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Benin-BronzenWie die geraubte Kunst nach Köln kam

Lesezeit 4 Minuten

Gedenkkopf aus der Kölner Sammlung von Benin-Bronzen

Köln – Am 9. Februar 1897 überfielen britische Kolonialtruppen das afrikanische Königreich Benin, töteten unzählige Menschen, legten die Hauptstadt in Trümmer und raubten Tausende Kulturgüter als Entschädigung für die Kosten der eigenen „Strafexpedition“. Schon kurz darauf begann in Europa ein schwunghafter Handel mit den Beutegütern, an dem sich auch eine Kölner Sammlerfamilie beteiligte. Bereits 1897 erwarb Theodor Rautenstrauch 15 Objekte aus Benin, darunter einen Stoßzahn für 50 Pfund, den ein gewisser Leutnant Searl in einem Sportclub in London ausgestellt hatte. 1899 stifteten Adele und Eugen Rautenstrauch, die Eltern des Käufers, die Werke dem 1901 gegründeten und nach ihnen benannten Kölner Museum für Ethnologie.

Heute besitzt das städtische Rautenstrauch-Joest-Museum 95 höfische Kunstwerke aus Benin (eines davon gilt als vermisst), weshalb Susanne Laugwitz-Aulbach, Kulturdezernentin der Stadt Köln, und Museumsdirektorin Nanette Snoep zur digitalen Gesprächsrunde gehörten, die letzte Woche „substanzielle Rückgaben“ an Nigeria, den Rechtsnachfolger des untergegangenen Königreichs Benin, beschloss. Unter Vermittlung der Bundesregierung sollen 2022 die ersten geraubten Objekte an den nigerianischen Staat restituiert werden – und es spricht einiges dafür, dass diese auch aus Kölner Sammlungsbeständen kommen werden.

95 Werke aus Benin bestitz das Rautenstrauch-Joest-Museum

In der Diskussion um koloniale Verbrechen sind die Benin-Bronzen zum Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der europäischen Gesprächspartner geworden. Über Jahrzehnte hinweg wurden Rückgaben der aus Benin geraubten Kulturgüter mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt, obwohl die verbrecherische Herkunft der Objekte offen zu Tage lag. Das Rautenstrauch-Joest-Museum gehörte zu jenen Institutionen, die sowohl Verbrechen in den deutschen Kolonien als auch die unrühmliche Rolle der ethnologischen Museen als Abnehmer kolonialen Raubguts vergleichsweise früh thematisierten.

Die Geschichte der Benin-Bronzen im eigenen Bestand ist weitgehend aufgearbeitet, sämtliche Sammlungsstücke sind derzeit im Schaufenster der Ausstellung „Resist – Die Kunst des Widerstands“ zu sehen und stehen gleichsam zur Abholung durch die rechtmäßigen Besitzer bereit. Entsprechend eindeutig fiel die Stellungnahme der Stadt Köln aus: Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßte die Beschlüsse der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters initiierten Gesprächsrunde, Museumsdirektorin Snoep sieht in ihnen einen Anfang: „Die Benin-Bronzen sind nur die prominentesten Objekte in den Sammlungen, viele weitere werden in der Debatte um die Rückgabe von Sammlungsgütern aus kolonialem Kontext folgen.“

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Gemeinhin versteht man unter Benin-Bronzen kunstvoll verzierte Gedenkköpfe, allerdings machten diese nur einen kleinen Teil der höfischen Kulturgüter aus – in Köln sind sie entsprechend selten. Der Großteil der Benin-Sammlung besteht aus Armringen und Manschetten, Anhängern, Schlüsseln, Glocken, Reliefplaketten oder kleine Tierfiguren. Es sind Keramiken und Elfenbeinschnitzereien darunter und fünf Amulette am Band, in denen die Forscher laut Inventarliste Geldstücke vermuten. Gemeinsam ist allen Objekten, dass die Details ihrer Herkunft im Dunkeln liegen.

In einer Aufarbeitung der bis 1943 erworbenen Sammlungsbestände konnte die Kulturwissenschaftlerin Franziska Bedorf für kein einziges Objekt eine lückenlose Provenienz nachweisen. Das ist einerseits nicht verwunderlich, da das britische Militär nicht Buch darüber führte, was es in Benin geraubt hatte, andererseits aber auch nicht trivial. Denn, wie Bedorf schreibt, ist es zumindest denkbar, dass einige Objekte aus Benin schon vor 1897 „zum Beispiel von afrikanischen Händlern“ erworben wurden und auf diesem Wege legal in den Handel kamen. Sie dürften, falls es sie gibt, freilich in der Masse der geschätzt rund 4000 geraubten Benin-Bronzen untergehen. Es erscheint daher sinnvoll (und moralisch geboten), in Objekten aus Benin generell geraubte Kunstwerke zu sehen, sofern sich nicht das Gegenteil beweisen lässt.

Suche in Inventarbüchern und auf Karteikarten des Museums

Bei ihren Recherchen musste sich Bedorf vornehmlich auf die Inventarbücher und Karteikarten des Museums stützen sowie auf erhaltene Aufzeichnungen der Familie Rautenstrauch. Zu den 15 Objekten, die Theodor Rautenstrauch 1897 für seine Eltern in London erwarb, fand sich etwa die Notiz: „Gegenstände aus Benin; 1897 durch die Engländer dortselbst erbeutet.“ Auf perverse Weise dienten und dienen solche Zuschreibungen als Echtheitsbeweis, allerdings muss auch dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Herkunft damit eindeutig geklärt wäre. Zwölf Objekte kaufte das Museum im Jahr 1943 durch Vermittlung Hildebrand Gurlitts beim Händler Louis Carré im damals besetzten Frankreich an, wobei die Kölner Kuratoren schon bei einer früheren Recherche zu dem Schluss kamen, dass dieser Handel trotz des einschlägig beleumundeten Zwischenhändlers Gurlitt keiner Enteignung gleichkam; es war also auch kein Fall eines doppelten Unrechts.

Das wohl prominenteste Kölner Objekt aus Benin, ein bronzener Gedenkkopf, wurde laut Bedorf 1906 von Theodor Rautenstrauch gestiftet und bei einem englischen Kuriositätenhändler namens F. Smith gekauft - davor könnte es beim Auktionshaus William D. Webster, einer um 1900 besonders geschätzten Handelsplattform für ethnologische Artefakte, gehandelt worden sein. Die schöne Büste gehört sicherlich zu denjenigen Objekten, deren Verlust für Köln nicht zu kompensieren wäre. Gerade deswegen sollte es aber angeraten erscheinen, das Werk rasch und unkompliziert zurückzugeben.