Neue Ausstellung in BonnDas Haus der Geschichte geht auf die Suche nach Heimat
Bonn – Heimat – was ist das eigentlich? Ist es ein bestimmter Ort oder mehr ein Gefühl? Ist es etwas Gemeinschaftliches oder doch Individuelles? Gibt es nur eine Heimat, oder hat sie einen Plural? Lässt sich Heimat überhaupt definieren? Dieser Frage geht die neue Ausstellung „Heimat. Eine Suche“ nach, die an diesem Samstag im Haus der Geschichte in Bonn eröffnet wird.
Corona-Pandemie hat den Begriff gewandelt
„Heimat ist ein dauerhaft aktuelles Thema“, beobachtet der Historiker Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte. Durch die Corona-Pandemie habe es nicht nur eine erneute Hochkonjunktur gehabt, sondern auch einen Bedeutungswandel erfahren. Während der Trend zuvor lange Zeit in Richtung Internationalisierung und Globalisierung gegangen sei, habe, so Hütter, die Pandemie viele, „die im globalen Dorf unterwegs waren“ auf ihre eigene Wohnung zurückgeworfen: „Plötzlich war wieder Urlaub in Deutschland angesagt.“
Doch auch vor der Corona-Krise war Heimat keineswegs ein feststehender Begriff. Seine Bedeutung hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert. Heimat meint heute etwas anderes als noch vor 50 Jahren. Ihre Definition war, sagt Hütter, „vor einigen Jahrzehnten viel weniger komplex als heute“. Für einen Geflüchteten bedeutet der Begriff wiederum etwas völlig anderes als für jemanden, der sein Leben lang an ein und demselben Ort gelebt hat.
Heimat ist also auch immer etwas zutiefst Biografisches. In Syrien oder anderen kriegsgebeutelten Staaten hat Heimat noch einmal eine andere Bedeutung als in Ländern, in denen Frieden herrscht. Der Begriff wandelt sich also auch von Ort zu Ort.
Der Heimatbegriff von 1945 bis heute
Die Ausstellung versucht der Vielschichtigkeit von Heimat auf den Grund zu gehen. Insgesamt 600 Exponate beleuchten das Thema aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Da ist der Hausschlüssel einer Vertriebenen aus Schlesien, der Regiestuhl von Edgar Reitz, Regisseur der erfolgreichen TV-Serie „Heimat“ aus den 1980er Jahren, ein Schal von Borussia Dortmund, Gläser gefüllt mit Düften: Zimtsterne, eine Weide – auch das ist Heimat.
Aufgebaut ist die Ausstellung in Form von fünf Häusern, in der Mitte befindet sich eine Art Dorfplatz. Jedes Haus behandelt einen anderen Aspekt des Themas: Da ist die historische Dimension, ein Haus zum Brauchtum – abgebildet durch, wie könnte es passender sein, Köln und den Karneval. „Liebe deine Stadt“ prangt groß an der Wand, auch der Effzeh findet seinen Platz.
Zur Ausstellung
Die Wechselausstellung „Heimat. Eine Suche“ wird vom 11. Dezember 2021 bis zum 25. September 2022 im Haus der Geschichte in Bonn zu besichtigen sein.
Öffnungszeiten: Di-Fr 9-19 Uhr; Sa/So & Feiertags: 10-18 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Adresse: Museumsmeile, Willy-Brandt-Allee 14, 53113 Bonn
Gleich drei Räume widmen sich dem Thema Judentum. Wie wird, darum geht es im ersten Raum, die Religion heutzutage in Deutschland gelebt? Es folgt die Zeit des Nationalsozialismus. Im nächsten Raum dann der aktuelle Antisemitismus, verbunden mit der Frage: Kann ich mich zuhause fühlen, wenn ich mich nicht sicher fühlen kann? Ein weiteres Haus beschäftigt sich mit der Umweltbewegung der 1970er und 80er Jahre. Auch damals wurde der bis dahin vornehmlich konservativ besetzte Heimatbegriff umgedeutet: Man wollte seine Heimat vor Umweltzerstörung bewahren.
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Thematisiert wird auch der Braunkohleabbau in der Lausitz und dem Rheinischen Revier, dem bereits etliche Dörfer weichen mussten. Auf dem Dorfplatz findet sich zudem ein kleiner Gaszähler. Er ist dreckverschmutzt und wurde aus den erst im Sommer zerstörten Flutgebieten geborgen. Es ist nur ein einzelnes Ausstellungsobjekt, doch auch hier wird die Geschichte von zerstörter und verlorener Heimat erzählt.
In jedem Haus gibt es zudem einen Bildschirm – sogenannte „Heimatexperten“ erzählen dort ihre Erfahrungen zu dem jeweiligen Thema. Sie treten nicht nur als Zeitzeugen auf, sondern diskutieren unterschiedliche Aspekte des Heimatbegriffs. In diese Diskussionen können und sollen die Besucher und Besucherinnen mit einsteigen: Auf dem Dorfplatz sind Zettel mit Fragen ausgelegt, die man benutzen kann, um den eigenen persönlichen Heimatbegriff in die Debatte einzubringen. Jemand hat dort festgehalten: „Heimat ist ein Ort, aber ohne Menschen ist er leblos.“ Jemand anderes schrieb: „Heimat ist ein Gefühl.“ Die Ausstellung ist noch bis zum 25. September 2022 im Haus der Geschichte zu sehen. Bis dahin dürfte die Wand auf dem Dorfplatz voller Zettel sein, voller unterschiedlicher Begriffe von Heimat.