Mit drei Stücken und unter einem neuen Leitungs-Duo startete das Düsseldorfer „Ballett am Rhein“ in die aktuelle Saison.
„Ballett am Rhein“ unter neuer LeitungIst das die Absage an den Choreografen-Kult?
Etwas irritierend war es schon, dass Bridget Breiner beim Düsseldorf-Duisburger „Ballett am Rhein“ mit dieser Spielzeit als neue Chefin antritt, und dann zeigt sie nicht etwa erst die eigene choreografische Pranke mit einer Uraufführung. Vielmehr hievt Breiner gemeinsam mit ihrem Ballettdirektor Raphaël Coumes-Marquet noch einmal das Erfolgs-Stück „Krabat“ ihres Vorgängers Demis Volpi auf den Spielplan. Begründung: So hätte die Kompanie mehr Zeit, sich zu finden. Aber vielleicht setzt hier ein neues Team ja wirklich einmal um, was schon länger in der Ballettwelt gefordert wird: die Absage an den Kult ums Choreografen-Genie?
Neustart mit cleverem Programm
Wie auch immer, jetzt folgte der wirkliche Neustart mit einem ausgesprochen cleveren Programm. Denn neben der erwarteten Uraufführung von Breiner, präsentiert es mit dem britischen Star-Choreografen David Dawson einen Düsseldorfer Newcomer - von ihm war noch nie ein Stück beim Ballett am Rhein zu sehen -, und im Kontrast dazu: einen Düsseldorfer Darling, Hans van Manen. Seit über 20 Jahren zeigt die Kompanie praktisch in jeder Spielzeit Stücke von ihm. Trotzdem gibt es noch unentdeckte van Manens in Düsseldorf. Wie etwa seine fast 50 Jahre alten „Four Schumann Pieces“. Darin schweben die Tänzerinnen und Tänzer in baby-rosa und himmelblauen Kostümen wie Pastell-Wölkchen vorüber, und nur van Manen kann wohl das Wunder gelingen, den Kitsch nicht kitschig aussehen zu lassen dank seiner einzigartigen „Keep-it-simple“-Neoklassik. ‚Nicht kleckern, sondern klotzen‘ lautet dagegen offenbar die Devise seines jüngeren Kollegen David Dawson.
Choreografin Bridget Breiner stellt sich als Stil-Pluralistin vor
Der Brite ist bekannt für seine Hochrisiko-Hebefiguren, bei denen die Frauen von den Männern regelrecht vom Boden weggerissen und in die Luft geschleudert werden. Diese Aggressivität prägt auch sein „Empire Noir“, sein dunkel-stählernes Reich, das das Ballett am Rhein jetzt einstudiert hat. Die Akrobatik gelingt der Kompanie perfekt. Dabei allerdings auch sexy und cool auszusehen, muss es sich wohl noch erarbeiten. Zumal es von der hochgetunten Technik künftig mehr beim Ballett am Rhein geben wird. Co-Direktor Raphaël Coumes-Marquet war in seiner Tänzerkarriere eine Muse des Choreografen. Das David-Dawson-Design wird ab jetzt also zum Markenkern der Kompanie gehören. Vor allem prägt den aber natürlich die Bewegungssprache der neuen Chefchoreografin Bridget Breiner. Sie stellt sich an diesem ersten Abend als Stil-Pluralistin vor, die sowohl das erzählende als auch das abstrakte Ballett schätzt.
Neues Leitungs-Duo erhebt hohe Ansprüche
„Biolographie“ nennt Bridget Breiner ihr Stück zum live von den Düsseldorfer Symphonikern und der Pianistin Alina Bercu gespielten Zweiten Klavierkonzert von Rachmaninow. Ein Mischwort aus Biologie und Biografie, eine Verbindung also von evolutionsgeschichtlicher und individueller Wurzelsuche. So lässt Breiner anfangs einen Tänzer als Alexander von Humboldt über die gebeugten Rücken seiner Kolleginnen und Kollegen klettern als erklömme er den Chimborazo. Arg pathetisch geraten diese ersten Szenen. Viel schöner sind dagegen die anderen Teile der Choreografie, wenn Breiner sich weniger auf eine historische Figur als auf den Tanz selbst konzentriert, und in rasanten Duos und Trios die Formenvielfalt des zeitgenössischen Balletts feiert. So eigenwillig wie die „Signatur“ ihrer beiden männlichen Kollegen ist Breiners choreografische Handschrift nicht. Aber klar ist nach diesem „Signaturen“ genannten Abend der Ehrgeiz eines neuen Leitungs-Duos, dass zumindest Ballett-technisch die Düsseldorfer Kompanie zur ersten Liga gehören soll.
Nächste Vorstellung am 27.10., weitere Termine im November in der Oper am Rhein, Düsseldorf. Tickets und Termine sind hier zu finden.