Astronom aus Frechen über Schwarze Löcher„Jede Ameise ist komplizierter“
- Am 10. April 2019 haben kooperierende Wissenschaftler eine Sensation präsentiert: Erstmals war es gelungen, eine Abbildung eines Schwarzen Loches herzustellen.
- Die Idee zu diesem Projekt hatte der in Frechen lebende Astronom Heino Falcke, der auch einer der wissenschaftlichen Leiter des Projekts war.
- In seinem am Samstag erschienenen Buch „Licht im Dunkeln“ beschreibt er, wie das Vorhaben Realität wurde und erklärt das Phänomen.
Köln – Das Bild ist ein bisschen unscharf. Es zeigt einen orange-gelben Ring um eine dunkle Mitte. Moderne Kunst, könnte man meinen, wenn es irgendwo gerahmt an der Wand hinge. Tatsächlich ist dieses Bild, das am 10. April 2019 zeitgleich in Brüssel, Washington, Tokio, Santiago de Chile, Schanghai und Taipeh der Weltöffentlichkeit präsentiert wird, eine Sensation.
Erstmals war es einer Gruppe international kooperierender Wissenschaftler gelungen, eine Abbildung eines Schwarzen Loches herzustellen. Die Idee zu diesem Projekt hatte der in Frechen lebende Astronom Heino Falcke, der auch einer der wissenschaftlichen Leiter des Projekts war und in seinem am Samstag erschienenen Buch „Licht im Dunkeln“ beschreibt, wie das Vorhaben Realität wurde.
Hinter dem Ereignishorizont
Es geht um kosmische Monster. „Supermassereiche Schwarze Löcher sind Weltraumfriedhöfe. Sie entstehen aus verglühenden, ausgebrannten und erlöschenden Sternen“, erklärt Falcke. Unglücklicherweise entziehen sie sich unserer Aufmerksamkeit, denn die Giganten sind nicht sichtbar. „Sehen“ kann man bis zu ihrem Rand, dem sogenannten Ereignishorizont. Was hinter ihm verschwindet, bleibt verborgen, weil die Schwerkraft der Schwarzen Löcher so groß ist, dass sie alles verschluckt, was in ihre Nähe kommt. Nichts kann ihnen entweichen – noch nicht einmal Licht.
Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus. Vermutlich auch deswegen hat man diese kosmischen Objekte „Tor zur Hölle“ genannt. „Eigentlich sind Schwarze Löcher die einfachsten Objekte im ganzen Universum. Jede Ameise ist komplizierter“, sagt Falcke dagegen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Denn in einem Schwarzen Loch werde alles gleich gemacht, alles komprimiert – Materie, Strahlung, Information.
Sechs Milliarden Mal so massereich wie unsere Sonne
Für das Foto hatten sich die Astronomen nicht in der unmittelbaren kosmologischen Nachbarschaft umgesehen. Rund 55 Millionen Lichtjahre sind es bis zur Galaxie Messier 87, in deren Zentrum ihr Objekt der Begierde liegt. Ein Gigant – mehr als sechs Milliarden Mal so massereich wie unsere Sonne. Natürlich hat Falcke mit großer Aufmerksamkeit für die Präsentation gerechnet. „Aber als die Pressekonferenz beginnt, begreifen wir noch gar nicht, was sie alles auslösen wird.“ Binnen kurzer Zeit haben vier Milliarden Menschen das Bild gesehen. Die mediale Wirkung der Veröffentlichung überrollt die Forscher.
Zum Buch
Heino Falcke mit Jörg Römer: Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir. Klett-Cotta, 384 Seiten, 24 Euro, E-Book: 18,99 Euro.
Das Bild von M87 hat die Branche aufgerüttelt. „Es gab keine Konferenz, auf der es nicht gezeigt wurde“, sagt der heute 54-Jährige. Schwarze Löcher sind wieder in, wie auch der diesjährige Physiknobelpreis zeigt, der an Forscher vergeben wurde, die ein solch bizarres Objekt im Zentrum unserer Milchstraße entdeckt und die mathematischen Grundlagen ihrer Existenz gelegt hatten.
Schwarze Löcher schwer vorzustellen
Dabei sind Schwarze Löcher eine harte Nuss für unsere Vorstellungskraft. Die Exotik des Untersuchungsgegenstands wird deutlich, wenn Falcke sagt, dass man beispielsweise „in einem Schwarzen Loch in der Zeit reisen kann. Es gibt mathematische Lösungen, die es mir erlauben, einmal darum herum zu fliegen und zum Zeitpunkt des Startes wieder zurückzukehren.“
Wie das physikalisch funktionieren soll, wisse man aber nicht. „Der Raum wird innerhalb von Schwarzen Löchern in eine Richtung unendlich ausgedehnt, obwohl es sich dabei um abgeschlossene Kugeln handelt.“ Schwer zu verstehen, gewiss. „Wir können es rechnen, aber nicht denken“, räumt der Astronom ein.
Der Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen
„Licht im Dunkeln“ unternimmt trotzdem den Versuch, das Unsichtbare sichtbar und das Unvorstellbare vorstellbar zu machen. Schon der Untertitel – „Schwarze Löcher, das Universum und wir“ – ist ein niederschwelliges Angebot, weil er das Unbegreifliche auf Augenhöhe bringt. Wenn man so will, besteht genau darin eine Mission, der sich Falcke seit langem verpflichtet fühlt. „Ich will Menschen erreichen. Mir ist es immer auch darum gegangen, möglichst vielen Menschen zu erklären, womit wir uns beschäftigen.“
Falcke, der an der Universität in Nijmegen einen Lehrstuhl in Radioastronomie innehat und in dem Projekt eng mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn zusammenarbeitet, wünscht sich noch bessere Teleskope, zum Beispiel in Namibia, um der verwaschenen Aufnahme deutlich präzisere nachfolgen zu lassen. „Natürlich müssen wir uns fragen: Was bedeutet das, was uns das Bild zeigt und was können wir noch mehr lernen?“
Eine Reise ins Universum
Dass seine letzten Anträge für weiterführende Forschungen in den Niederlanden abgelehnt wurden, wurmt ihn, denn die Amerikaner haben seitdem fast 20 Millionen Dollar bekommen. „In den Niederlanden soll keine Blume zu sehr aus dem Rasen herauswachsen. Ich höre schon mal, ich hätte soviel Erfolg gehabt, jetzt müssten auch andere Forscher zum Zuge kommen. Daher sollte ich jetzt wahrscheinlich eher Forschungsanträge schreiben als Bücher.“
Sein Buch jedenfalls ist eine Reise, die über die irdischen Mühen eines Forschungsprojekts in die fernen Welten des Universums und wieder zurückführt. Falcke gehört zu den Landvermessern der Grenzen der erklärbaren Welt. Urknall und Schwarze Löcher sind Anfang und Ende unseres Universums. Was davor lag oder dahinter liegt, ist Spekulation – oder Religion.
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Falcke jedenfalls ist ein gläubiger Protestant, der als ordinierter Prädikant in Frechen in der Kirche predigt. Sein Glaube spielt auch in seinem Buch eine Rolle. „Physik und Astrophysik schenken uns nicht nur die Schönheit des Universums, sie führen uns auch zu den ganz großen Fragen des Lebens.“
Im letzten Kapitel von „Licht im Dunkeln“ schreibt Heino Falcke davon, dass die Schöpfung schon etwas sehr Besonderes sei. „Dass unser Universum überhaupt funktioniert, ist ausgesprochen verblüffend. Es ist ein Drahtseilakt der Physik, ein Universum hervorzubringen. Dass dieses Räderwerk des Kosmos ineinandergreift und uns Leben ermöglicht, bleibt das größte Wunder der Zeit.“ Das lesenswerte Buch von Heino Falcke dreht sich auch ums große Ganze. Nicht um Gott und die Welt, eher umgekehrt.