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Bruno Goller in BonnDie Erotik von Frauen und Katzen und Erinnerungen

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Katzen sitzen auf Podesten, eine faucht.

Ausschnitt aus Bruno Gollers Gemälde „Zwei Katzen“ aus dem Jahr 1968

Das Kunstmuseum Bonn erinnert an Bruno Goller, einen der großen Einzelgänger der modernen Malerei im Rheinland.

Angeblich ist die Erinnerung das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Aber leben können wir auch nicht darin, jedenfalls nicht außerhalb flatterhafter Tagträume. Die Bilder des Düsseldorfer Malers Bruno Goller gehören zu den Paradebeispielen dieser im Grunde trivialen, aber nicht nur für Goller schwer zu verwindenden Einsicht. Am liebsten wäre er wohl im Modegeschäft seiner früh verstorbenen Mutter liegen geblieben – wie ein vergessenes Ausstellungsstück.

Bruno Goller klammerte sich an die moderne Malerei

Stattdessen klammerte sich Goller an die moderne Malerei und zog schweren Herzens aus Gummersbach, seiner halbwegs geliebten Heimatstadt, nach Düsseldorf, wo er seine sensible Künstlerseele offenbar besser aufgehoben fand. Hier malte er, was er sein langes Leben lang (Goller, geboren 1901, wurde beinahe so alt wie das Jahrhundert) malen sollte: Kleider, Frauen und Katzen, die er wie in Geschäftsauslagen drapierte. Jedes Ding bekam bei ihm sein eigenes Podest, seinen eigenen Rahmen, seinen Platz im Schaufenster der verlorenen Vergangenheit.

Eine Frau mit weit aufgerissenen Augen schaut zum Bild heraus.

Bruno Gollers Frauenkopf ist derzeit im Kunstmuseum Bonn zu sehen.

In der Gegenwart kam Bruno mit diesen etwas naiv wirkenden Collagen niemals an, auch wenn seine Gemälde wehmütige Varianten surrealer Bilderträume waren. Genau diese Weltabgeschiedenheit lässt ihn heute allerdings immer noch zeitlos wirken – vermutlich standen die Besucher seiner ersten großen Retrospektive, 1958 in Hannover, ebenso ergriffen ratlos vor seinen Gemälden wie wir heute im Kunstmuseum Bonn. Einen „Monolith“ nennt ihn Stephan Berg, Direktor des Kunstmuseums, und einen „berühmten Unbekannten“. Christoph Schreier, Kurator der Ausstellung, vergleicht Goller mit einer Sphinx.

Bereits die ersten Bilder der weitgehend chronologisch geordneten Ausstellung wirken tatsächlich so schlicht und erhaben wie altägyptische Monumente. Goller malte Frauen wie Statuen oder Büsten, steif und würdig und ein bisschen unheimlich, dabei auf einfache Formen reduziert – Männer kommen in seiner Welt praktisch nicht vor, und falls doch, hängen sie als leere Anzugjacke an Kleiderbügeln herum. Man ist geneigt, die männliche Abwesenheit autobiografisch zu deuten: Gollers Vater starb, als der Sohn drei Jahre alt war. Und sein Blick auf die Frauen wirkt, als würde der kleine Bruno seiner Mutter, einer Hutmacherin, immer noch verstohlen bei der Bedienung der Kundschaft zusehen.

Goller gab diesen scheinbar naiven Kindheitserinnerungen eine beinahe zeichenhafte Form

Goller gab diesen scheinbar naiven Kindheitserinnerungen eine sehr malerische, beinahe zeichenhafte Form. Er malte in dumpfen Farben, als blicke er durch einen Schleier in die Vergangenheit, und raute sie mit der Rasierklinge immer wieder auf. Für einige Jahre begannen Zahlen seine Bilder zu erobern, wobei sich Goller wohl weniger für ihre Magie als für ihre Formen interessierte. Gleiches gilt für die großen Ohren, deren riesige Muscheln sich bei ihm zu abstrakten Landschaften öffnen. Am auffälligsten sind jedoch die erweiterten Pupillen seiner Frauen. Sie blicken starr und vielleicht ein wenig perplex über die schwärmerische Anteilnahme, die ihnen widerfährt.

Am einfachsten ließe sich Gollers sanfter Surrealismus durch eine sublimierte Sexmanie erklären. Wohin der verheiratete Goller auch schaute, überall entdeckte er das andere Geschlecht (vor allem, wenn man Katzen, das zweithäufigste Motiv seines Werks, dazuzählt). Auf einem rührenden Gemälde stößt eine speckige Lokomotive eine Dampfwolke mit einem liegenden weiblichen Halbakt aus. Als Goller dies malte, war er beinahe 80 Jahre alt und pensionierter Akademieprofessor. Auf einer ähnlich gestrickten Zeichnung ist eine dunkle Wolke „traurig“ – gleich beginnt sie wohl zu weinen.

Diese kindlich-surreale Aufladung der Dinge war nicht jedermanns Geschmack – Blinky Palermo ergriff als Gollers Akademieschüler rasch die Flucht und wechselte in die Klasse von Joseph Beuys. Ein anderer Objektfetischist hielt Goller dagegen die Treue: Konrad Klapheck gehörte zu seinen gelehrigsten Studenten. Unter den rheinischen Kuratoren hatte dieser ebenfalls prominente Bewunderer, allen voran Werner Schmalenbach, aber auch Karl Ruhrberg und Martin Henschel, die ihm jeweils große Retrospektiven widmeten. Seit Henschels Werkschau zum 100. Geburtstag des Malers wurde es allerdings still um Gollers Werk.

Jetzt kann man Bruno Gollers private Paradiese wieder in üppiger Fülle sehen. Geht es in ihnen um die Erotik der Dinge oder der Erinnerungen? Beides hielt sich der Maler eher vom Leib. Seine Bilder ähneln Setzkästen - ein bisschen verstaubt, aber liebevoll arrangiert.


„Bruno Goller. Retrospektive 1922-1992“, Kunstmuseum Bonn, Di.-So. 11-18Uhr, bis 19. Januar 2025. Der Katalog kostet 39,80 Euro.