Berlin – Der kriegsmüde Anführer. Das lustige Schlitzohr. Der stoische Krieger. Der kampfunerprobte Schüler. Und so weiter. Akira Kurosawas Filmklassiker „Die sieben Samurai“ (1954) verdanken wir das Motiv der Zusammenstellung des Teams, das seitdem in Hunderten von Western, Actionfilmen und Heist-Movies durchexerziert wurde.
Am berühmtesten vielleicht im amerikanische Remake der „Sieben Samurai“, John Sturges‘ „Die glorreichen Sieben“ (1960). Die sind, jeder für sich genommen, alles andere als glorreich. Sind traumatisierte Killer, Glücksritter, oder einfach gerade knapp bei Kasse. Doch haben sie sich einmal zusammengerauft, vereint von einem höheren, altruistischen Ziel, verkörpern sie die geballte Macht des Guten. Kein Dorf muss mit diesen Kämpen mehr Banditen fürchten.
Es ist exakt diese Ikonografie, welche die Ampel-Koalitionäre vor wenigen Wochen zitierten, als sie in breiter Aufstellung für die Kameras zur Berliner Pressekonferenz schritten, auf der sie den gemeinsam geschlossenen Vertrag vorstellen wollten. Man glaubt, Elmer Bernsteins schmissige „Magnificent Seven“-Fanfare zu vernehmen, zu der dann später Reklame-Cowboys Marlboro rauchten. Jetzt ist der Koalitionsvertrag unterschrieben, das Bauerndorf kann gerettet werden.
Annalena Baerbock und Robert Habeck für die Grünen und Christian Lindner und Volker Wissing für die FDP nehmen den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz in ihre Mitte; Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die beiden Bundesvorsitzenden der SPD, rahmen das Helden-Gemälde. Habeck und Esken haben ihre Jacketts schon schussbereit geöffnet. Baerbock nestelt noch cool am Knopf ihres lilablauen Blazers. Die Slim-Fit-Pistoleros von der FDP können das bevorstehende ballistische Ballett kaum erwarten und haben bereits ein paar Schluck Zielwasser intus. Sie alle halten mindestens eine Hand in Colt-Nähe.
Und Scholz, die Augen Lee-Van-Cleef-mäßig zusammengekniffen, ist der ideale Anführer dieser diversen Truppe. Der darf nämlich, das ist Genre-Gesetz, keine das strategische Denken störende Haare haben: Siehe Takashi Shimura in „Die sieben Samurai“, Yul Brunner in „Die glorreichen Sieben“, aber auch Ed Harris als John Glenn in „Der Stoff, aus dem die Helden sind“, oder Bruce Willis in „Armageddon“.
So viele Filmbilder scheinen sich im Dahinschreiten dieser Sieben zu überlagern. Und warum müssen es eigentlich immer Sieben sein? Ob die Nasa, als sie mit den „Mercury Seven“ ihre ersten Astronauten rekrutiert hat – die Geschichte wird in Philip Kaufmans „Der Stoff, aus dem die Helden sind“ (1983) erzählt – unbewusst Kurosawas Vorlage aufgenommen hat? Selbstredend sind es auch sieben zu Astronauten umgelernte Ölbohrarbeiter, die in Michael Bays Katastrophen-Thriller „Armageddon“ einen Asteroiden sprengen sollen, der die Erde bedroht.
Die große Aufgabe – beschütze die Bauern, klau den Tresor, rette die ganze Welt – bildet in den filmischen Vorbildern der Koalitionäre nur das letzte Viertel. Der interessantere Teil ist, wie gesagt, die Zusammenstellung und das anschließende Zusammenraufen eines höchst unterschiedlichen Teams.
Der entschlossene Gang in voller Breite ist die Feier dieser Teambildungs-Übung: Gemeinsam sind wir stark. Nicht, dass die Damen und Herren von der Ampel denken, sie hätten schon mehr vollbracht, als ein schönes Plakatmotiv nachzustellen.