchester und Dirigent im Violinkonzert eher als Dienstleister dezent im Hintergrund, zeigten sie ihr Können schließlich bei Tschaikowskys fünfter Symphonie. Die Texaner gestalteten Expressivität primär durch agogische Wechsel und starke Ritardandi, zu wenig jedoch durch ausdrucksvolle Tongebung. Die Bläsersoli gelangen ausgezeichnet, doch klangen die Fanfaren der Trompeten zu scharf und zackig abphrasiert. Staubtrocken blieben vor allem die Streicher. Nach dem tragischen Kopfsatz müssten die Violinen das „Andante cantabile“ wie mit einem Bogen und Atem singen. Doch statt Herzenswärme aufblühen zu lassen, spielte man bloß eine Melodie: amerikanische Brillanz statt russischer Seele.