Arooj Aftab in KölnDie Sängerin, von der Barack Obama träumt
Köln – Der Brecht’schen Aufforderung „Glotzt nicht so romantisch!“ kann man seit Donnerstagabend eine neue Variation hinzufügen: „Hört nicht so spirituell!“ Auf der Bühne des Artheater steht die pakistanische Sängerin und Komponistin Arooj Aftab.
Seit zwölf Jahren lebt sie in Brooklyn, ist dort Teil einer Szene, die sich frei zwischen Jazz, Avantgarde, Pop und nicht-westlicher Musik bewegt. Nun tritt sie im Rahmen der Cologne Jazzweek zum ersten in Köln auf. Der Stadt von Kraftwerk, wie sie irrtümlich schwärmt. Aber was sind schon die paar Kilometer den Rhein runter von New York oder Lahore aus gesehen.
Wenn Aftab ihre Stimme über weit ausgreifende Melodiebögen gleiten lässt, in ihrer Muttersprache Urdu Jahrhunderte alte Ghasel – eine lyrische Gedichtform aus vorislamischer Zeit – neu interpretiert, dann ist man in der Tat versucht, die Augen zu schließen, in die eigene Innenwelt abzutauchen, oder die Wirklichkeit transzendierenden Wahrheiten hinterher zu haschen.
Zu viel Whiskey und Sehnsucht nach Liebhabern
Für aufsteigende New-Age-Ballons hat Aftab eine Nadel parat: „Meine Songs handeln alle nur davon, dass ich mich alleine mit Whiskey betrinke und einen Liebhaber herbeisehne.“
Aber wie schön sind sie anzuhören, diese sehnsüchtigen Songs. Wie zwingend halten sie das Publikum in ihrem Bann, obwohl sich die Sängerin doch nur von Gyan Riley an der halb-akustischen, mit zahlreichen Effektpedalen manipulierten Gitarre und Petros Klampanis am Kontrabass begleiten lässt. Was heißt hier nur? Beide Musiker glänzen mit einfühlsamer Virtuosität.
Pakistans prominenteste Künstlerin
Auf ihrem aktuellen Album „Vulture Prince“ kommen aber noch zahlreiche andere Instrumente hinzu, am prominentesten die Harfe. Die Musik klingt trotzdem alles andere als überfrachtet, man könnte glatt behaupten, Aftabs Song sind Abgründe auslotende Dub-Versionen ihres pakistanischen Erbes.
Sie befindet sich auf einer faszinierenden Reise, der sich in den vergangenen Monaten immer mehr Menschen angeschlossen haben: Bei den Grammys konkurrierte die 37-Jährige als „Best New Artist“ mit Teen-Pop-Queen Olivia Rodrigo, gewann das goldene Grammophon schließlich für ihren Song „Mohabbat“, als erste Kunstschaffende aus Pakistan überhaupt. Prompt landete „Mohabbat“ auf Barack Obamas Sommer-Playliste.
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Vielleicht steckt also doch mehr hinter Aftabs eigensinniger Vision, als ihre flapsige Ansagen – darunter eine höchst amüsante Beschwerde über Hotelföhne – vermuten lassen. Die mit der ungeliebten Betrunkenen war jedenfalls eine glatte Lüge: Auf „Vulture Prince“ verarbeitet sie unter anderem den Tod ihres jüngeren Bruders und weitet ihre Trauer zum Klagelied über Jahrhunderte voller Gewalt.
„So schrecklich, wie die Welt gerade ist“, sagt Arooj Aftab in Köln, „könnten meine Songs glatt Top-40-Hits sein.“