Armin Teutoburg-Weiß von Beatsteaks„Frauen sind die Zukunft“

Die Beatsteaks
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Köln – Auch den Beatsteaks, einer der nach wie vor erfolgreichsten Rockbands Deutschlands, fällt langsam aber sicher die Decke auf den Kopf. Fürs erste immerhin behelfen und beschäftigten sich die fünf Männer mit einem halben Album, auch EP genannt, das sie „In The Presence Of“ genannt haben. Darauf covern sie ausnahmslos Lieder, die im Original von Frauen gesungen werden. Kann man ja ruhig mal machen. Wir unterhielten uns mit Sänger Arnim Teutoburg-Weiß (46) über das Werk, das Seuchenjahr und seine Tochter.
Arnim, 2020. Dein Fazit?Arnim Teutoburg-Weiß: Man kämpft sich so durch. Den einen Tag geht es mir so, den anderen so. Gut fühle ich mich immer dann, wenn ich Musik mache. Ich versuche, kreativ in Bewegung zu bleiben und meine Taschen mit Ideen zu füllen.
Letztes Konzert in 2018
Die Beatsteaks sind eine der besten und beliebtesten Live-Bands des Landes. Wann war eigentlich euer letztes Konzert?Das ist schon ewig her. 2018 war das. Wir hatten uns ja schon bewusst das ganze Jahr 2019 freigenommen. Im Sommer wollten wir unser 25-jähriges Bandjubiläum feiern, woraus dann bekanntlich nichts wurde. Ich muss schon aufpassen, dass ich nicht in ein Loch falle. Im Moment haben wir genug zu tun mit der EP, dann ist Weihnachten, doch für den Januar muss ich mir dringend ein paar Sachen vornehmen, sonst hänge ich nur zuhause rum und werde melancholisch. Die Konzerte, so wie wir sie kennen, lieben und spielen wollen, die sind noch weit weg. Und das ist eine harte Pille.
Hilft es, dass ihr zu fünft seid?Ja. Ich bin so froh, dass ich die anderen habe und kein Solokünstler bin. Wir führen gerade wirklich viele Gespräche untereinander. Einer von uns ist eigentlich immer down, der muss dann wieder aufgebaut werden.
Auf wessen Mist ist die Idee zu der EP „In The Presence Of“ entstanden?Auf meinem. Lange geplant war das nicht. Ich hatte die Idee im Sommer, als klar war, dass wir nicht touren konnten und uns irgendwie halbwegs sinnvoll beschäftigen mussten. Mit dem Plan, Songs zu singen, die im Original von Frauen gesungen werden, bin ich zum Rest der Band und zu unserem Produzenten Moses Schneider gegangen, und dann ging alles ganz schnell. Plötzlich standen wir freudestrahlend und überglücklich in den Hansa Studios in Berlin und spielten zusammen diese Lieder ein.
Lieber sechs geile Songs
Stand es nicht zur Debatte, ein komplettes Album aufzunehmen, wenn ihr schon dabei seid?Ein wenig hatten wir den Gedanken im Hinterkopf, aber uns blieben nur drei, vier Tage Zeit im Studio. Also haben wir lieber sechs richtige geile Songs ausgesucht und jeden einzelnen mit so viel Mühe und Hingabe aufgenommen wie möglich. Das ganze Teil dauert jetzt fünfzehn Minuten. Man kann es wunderbar am Stück durchhören.
Warum überhaupt Cover-Songs von Frauen?Zum einen trittst du nicht in Konkurrenz zu den Originalen und denkst, du musst jetzt so klingen wie Elvis oder so. Darüber hinaus haben mich Sängerinnen und Frauenbands genauso geprägt wie Männer. Ich hatte Lust auf einen Perspektivwechsel. Ich singe auch aus der Sicht der Frauen. Wir haben an den Texten nichts geändert, weil ich ein Mann bin. Tatsächlich geht es uns um eine Verbeugung vor den Frauen.
„I just wanna be a woman“, singst du etwa in „Glory Box“, im Original von Portishead und gesungen von Beth Gibbons. Malst du dir aus, wie ein Leben als Frau aussehen könnte?Ich bin ja Vater einer kleinen Tochter. Sie ist jetzt neun Jahre alt und stellt mir Fragen wie „Warum lassen mich die Jungs beim Fußball nicht mitspielen?“ Sie akzeptiert es nicht, ungerecht von Jungs behandelt zu werden, und ich akzeptiere das auch nicht. Ich stehe total hinter der Feminismus-Debatte und finde: Frauen sind die Zukunft. Ich habe die Schnauze voll von grauen alten Männern. Es muss sich noch viel ändern, aber ich finde, die Richtung stimmt. Die USA haben jetzt eine Vizepräsidentin, und überhaupt machen Frauen seit Jahren die bessere Rockmusik als Männer. Und was „Glory Box angeht – für mich ist das ein Jahrhundertpopsong.
Hast du für deine Tochter die passenden Antworten?Ich gebe mir Mühe, aber die besseren Antworten hat eindeutig meine Frau.
Du hast geheiratet? Du hast doch immer erzählt, dass sie nicht so recht wollte.Ja! Wir sind seit vierzehn Jahren zusammen, und seit letztem Dezember sind wir ein Ehepaar (hält seinen Ehering in die Kamera). Geheiratet haben wir an unserem Kennenlerntag. Das war ein großer Tag für unsere kleine Familie. Unserer Tochter hatten wir vorher nichts erzählt und sie überrascht. Sie musste an dem Tag nicht in die Schule, sondern mit aufs Standesamt.
Durch und durch Feminist
Würdest du sagen, du bist ein Feminist?Durch und durch. Für mich ist Gleichberechtigung selbstverständlich. Es ist ja fast schon doof, das überhaupt noch zu sagen. Aber was für mich selbstverständlich ist, ist eben nicht für alle anderen auf der Welt genauso selbstverständlich. Frauen werden nach wie vor schlechter bezahlt und von den Positionen ferngehalten, auf denen wirklich die Entscheidungen getroffen werden.
Was verbindet dich mit der von Annette Humpe geschriebenen Ideal-Nummer „Monotonie“?Moses Schneider hat mir 2003, als wir anfingen, zusammen zu arbeiten, ganz viele Rockbands vorgespielt, zu denen man tanzen kann: The Police, The Talking Heads, und irgendwann meinte er: In Berlin gab es Ideal. Für mich waren die bis dahin immer der Neuen Deutschen Welle zuzurechnen, aber dann haben wir das zusammen gehört, und es bestand kein Zweifel mehr daran, dass Moses recht hatte. „Monotonie“ ist von allen Ideal-Songs unser Liebling. Wir haben unsere Version auch an Annette Humpe geschickt, und sie hat ihr total gefallen.
Rockmusik aus Berlin zum Tanzen – da reihen sich die Beatsteaks ein, oder?Unbedingt. Wir wollten immer die Band sein, die die Party schmeißt. Tanzen ist ganz wichtig. Im Moment tanze ich viel mit meiner Tochter in der Küche – oder nach dem Rotwein mit meiner Frau.
Außerdem covert ihr „Shitlist“ von L7, das von Maureen Tucker gesungene „After Hours“ von The Velvet Underground, Joan Jetts „You Don’t Own Me“ sowie „Von nun an geht’s bergab“ von Hildegard Knef. Eine wildere Mischung ist kaum vorstellbar.Wir sind da wirklich angenehm hemmungslos vorgegangen und haben uns weder auf eine Sprache, noch auf ein Genre, noch auf eine Epoche limitiert. Entscheidend war, dass die Songs gesanglich meinen Geschmack widerspiegeln und dass die Band Spaß hat, sie zu spielen.
Ist denn dein Musikgeschmack wirklich so vielfältig?Ja, total. Ich versuche eigentlich, jeden Tag einen neuen Song zu finden, zu dem ich drei Minuten lang meinen Kopf ausschalten kann. Das war auch schon vor Corona so. Und an Tagen, an denen ich nichts entdecke, höre ich dann einfach die Pet Shop Boys, weil ich die über alles liebe. „Rent“ und „Being Boring“ sind meine Lieblingslieder von denen. Jugendhits. Ganz groß.
Du hast musikalisch dann eine etwas andere Richtung eingeschlagen. Hättest du dir vorstellen können, Popmusik zu machen?Hätte ich, allerdings bin ich sehr, sehr gerne Teil einer Band. Alles, was man bei den Beatsteaks hört, ist das Ergebnis von fünf Leuten und deren Geschmack. Wir bringen keine gemeinsame Musik raus, sofern sie uns nicht allen gefällt. Bei „Shitlist“ zum Beispiel bewegen wir uns am weitesten und am krassesten weg vom Original. Wir haben die Gitarren weggelassen und machen stattdessen mehr mit Bass, Schlagzeug und Gesang. Das Ergebnis klingt fast so, als wäre es ein Song von den Beastie Boys.
Hildegard Knef haben wir verehrt
Hast du Hildegard Knef noch persönlich kennenlernen können?Leider nicht. Mein Papa hatte die ganzen Platten von ihr. Hilde Knef und Manfred Krug wurden bei uns zuhause aufs Höchste verehrt. Solche Sängerinnen wie die Knef gibt es ja heutzutage gar nicht mehr. Die letzte, die mir einfällt, war vielleicht Amy Winehouse.
Wird das ausgefallene Jubiläum 2021 nachgeholt, eventuell sogar mit einem neuen Album nebst Tournee? Wir halten uns bereit. Keiner von uns möchte in Zukunft etwas anderes machen als Beatsteaks. Wir werden ganz sicher von uns hören lassen. Ich bin ein verheirateter, braver Familienvater, aber mir fehlt es so wahnsinnig, auf der Bühne den Kopf auszuknipsen und nur noch einer der Beatsteaks zu sein.