Der nigerianische Sänger und Rapper Burna Boy ist derzeit Afrikas wichtigster kultureller Export. In der Kölner Arena kochte die Stimmung über.
Burna Boy in KölnAfrikas Weltstar füllt die Lanxess-Arena
„Oluwa Burna“, ruft Burna Boy aus, den nackten, schweißglänzenden Oberkörper vorgestreckt. „Ye Ye, Ye Ye Ye Ye Ye Ye Ye“, antwortet die Menge, wie aus einem Mund. Die Lanxess-Arena ist bis unters Dach gefüllt, im Innenraum drängt sich die Masse so eng wie möglich um die kleine Vorderbühne am Ende des kurzen Laufstegs, die Burna Boy selten verlässt. Und findet trotzdem noch Platz zum Tanzen.
Der Song, dessen Refrain hier gerade zelebriert wird, füllt die komplette Bullshitbingo-Karte: Dicke Autos, schicke Frauen, korrekte Buchführung und Grüße an die Homies, aber im Grunde geht es um die Lust zu leben, Widerständen und Widrigkeiten zu trotzen und es geht auch gar nicht nur um den nigerianischen Musiker, der sich vor ein paar Jahren zum afrikanischen Riesen erklärt hat – das hat er sich sogar auf sein Sixpack tätowieren lassen – und nun tatsächlich der größte Star des Kontinents ist, nein, es geht um den Prozess des Zusammenkommens, des gemeinsam Handelns. Performer und Publikum verschmelzen im Call-and-Response-Chor zu einer Wesenheit namens Gesellschaft. Einer panafrikanischen Gesellschaft, um genau zu sein.
Burna Boy nimmt das große Erbe Fela Kutis auf – und noch so viel mehr
Damit nimmt Burna Boy das große Erbe des Afrobeat-Erfinders Fela Kuti auf, sein Großvater mütterlicherseits war dessen Manager. Er ist bei weitem nicht der Einzige: Afrobeats – mit einem zusätzlichen „s“, um die weit ausgreifenden Einflüsse zu markieren, die das Genre mittlerweile in sich aufgenommen hat – sind im Popgeschäft derzeit ähnlich präsent wie lateinamerikanische Rhythmen. Zumindest in den Charts hat der Globale Süden seinen Siegeszug längst angetreten.
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Weshalb Burna Boy seine nigerianischen Wurzeln nicht verleugnen, oder seinen Sound verwässern muss, um auf der ganzen Welt Arenen zu füllen und fünfmal hintereinander auf Barack Obamas Jahres-Playlist zu landen. Im Gegenteil, seine Musik ist schon im Ansatz hybrid, als Jugendlicher hörte er lieber den Wu-Tang-Clan als Fela und sowieso bevorzugt er den Begriff „Afrofusion“: In Köln wechselt der 32-Jährige von R’n’B-gemäßem Flehen – bei „Alone“ ähnelt seine Stimme dem zitternden Rohrblatt eines Saxofons – zum coolen Flow US-amerikanischer Rapper zum heißen Stakkato jamaikanischer Dancehall-Künstler. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, das wirklich Bemerkenswerte aber ist die lässige Selbstverständlichkeit, mit der all das verbunden wird.
Die Bühne stellt eine Straßenszene dar, vielleicht in Lagos, mit Lebensmittelladen und Barber Shop. Davor, darunter und darauf finden 13 fantastisch swingende Musiker Platz, darunter eine vier Mann starke Bläsergruppe. Dazu kommen, manchmal nur für einen Song, noch ein Streichquartett und eine Samba-Bateria – und vier Tänzerinnen in weißen Latzhosen, die weder besonders virtuos tanzen noch sich in aufreizende Posen werfen, sondern einfach über die Bühne streifen, treppauf, treppab rennen, Fenster putzen, Himmel und Hölle spielen, kurz: Alltag herstellen.
Und Burna Boy selbst stellt sich der Menge so ungezwungen, als wäre er mal eben zufällig in die Halle spaziert, als würde er hier wohnen und die Zeilen flössen nur so aus ihm heraus und seine Füße wollten gerade jetzt diesen Shuffle tanzen. Dabei betreibt der Sänger Hochleistungssport, hat das überbordende Geschehen jederzeit im Blick, stoppt sofort die Musik, als eine Person im Publikum schwächelt, unterbricht auch, als plötzlich ein Gegenstand eine Tänzerin trifft.
Es soll ein Geschenk sein, aber man möge doch bitte, sagt Burna Boy, nichts auf die Bühne werfen, außer BHs und Höschen. „Female panties“, spezifiziert der Sänger, und das ist ja schon wieder sehr lustig. Sagenhaft, wie dann die Musiker auf ein Zeichen hin den unterbrochenen Track wieder im Augenblick auf die Höhe bringen – in diesem Fall den sonischen Ansturm von „Giza“ mit heulender Led-Zeppelin-Gitarre.
Irgendwann erbarmt sich dann endlich ein weiblicher Fan und der Burna Boy hält den BH im Triumph hoch, aber keine Macho-Pose wird an diesem Abend ohne selbstironisches Grinsen serviert, auch nicht das Fußaufstampfen in „City Boys“. Dazu sind ihm die Familienwerte viel zu wichtig, Burna Boy wird immer noch von seiner Mutter gemanagt. Wenn er sich, wie im Song „On the Flow“ eine Frau auf dem Tanzflur ausguckt, dann folgen bald darauf Schwüre, für sie ein besserer Mann werden zu wollen. Wie schön. Und so verlässt man auch nach gut hundert Minuten die Arena: positiv aufgeladen, mit wackelnden Hüften und hochgehaltenem Kopf. Einfach glücklich. Von Burna Boy und seinen afrikanischen Werten kann man noch einiges lernen.