Der Kölnische Kunstverein lässt in der Ausstellung „Super-Möbel“ das Prinzip der Funktionalität gelassen hinter sich.
Ausstellung in KölnWer Möbel einfach nur benutzt, ist schon ein Kunstbanause
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Blick in die Ausstellung „Super-Möbel“ im Kölnischen Kunstverein mit einem „Gestell“ von Nuri Koerfer im Vordergrund
Copyright: Mareike Tocha
Bloß weil ein Tisch schief steht, ist er deswegen noch keine Skulptur, und ein Stuhl, der unter einem zusammenbricht, ist nicht unbedingt Aktionskunst. Man darf das ruhig mal erwähnen, weil die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst, miesem Design und cleverem Stilzitat in der Moderne immer mehr verschwimmen. Wenn Designer dysfunktionale Möbel bauen und Künstler an industriellen Wohnwelten herumschrauben, trifft man sich unweigerlich in der Mitte.
Wie moderne Künstler und Designer einander belauern, beklauen und inspirieren, kann man im Kölner Museum für Angewandte Kunst studieren, wobei dort naturgemäß das sich an der Kunstfreiheit labende Design im Fokus steht. Die Gegenperspektive macht nun Valérie Knoll im Kölnischen Kunstverein auf, mit einer Ausstellung, die den schönen Titel „Super-Möbel“ trägt. Die Superkraft des präsentierten Mobiliars liegt darin, dass es mehr ist, als seine Funktion eigentlich hergibt und uns auf den verwegenen Gedanken bringt, alles könnte auch ganz anders sein. Oder um es mit Ikea zu sagen: Wohnst Du noch oder lebst Du schon?
Ein Mischwesen aus Buchregal und drei Eseln lässt das Prinzip der Funktionalität gelassen hinter sich
Gleich das erste Ausstellungsstück, ein Mischwesen aus Buchregal und drei Eseln, lässt das Prinzip der Funktionalität gelassen hinter sich. Es stammt von Nuri Koerfer, die in Heimarbeit zunächst ein schlichtes Holzregal zimmerte, es anschließend mit den Pappmaché-Tieren aufmotzte und den Zwitter mit Harz und grüner Farbe überzog. Das Endprodukt ist als „Sperrgut“ noch zurückhaltend umschrieben, behält aber immerhin die Funktion des Esels als Lasttier bei. Am Ende schreibt Koerfer die bildungsbürgerliche Idee, mit dem eigenen Bücherregal zu imponieren, so souverän wie unpraktisch ins Künstlerische fort.
Derlei Distinktionsgewinne lassen sich im Kunstverein auf Schritt und Tritt erzielen. Michael Beutler hat dort einen 16 Meter langen, aus bunten Stoffresten gefertigten Teppich ausgerollt, für dessen Produktion er eigens einen Webstuhl bauen musste. Im Kunstbetrieb ist dergleichen das Gegenstück zum roten Festivalteppich, gerade weil es aus „armen“ Materialien gefertigt wurde. Auf Beutlers Läufer hat Claus Richter wiederum eine „Familie“ schlafender Möbel (Mutter Tisch und mehrere Stuhlkinder) drapiert, die mit angewinkelten Beinen auf dem Boden liegen, und Joseph Zehrer lässt einen Lüster aus Glühbirnen an einer Leiter herunterbaumeln. Vergleichsweise schlicht wirkt der Verfremdungseffekt bei Nicole Wermers; sie stellt handelsübliche Markisen auf Standfüßen einfach senkrecht in den Saal.
Zwitter aus Möbel und Kunst lassen sich mindestens bis zu Marcel Duchamps Urinal zurückverfolgen
Zwitter aus Möbel und Kunst, so Knoll, lassen sich in der Moderne mindestens bis zu Marcel Duchamps Urinal zurückverfolgen. Allerdings leitet sie diese Seitenlinie der Kunstproduktion nicht historisch her, sondern eher nach Lust, Laune und verfügbarem Budget. Sie habe „nach möbelnahen Objekten für einen hilflosen Freund“ gesucht, schreibt Knoll im Begleitheft, was man getrost als fröhliches Bekenntnis zum ambitionierten Sammelsurium einer Studentenbude verstehen darf. Heimo Zobernigs leere Podeste, die keine Kunst brauchen, weil sie selbst Kunstwerke sind, fallen in der Auswahl schon in den Klassikerbereich; der italienische Designer Enzo Mari, als Mitbegründer der Do-it-yourself-Bewegung so etwas wie der Ahnherr der Ausstellung, ist mit einem Holzstuhl-Entwurf vertreten.
Ansonsten ist der Wohnraum der „möbelnahen Objekte“ gegenwartsnah und weit gesteckt. Er reicht vom Kinderbett, auf dem bei einer Gemeinschaftsarbeit von Rosemarie Trockel, Thea Djordjadze und Gerda Scheepers eine Autodachbox wie ein Albtraum lastet, bis zur düsteren Fotografie einer Veranda von Lutz Bacher. Überhaupt hat die Ausstellung einen Drall ins Unheimliche: Bei Zobernig ist eine Matratze so schwarz getränkt wie ein Stempelkissen, und Dozie Kanu setzt Vogelabwehrspieße in einen offenen Vogelkäfig. Geradezu erleichtert wendet man sich daher der selbsterhaltenden Absurdität bei Nicole Wermers zu; sie lässt eine Reihe Handtrockner viel heiße Luft in Dunstabzugshauben blasen.
Aus der Lagerhallenatmosphäre des Kunstvereins versucht Valérie Knoll das Beste zu machen, indem sie ihre Super-Möbel wie zufällig in der großen Ausstellungshalle verteilt. Ein richtiges Wohngefühl will sich dabei nicht einstellen, jedes Einrichtungshaus verströmt mehr Heimeligkeit. Aber auch dazu hat Knoll das passende Objekt parat. Für ihre Installation „Basic Needs“ verwandelte Gina Folly Umzugskartons mit kleinen Projektoren in Heimkinos: Möbel braucht es nicht, solange die Wohnung nur ein Fenster in die Gegenwelt der Bilder hat.
„Super-Möbel“, Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, Köln, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 4. Mai 2025.